Der Embrunman – aus dem Nähkästchen

 

Das war 1993. Zur Vorgeschichte: Im Januar war ich mit zwei Freunden eine Woche in Kärnten (Kötschach-Mauthen) zum Skilanglauf gewesen. Der eine Freund, Michael Förster, hatte vor, zum Abschluß an einem Skimarathon (50km Skating) teilzunehmen. Das Skaten vertrug jedoch schon vom 2. Tag an trotz Abwechslung mit dem klassischen Stil mein linkes Knie nicht. Am Samstag sagte ich mir, es hat keinen Zweck! – und meldete mich an. Am Abend ging ich zu unserer Wirtin und meinte, sie habe doch sicherlich ein Medikamentenkästchen von den Medikamenten, (das kannte ich von Hausbesuchen) die sie noch nicht weggeschmissen habe. Sie zeigte mir den Rest - ein Blick und ich fand das richtige Antirheumatikum. Ich nahm gleich, spät abends und am Morgen je eine Tablette. Am nächsten Morgen ging es meinem Knie schon viel besser, und ich absolvierte die 50km problemlos. Leider, aber halb vorausgesehen, war mein Knie durch die Überbeanspruchung den ganzen Winter hindurch gereizt, so daß ich nur wenig trainieren konnte. Erst Ende April ging es wieder.

 

Aufgrund des mangelnden Trainings beschloß ich, dieses Jahr just for fun an Klassikern teilzunehmen, die ich schon lange mal machen wollte, nämlich den Allgäu-Triathlon in Immenstadt und in Embrun. Embrun war mir als der wohl härteste Ironman mit 3500 Höhenmeter und dem Col d’Izoard bekannt. Den war ich schon einmal 1986 gefahren und hatte ihn nicht so schlimm in Erinnerung. In Immenstadt fand erstmalig eine ¾-Distanz statt, zu der ich mich, wie immer ein bisschen größenwahnsinnig, anmeldete. Ich hatte Glück und gewann die AK50 unter 5 Finishern trotz Speichenbruch in meinem mit 18 radialen Speichen selbstgebastelten Hinterrad mit fast einer halben Stunde Vorsprung. Ein einziger 55jähriger war letzter. Noch Ältere gab es nicht. Eine herrliche Kuhglocke gab es für alle Klassensieger, die jetzt noch bei Wettkämpfen zur Lärmbelästigung dient.

 

Randnotizen: Neulich in Wiesbaden traf ich Hannes Blaschke (Hawai-Hannes). Er fing gleich damit an, ihn hatte beeindruckt, dass ich in Hawai 1988 einfach die Hälfte der Speichen rausgeschmissen hatte. Ausgerechnet in Immenstadt nach knapp der Hälfte der Strecke brach 5 Jahre später erstmalig eine Speiche. In Roth war ich vorher als Zuschauer eine Runde mitgefahren und hatte mich mehrfach als Samariter betätigt, u.a. indem ich einem Athleten mein Vorderrad auslieh. Ich staunte, obwohl sich bei ihm schon von Anfang an die Speichen lockerten, als ich ankam, nur noch ein Drittel der Speichen fest, das Rad nicht mehr fahrbar war, hatte er die Radstrecke in unter 5 Stunden geschafft und den Triathlon in 91/4 Stunden. Dieser Typ stand mehrfach in Immenstadt an der Stecke, und ich wollte schon anhalten und ihn um sein Hinterrad bitten. Aber es ging auch so. Diese Laufräder hatte ich Tomas Klimecky nachgebaut, der in Roth 88 nicht nur durch seine Laufräder, mehr durch seinen selbstgebastelten Karbonrahmen, vor allem dadurch, dass die Lookplatten oben auf den Schuhen und die Pedale umgekehrt angebracht waren, auffiel. Er war so auch unglaublich schnell.

 

Zurück zu Embrun: 1 Woche vorher war ich mit meinem rechten Mittelfinger in eine zuschlagende Autotür geraten und hatte am Nagelbett einen offenen Bruch. Der Prof. am NW-Krankenhaus wollte mich operieren, ich lehnte ab, da ich vor Embrun nicht eine zusätzliche Verletzung wollte. Damals fanden die offiziellen Europameisterschaften, auch für die Altersklassen, statt. Ich meldete mich über die DTU an und fuhr mit Christian Wolff (Roth unter 9 Stunden und Radzeit 4.38) hinunter. Was da alles in meinen Sportcoupe Nissan 100NX hinein passte - ich fahre ihn noch heute - Zelt, Liegestuhl, Klappstuhl, 2 Fahrräder und sonstige Utensilien! Christian verführte mich dazu, dass jeder die knappe Woche vorher abends1 Flasche Rotwein pichelte. Ich dachte, ob das gut sei? Einige alte Bekannte wie Kalli Notrott waren auch da, in meiner AK ein Typ aus Frankfurt/Oder, der kurz vorher 9.50 geschafft hatte. Das konnte ich jetzt nicht mehr.

 

Meinen Finger versuchte ich wasserdicht mit einem Pariser und einer Schiene zu präparieren. Trotzdem lief das Ganze bald voll. Beim Schwimmen in einem See unterhalb von Embrun in 1.13  kam er kurz nach mir aus dem Wasser und überholte mich gleich am ersten langen Anstieg. Die Schiene klapperte an der Bremse. Bei km 80 überholte mich Christian, der in der offenen Klasse 40min nach mir gestartet war, und nach 85km überholte ich am Fuß des Col d’Izoard Wolfgang Arnold (nach dem Schwimmen als ehemaliger Wasserballer 10 min vor mir, soviel auch meist in Kurztriathlons, ein Urgestein, mehrfacher deutscher, Europa- und Weltmeister in der AK, aber auf Lang war ich immer vor ihm), plauderte mit ihm kurz und wäre schon fast wegen Windschattenfahrens am Berg verwarnt worden. Anschließend ging es steil bergauf etwa 5km. Wolfgang fuhr schon vorher auf dem größten Kranz und stieg erstmal ab, während ich diesen auflegte (42-28). Noch einmal ging es 1-2km ebenso steil bergauf, und als ich schon von weitem die Lautsprecher hörte, ging es noch mal 4-500 Höhenmeter bergauf und bei nasser Straße in Serpentinen bergab. Ich sah Radler liegen und den Sani. Ich brauchte gut 8 Stunden auf dem Rad.

 

Trotz der harten Radstrecke konnte ich erstaunlich gut laufen. Es ging nach Embrun hinauf, auf der anderen Seite hinunter, dann eine Wendepunktstrecke am Fluß entlang, auf der anderen Seite des Flusses bergauf und bergab. Das Ganze zwei Runden. Auf der ersten Runde in Embrun überholte mich Torsten Zervas (auch schon unter 9 Stunden, er hat sich bisher als Letzter in meinem Gästebuch verewigt). Ich fragte ihn „warum so spät?“, er meinte, er habe durch Probleme mit der Kette ½ Stunde verloren. Nach 20km bekam ich harte Beine und konnte nur langsam laufen. Die letzten 5km ging es wieder ganz gut. Ich brauchte für das Laufen 4 Stunden, insgesamt 13.20.

 

Ich war von 6 Finishern in der AK50 Dritter und stand auf dem Treppchen (das Photo habe ich noch irgendwo), 11/2 Stunden hinter dem Ersten, einem Franzosen, und 50min hinter dem 2., einem Holländer, und 11/2 Stunden vor dem 4. Das waren Zeitabstände! Der andere Frankfurter hatte beim Laufen aufgegeben. (Ein Jahr später in Lanzarote traf ich ihn wieder. Jemand meinte, er wäre gespannt, wer gewinnt, ein professionell Vorbereiteter oder ein Raucher. Er war weit vor mir, 1. in der AK, ich 3. mit 11.20, meine letzte Quali für Hawai.) Wolfgang Arnold war ½ Stunde hinter mir Sieger der AK55, unter 2 Finishern bei 8 Startern, so sagte er mir. Wie viele in der AK50 gestartet waren, weiß ich nicht. Kalli und Christian finishten unter 12 Stunden. Diese Europameisterschaften waren in der Elite von den Deutschen nicht beschickt worden. Deswegen gab es kaum Berichte. In den Altersklassen hatten die Deutschen aber schwer abgesahnt, noch dazu in der AK40 und 45.

 

Nach einer gebührenden Feier natürlich mit Rotwein und mit einer holländischen Familie (dort gab es viele Holländer) fuhren wir ab. An meinem Finger stellte ich bei der Rückfahrt eine Vereiterung fest. Trotzdem verheilte er normal, aber wegen einer Verletzung des Nagelbettes ist der Nagel immer noch nicht ganz glatt.

 

Bernd Holstiege im September 07