Der Bericht über meine Laufkarriere ist vielleicht für ambitionierte Läufer
interessant.
Wenn ich als Student das ganze Wochenende durchgesoffen hatte, packte mich ein
Bewegungsdrang und ich versuchte um die vier Ecken zu rennen. Völlig untrainiert
blieb mir natürlich bald die Puste weg. Aber ich träumte, länger schnell
laufen zu können, das müßte ein schönes Körpergefühl sein.
Ich war etwa 27, da hörte ich, daß mein jüngerer Bruder Elmar den 25 Kilometer- Osterlauf in Paderborn mitgemacht hatte. Das war für mich eine dolle Leistung. So alle paar Monate lief ich dann auch etwa zwei Kilometer, bekam aber seit einer Bergtour oft rechts außeen Kniebeschwerden. Zweimal lief meine Frau Christa mit einem Freund mit und hängte uns beide ab.
Nachdem ich 74 meine Praxis in Wiesbaden eröffnet und mich der Skizunft, zuerst zur Skigymnastik, angeschlossen hatte, hörte ich, daß einige sich freitags abends zum Lauf trafen. Am Laufen hatte ich schon länger Interesse. Ich schloß mich also dieser Skizunft-Läufergruppe an, die für mich Untrainierten viel zu schnell losliefen, und ich mußte nach etwa 4km total fertig mit schmerzendem rechten Knie gehen. Es dauerte regelmäßig 3 Tage, bis es wieder beschwerdefrei war. Mehr ging wegen dieser verdammten Kniebeschwerden nicht. Im Sommer konnte ich etwa 5km auf dem Sportplatz laufen und lief 2 bis 3 mal in der Woche. Ärztlich hatte ich mich deswegen nie untersuchen lassen. Auf diese Idee kam ich gar nicht. Im Herbst 75 bin ich sogar einmal auf etwa 15km gekommen, aber bald darauf ging wenig, und ich setzte länger aus.
Nach einem Laufversuch mit schmerzenden Knie Anfang 76 stellte ich beim Hopsen
auf der Stelle in der Skigymnastik mehr zufällig fest, wenn ich normal hopste, hatte ich Schmerzen,
wenn ich auf dem Innenfuß hopste, hatte ich keine Beschwerden. Das übersetzte
ich auf das Laufen, ich müßte also mehr über den Innenfuß laufen, und seitdem
konnte ich längere Strecken laufen.
Im Frühjahr und Sommer 86 ging ich etwa 3 mal in der Woche vielleicht 10 km laufen, 1 mal auf den Sportplatz, sonst in den schönen Wiesbadener Taunus berauf und bergab. Ich kam mir schon vor wie ein Weltmeister. Soviel Laufen war etwas phantastisches. Ich hatte keine Ahnung, was so im Leistungsbereich trainiert wird. Dann nahm ich an meinem 1. Volkslauf in Wiesbaden teil, in meinem Größenwahn gleich 20km die Platte steil hinauf. Da ich viel zu schnell losrannte, ging ich fürchterlich ein, mußte die letzten km gehen. Anschließend fuhr ich mit meinem Lauffreund Bolli mehrfach zu Volksläufen. Es ging immer besser, und ich holte gegenüber den anderen auf oder überholte sie sogar.
Im Frühjahr 77 wollte ein Laufkumpel der Skizunft seinen ersten Marathon laufen.
Dieser Kumpel hatte mir haarsträubendes erzählt. Früher sei er Alkoholiker
gewesen, habe dann chronisches Rheuma bekommen, sei durch das Cortison am ganzen
Körper aufgequollen und habe ½ Jahr fast nur im Bett gelegen. Jetzt lief er,
gleichaltrig mit mir, etwa wie ich und wollte Marathon laufen. Ich beschloß es
auch zu versuchen, bekam aber an beiden Füßen geschwollene Knöchel und
verzichtete aus Schreck auf dem Marathon. Als nach einer Woche Pause ein zehn
Kilometer-Wettkampf keine Verschlimmerung brachte, war ich beruhigt.
Im Sommer 77 nach dem Umzug nach Frankfurt war ich überwiegend mit Bauen beschäftigt, hatte aber einen erneuten Versuch im Hinterkopf. Gelegentlich gesellte ich mich dem Lauftreff von Spiridon Frankfurt hinzu. Das 1. Mal wurde ich gnadenlos abgehängt und irrte ganz alleine orientierungslos durch den Wald. Die Spiridonis erzählten mir, daß einige von ihnen 100km pro Woche laufen. Ich staunte Bauklötze. Unvorstellbar! Als drei Wochen vor dem Frankfurter Marathon immer noch nichts geschehen war, lernte ich zufällig bei einem Lauf im Grüneburgpark einen ganz in der Nähe wohnenden Ami kennen, der für den Marathon im Frankfurter Stadtwald trainierte. Da ich gut mit ihm mithalten konnte, beschloß ich, es doch zu versuchen. In diesen zwei Wochen war mein längster Laufen knapp drei Stunden durch den Taunus. Wieder fingen die Knöchel an anzuschwellen, aber nicht so schlimm. Nach einer Woche Pause startete ich.
Mein 1. Marathon im Frankfurter Stadtwald: Ich hatte vereinbart, mit dem Ami
zusammen zulaufen, aber ab etwa 18 war es mir in einer größeren Gruppe zu
langsam, so daß sich mein Tempo verschärfte. Bei etwa 28 überholte ich einen
Lauffreund aus Wiesbaden, den ich stärker einschätzte. Ich weiß noch, daß ich
dachte " oh welch ein Frevel! ". Bald bekam ich die alten Kniebeschwerden und
mußte gehen. Nach vielleicht zwei Kilometer fing sich das Knie wieder, und ich
konnte gut bis zum Schluß durchrennen. Meine Zeit auf wohl stark verkürzter
Strecke war 3.26. Ich war richtig stolz. Die geschwollenen Knöchel waren auch
nicht schlimmer geworden und traten nie mehr auf. Danach habe ich besser und
kontinuierlicher trainiert und startete im Frühjahr 78 Gießen. Da ich zu schnell
angegangen war und ziemlich einging, kam etwa dieselbe Zeit heraus.
Im Herbst 78 trat ich erneut in Frankfurt an. Ich hatte gehört, daß der
Präsident von dem inzwischen gegründeten Spiridonlaufclub, Gerhard Schröder,
langsam angehen würde und gesellte mich in einer größeren Gruppe zu ihm. Auf
zwei 20 Kilometer Volksläufen kurz vorher hatte er mich meiner Erinnerung nach
etwa zehn Minuten abgehängt. Während des Laufes wurde unsere Gruppe immer
kleiner und bei etwa 30 waren Gerhard und ich alleine. Bald merkte ich, daß er
schwer keuchte, während ich locker lief und bin bald mit einem überholenden
Läufer abgehauen. Ich kam in 3.13 ins Ziel, Gerhard drei Minuten später.
Daraufhin hatte ich Blut geleckt, eifriger und regelmäßiger trainiert, meist mit meinem neuen
Lauffreund Wolfgang Karaschkewitz, der jedoch in Frankfurt knapp unter drei
Stunden gelaufen und insofern leistungsstärker war. Ich hatte große Mühe, mit
ihm im Training halbwegs mitzuhalten, er immer einen Schritt voraus.
Auch fand sich langsam die Grüneburgpark - Gruppe zusammen. Die regelmäßigsten
Mitläufer waren Dr. Ernst Müller, ein im Westend niedergelassener Orthopäde,
Herwig Lissy, im graphischen Gewerbe bei einer Werbefirma tätig, später
regelmäßig Peter Eimer, Architekt und Häuserbesitzer, Dr. Jürgen Meske,
niedergelassener Gynäkologe am Eschenheimer Turm, Klaus Fuhrmann, einige Frauen
und Amerikaner- eine illustre Gesellschaft. Alles Leute, die sich mittags frei
nehmen konnten. Wir liefen jeden Mittag in der Woche 1 bis 2 Stunden. Vor allem,
als Klaus Fuhrmann hinzu kam, einem Radrennfahrer, wurde geknüppelt, wie beim
Radfahren üblich. Mir war es oft zu schnell. Die Gruppe traf sich etwa 15 Jahre
mit teilweise wechselnder Besetzung.
Im Herbst 78 und Winter 79 war mein Training regelmäßiger und eifriger. Ab 78
führte ich ein Trainingsbuch, zuerst auf dem Kalender, ab 81 in das von Klaus
geschenkte Träningsbuch. Auf der Innenseite hatte er eine lustige Komik
angebracht. In meinen Augen war es zwar mir gewidmet, aber das Gesicht ist mehr
seines und entspricht seinem Trainingsstil. Er leistete sich beim
Spiridonlauftreff auch immer mit Manfred Haberbeck, einem der damals stärksten
Läufer von Spiridon und ewigen Bolzer– mit Marathonbestzeit von 2.29- Chapeaut!
- seine Zweikämpfe auf Biegen und Brechen. Das hätte ich nicht ausgehalten.
Herwig war auch so ein Trainingsweltmeister, der sein Training nicht ganz
umsetzen konnte, weil er in meinen Augen bis kurz vor den Wettkampf viel zuviel
tat und nicht regeneriert war. Ein Training besteht halt aus Anspannung und
Erholung. Als tiefenpsychologisch Versierter vermute ich dahinter die Angst vor
dem Form- oder Leistungsverlust, wenn man mal ein paar Tage gar nichts oder nur
locker macht. Ich verspürte in mir auch ähnliches. Deswegen komme ich darauf.
Harald Schmidt benannte es in einem Interview ähnlich.
Hier drei Photos von Spiridon-Laufkumpels beim Marathon 79 in Rodenbach mit
Gerhard Schröder, Wolfgang Karaschkewitz, Fritz Schmidt, Dr. Ernst Müller,
Heinz Geiß und meiner lang behaarten Wenigkeit.
Im März 79 in Kandel versuchte ich das erste Mal unter drei Stunden zu laufen.
Kandel ist eine langweilige, aber schnelle Strecke. Das klappte noch nicht ganz,
auch traten wieder Kniebeschwerden auf, die mich aber kaum Zeit kosteten, und
ich kam in 3.03 im Ziel an. Wolfgang lief 2.50. Im Herbst in einem erneuten Versuch in
Rodenbach lief ich 3.00.03 Stunden - so ein Pech – obwohl ich noch gerannt war,
als ich merkte, daß ich noch unter 3 Stunden schaffen kann. Zwei Wochen später
in Donaueschingen blieb ich auf gebirgiger Strecke bei 3.09 und wollte einen
erneuten Versuch auf das nächste Jahr verschieben. Dann wurde ich überredete,
zwei Wochen später es noch einmal in Neufbrisach zu probieren und kam in 2.55
an. Endlich hatte ich es geschafft und dann noch gleich 5min unter 3 Stunden!
Jetzt war mein Ziel unter 2.50. Ich intensivierte das Training, 100 bis 150
Kilometer in der Woche, und machte Anfang Februar 80 aus dem Training heraus
einen Versuch in Appeldorn in Südholland. Ich fuhr mit denselben Leuten dorthin
wie nach Neufbrisach. Der Start war eng, und ich stand viel zu weit hinten,
sodaß ich teilweise durch den Wald laufen mußte, um weiter nach vorne
zukommen. Etwa bei 8 km holte ich den Lauffreund Joachim ein, der in Neufbrisach
zehn Minuten schneller als ich gelaufen war, und wir liefen zusammen. Bei 20
Kilometer fühlte ich mich schon recht ausgelaugt (ich habe noch irgendwo ein
Foto mit Mitläufern, siehe das Schwarz-Wieß-Bild), aber bei 25 Kilometer ging es wieder recht gut. Ich lag
drei Minuten hinter der Zeit von Neufbrisach, und Joachim drückte ordentlich auf
das Tempo. Ob das gut ginge? Ich wunderte mich, daß ich überhaupt mithalten
konnte. Bei 35 Kilometer merkte ich, daß er ausgepumpt war und lief ihm davon.
Ich kam in 2.52 ins Ziel.
Jetzt war ich in Spiridon einer der Anwärter auf unter 2.50. Wir waren Anfang
März in Kandel etwa acht Leute von Spiridon, die unter 2.50 laufen wollten und
liefen zusammen. Nach etwa zehn Kilometer verabschiedeten sich zwei nach vorne
und nach 25 war ich allein. Bei etwa 32 überholte ich Wolfgang Karaschkewitz,
einen der beiden, und sah bald den anderen, Eberhard Minzenmey, vor mir, aber
der Abstand blieb gleich. Er kam in 2.48 und ich in 2.49 ins Ziel. Ich hatte es
geschafft! Wir zwei waren die einzigen. Wolfgang lief 2.52.
Anfang Dezember fuhr ich mit Wolfgang und einer Laufgruppe nach Hawaii zum
Honolulumarathon. Ich hatte mein Training im Oktober und November intensiviert,
stellte mir aber nicht vor, daß ich bei der Hitze auf Hawaii unter drei Stunden
laufen könnte. Vier Wochen vor Hawaii bekam ich eine Schienbeinrandentzündung,
eine bei Läufern häufige Verletzung, mußte einer Woche aussetzen und fing dann
trotz Beschwerden wieder an zu trainieren. Drei Tage nach Trainingsbeginn war
ich zu den 25 Kilometer in Griesheim gemeldet. Ich wollte locker 20 Kilometer
laufen, aber kaum hatte ich die Startnummer um, lief ich voll, 1.41, für mich
keine gute Zeit, aber nach der Pause o.k. Trotz solcher alles andere als
regenerativer Praktiken ließen die Schmerzen langsam nach und in Hawai spürte
ich nichts mehr..
mit Spiridonis (Fritz Schmidt) und
in Appeldorn bei etwa 20 km
Wir flogen eine Woche vorher nach Hawaii, auf dem Flug zwei Tage Pause, ein
Abend in NewYork auf dem Empire State Building, dann zwei Tage lockeres Training
etwa 1 Stunde. Zwei Tage vor dem Wettkampf kauften wir zu dritt neue
Nike-Laufschule und liefen mit diesen begeistert volles Tempo mit
Zwischenspurts, bei denen ich mich aber etwas zurück hielt. Ich hatte am Morgen
in den alten Laufschuhen etwa 18 Kilometer und am Nachmittag im Vierertempo 17
Kilometer, also 35 Kilometer direkt vor dem Wettkampf gelaufen. Ein Unding als
Wettkampfvorbereitung, Ruhe wäre angesagt! Beim Start morgens um 6 in Honolulu
traf ich Ralf Salzmann, den deutschen Marathon- Meister, unterhielt mich mit ihm
kurz und schon fiel der Startschuß. Nach einer Meile war ich nur 50 Meter
hinter der Spitze und dachte, jetzt mußt du aber langsamer machen. Nach zehn
Kilometer kam ein Wolkenbruch herunter, die Straße war voller Pfützen, bald kam
die Sonne wieder heraus und die Straße dampfte. Ich dachte, bis jetzt liegst du
noch sehr gut in der Zeit, und rannte weiter. Lustig war, es wurde sozusagen bei
der Wende eine Schleife con 7km gelaufen, und mir kamen die Massen entgegen,
während in meinem Umfeld nur vereinzelte Läufer waren. Ich kam in knapp unter
1.49 ins Ziel, in die 130er bei über 6000 Startern. Wolfgang kam etwa anderthalb
Minuten nach mir an, voller Erstaunen. Ich war zum zweiten Mal vor ihm.
Bilder aus Hawai, Mitreisende, u.a. der Organisator Dietrich Westphal, meine Wenigkeit vor dem Zieleinlauf
Aber dann in Kandel im März 81 zeigte Wolfgang es mir. Bei der zweiten Wende bei
Kilometer 26 kam er mir grinsend etwa ein Kilometer vor mir entgegen, und ich
war ziemlich ausgepumpt. Am Schluß war er etwa 31/2 Minuten vor mir, er 2.40,
ich 2.44. Für mich ein großer Erfolg, obwohl ich die Woche vorher noch
Schilaufen war und dabei ziemlich harte Beine hatte. Etwa zwei Monate vor Kandel
hatte ich eine Achillessehnenentzündung. Wegen der Beschwerden reduzierte
ich mein Training von 140 km wöchentlich für eine Woche auf 90. Danach
steigerte ich es auf 160 Kilometer, und wenn ich Schmerzen bekam, nahm ich Antirheumatika,
sodaß das Laufen wieder ganz gut ging. Nicht gerade eine schonungsvolle Behandlung!
Trotzdem war die Entzündung bis zum Marathon weg und trat nie mehr auf. Die
Reizung kam wohl auch, weil wir oft viel zu schnell liefen. Dienstagabends
war ein Halbmarathon beim Siridonlauftreff als Trainingslauf angesagt, den
wir jedoch regelmäßig im Wettkampftempo liefen. Den anderen zu zeigen, was
man drauf hat, und regelmäßig die Rangordnung herzustellen, war für mich ein
ewiger Initiationsritus. Die Rennradfahrer sind da noch viel schlimmer, wie
ich ein paar Jahre später feststellte.
Im Frühjahr war der 1. Frankfurter Stadtmarathon. Ein Marathon in der
Heimatstadt war für mich ein Riesenerlebnis, vor allem da ich inzwischen in der
Läuferszene bekannt wie ein bunter Hund war. Überall hieß es Bernd, Doc, Psycho
oder Holstiege. Irgendwie lief ich wie auf Wolken, trotzdem nicht schneller. Ich
kam in 2.48 ins Ziel, nicht allzu doll. Wolfgang lief mir in 2.36 endgültig
davon. Ich habe ihn nie mehr geschlagen.
Im September 81 fuhren wir zu viert in meinem Wagen zum 1. Stadtmarathon nach
Berlin. Wir übernachteten in der WG-Wohnung meines Bruders. 2 Tage vorher bekam
ich plötzlich fieberhaften Durchfall, der am nächsten Tag weg war. Das hing wohl
damit zusammen, daß ich eine Freundin mitgenommen habe, und die Schwierigkeiten
mit ihr haben mich ganz krank gemacht. Bei meinem Ziel unter 2.45 lag ich bis
15km gut im Kurs, aber dann fühlte ich mich schwach und wurde viel überholt.
Trotzdem kam ich in 2.51 ins Ziel.
Drei Tage später schon gut erholt rannte ich mit Herwig Lissy, einem Kumpel aus
dem Grüneburgpark, schon wieder 25 Kilometer in hohem Tempo. Wiederum drei Tage
später starteten wir in Rodenbach hinter Hanau. Die ersten dreißig Kilometer war
ich im Zeitplan, aber dann mußte ich langsamer laufen, kein Wunder bei der
vorherigen Beanspruchung. Ich kam in 2.49 ins Ziel. Heute denke ich, welch ein
Wahnsinn. Ohne den schnellen Lauf dazwischen hätte ich glatt unter 2.45 laufen
können. Nun ja, ich laufe halt, wie es mir Spaß macht oder wie es gerade kommt,
und nicht unbedingt zielgerichtet - wie ich es auch sonst in meinem Leben mache.
Im Winter 82 steigerte ich mein Training auf wochenlang 180 km wöchentlich. Ich
wollte endlich unter 2.40 laufen. Dabei bekam ich Beschwerden im linken Knie und
lief mich so kaputt, daß ich mich zwei Wochen vor dem Marathon überwiegend
ausruhen mußte und nur sehr langsam laufen konnte. Ich startete Ende Februar in
Mosbach bzw. Neckarels. Der 1. Kilometer im angestrebten Wettkampftempo fiel mir
ziemlich schwer, da ich in den letzten Wochen nur langsames Laufen gewohnt war.
Dann lief ich mich ein. Etwa bei Kilometer 30 überholte ich Klaus Fuhrmann, der
lange weit vor mir war, er schloß wieder zu mir auf und am Schluß hängte ich ihn
ab. Er kam in 2.41.55, ich in 2.41.40 ins Ziel. Diese Zeiten waren für uns
beide Bestzeit, die wir nie mehr unterboten. Anschließend war ich wochenlang
kaputt, während Klaus kurz darauf ähnliche Zeiten lief. Die 30km am Winterstein
in Friedberg lief ich in 2.11. Als ich wieder erholt war, machte ich im Ötztal
Skitouren und meinte abends noch laufen zu müssen, sodaß sich wiederum ziemlich
kaputt war. Bei den anschließenden deutschen Marathonmeisterschaften in Nürnberg
lief ich daraufhin nur 2.51, beim Höchstmarathon Ende Mai 2.49.
Diese für mich mäßige Zeit führte ich auf die zu weichen, neuen Nike-Laufschuhe
zurück. Diese wurden später für mich die liebsten Wettkampfschuhe, in denen ich
alle 100km-Läufe, lange alle Marathons in den Triathlonlangdistanzen und sogar
meinen 1. Ultratriathlon, wieder zusammen genäht und geklebt, gemacht habe, aber
nachdem ich die Einlagesohlen heraus genommen hatte und auf dem Pappedeckel
lief. Außerdem hatte ich in die Außensohle einen Keil eingeklebt wegen meines
Knies, um mehr nach innen abzukippen, normalerweise Gift. Aber jeder muß halt
zurecht kommen, wie es für ihn am besten geht, und das halt ausprobieren. Später
bis heute legte ich einfach aus ausrangierten alten Laufschuhen
herausgeschnittene Keile unter die Unterlegsohle.
Im Herbst 82 beschreibe ich die 100km Winschoten und Hamm unter 100km-Läufen.
82/83 habe ich mich ab und zu Alfred Müller, dem Trainer der Langstreckler der
LG Frankfurt, der damals stärksten Marathonmannschaft Deutschlands,
angeschlossen. Die sonntäglichen 20km Runs durch den Vortaunus mit
anschließendem Kuchenfressen waren legendär. Ich lief natürlich hoffnungslos
hinterdrein. Seine montägliche Saunarunde trifft sich noch heute.
Im März 83 lief ich den Winterstein wieder in 2.05, Mitte April die deutschen
Marathonmeisterschaften in Dülmen 2.57, nach Halbmarathon in 1.21. eingegangen,
den Höchster Marathon in 2.48 und Biel in 8.12.
Weitere Läufe habe ich meistens beim Bericht über Triathlon eingeflochten.
100 Kilometer
1979 hatte ich schon 100 Kilometer im Kopf. Mehrere von Spiridon waren schon 100
Kilometer in Biel gelaufen u. a. Wolfgang und Eberhard Minzenmey, der bisher der
Beste war mit Zeiten um 9.20. Zu mehreren Interessierten und Erfahrenen machten
wir einen längeren Lauf durch den Spessart, aber nach zweieinhalb Stunden tat
mir wieder das Knie weh und ich mußte abbrechen. Daraufhin verzichtete ich 79
auf die 100km.
Im nächsten Jahr 1980 im Juni starteten wir zu 5-6 Leuten von Spiridon in Biel.
Pünktlich zum Start kam ein Wolkenbruch herunter, nach wenigen km mußten wir
unter einer Unterführung knietief durch Wasser waten und auf den Feldwegen war
es fußtief. Wir ließen uns nicht erschüttern und liefen singend " wenn der
Nippel durch die Lasche zieht...". Kurz nach 30 mußte ich wegen Kniebeschwerden
gehen und die anderen laufen lassen. Nach ein paar Kilometern konnte ich wieder
laufen und versuchte Zeit einzuholen. Das war jedoch zuviel, und es ging nicht
mehr, ich wanderte ca. 10 km und stieg frierend bei 60 in den Bus. Dann stand
ich mit dem Neun- Stundenläufern unter der Dusche und hörte mir ihre Erlebnisse
an. Ich mußte gestehen, daß ich leider aufgegeben hatte. Ach, beneidete ich sie!
Nach der Rückkehr erkundigte ich mich sofort nach dem nächsten 100 Kilometer
Lauf, der im August in Dillingen im Saargebiet stattfand. Der Start war abends
um 10. Ich traf einen Bekannten von der Nidda, mit dem ich 50 Kilometer
zusammenlief. Dann lief er plötzlichen wegen Achillessehnenbeschwerden nicht
mehr mit, und ich lief alleine weiter. Etwas später mußte ich wieder wegen
meinen altbekannten Kniebeschwerden gehen, mußte ohnmächtig zusehen, wie ich
von einem Läufer überholt wurde und war ziemlich down. Schon wieder diese
Scheiße! Ich hatte jedoch Glück und konnte bald gut erholt wieder laufen. Am
nächsten Stand lief ich an dem anderen Läufer vorbei, der sich massieren ließ.
In der Nacht kam ich an einer Kneipe vorbei, als gerade einige Jugendliche
heraus kamen, mich sahen und mitzulaufen versuchten, nach 100 Metern jedoch
erschöpft aufgaben. Ich erzählte ihnen, daß ich gerade auf einem 100km-
Kilometerlauf sei. Bei etwa 70 am Stand saß mein vorheriger Begleiter und rief
„Mensch Bernd, du liegst jetzt auf dem dritten Platz, der vorherige Dritte lag
mit Krämpfen im Graben, der Zweite wird vielleicht disqualifiziert, hinter dir
ein großes Loch, du mußt nur locker durchlaufen, du läufst den Lauf deines
Lebens! ". Der vorherige Dritte, ein gleichaltriger Franzose, lief mit mir
weiter. Er lief mir jedoch so schnell, saß ich ließ laufen ließ. Am nächsten
Berg ging er, und ich lief am ihm vorbei, bergab er wieder an mir vorbei. So ging das
noch zweimal und dann wir liefen zusammen. Sein Fahrradbegleiter tauchte auf und
gab auch mir zu trinken. Am Stand bei Kilometer 85 legte er sich plötzlich auf
dem Boden, streckte alle Viere wie ein Maikäfer von sich und ließ sich massieren. Ich lief
weiter. Dann begleitete mich ein Wagen mit fünf Franzosen, die mir laut
zujubelten. Plötzlich gestikulierten sie wild, etwas stimmte nicht. Ich zeigte
auf die Markierungen auf der Straße. Bald merkte ich jedoch, dass ich die Zeit
der Zieleinkunft, die ich mir von meinem Lauftempo her ausrechnen konnte, schon
deutlich überschritten hatte. Dann kam ich an eine Stelle, die mir vom Start her
bekannt vorkam. Wie von Hunden gehetzt rannte ich zurück. Ich kam in 8.52 ins
Ziel. Der Franzose war in 8.40 Dritter, dazwischen kam noch einer, und ich war
5. von 200 Läufern und Marschierern (Eurodax-Teilnehmern, eine gemeinsamen
Gruppenmarsch). Schade! - trotzdem viel besser als erwartet. Am nächsten Morgen
fuhr ich die zusätzliche Strecke ab, genau 2,7 Kilometer Umweg. In Frankfurt
erzählte ich stolz von meinem Erfolg. Es hieß jedoch vor allem von Eberhard
Minzenmay - zu kurz. In der Anfangszeit war die Strecke sicherlich viel zu kurz
gewesen. Aber jetzt glaubte ich das nicht. Auch war mir der Kurs bergiger als
Biel erschienen.
Also startete ich vier Wochen später noch einmal in Unna, einem großen Rundkurs
durch das westfälische Land, anfangs bergig, dann flach, abends um 8 Uhr. Etwa
bei Marathon mußte ich wieder gehen, Scheiße, Gott sei Dank nur ein paar 100
Meter, sodaß ich meine derzeitigen Mitläufer wieder einholen konnte. Danach
rollte es sehr gut. Bei Kilometer 80 schaute ich auf die Uhr, etwa fünf Minuten
unter 5er Schnitt. 5er Schnitt hätte 8.20 bedeutet. Ich lief mit jemand
zusammen, der meinte, die Strecke genau zu kennen. Plötzlich kamen uns ein
Läufer mit Radbegleitung entgegen, und sie meinten, wir wären falsch. Wir
studierten die Karte, etwa 2 km zurück, also 4 km Umweg. Ein dritter Läufer kam
noch hinzu. Wir kehrten um. Bald ging ein asphaltierte Weg links ab, und ich
hoffte abzukürzen. Dann führte der Weg nach links, danach rechts und endete an
einem Bauernhof. Scheiße! Ich lief über Stoppelfelder, holte mir dabei wunde
Knöchel, daich baarfuß im Schuh lief, sprang über Gräben, stieg über die Autobahn, ungefähr in der Richtung
der angenommenen Strecke, und lief auf ein Licht zu. Oh Freude, ich war an einem
Verpflegungsstand, aß und trank, aber da lief schon der vorher entgegen kommende
Läufer an mir vorbei. Ich hatte kaum etwas gewonnen. Mit meiner Abkürzung war
wohl nicht viel. Sauer lief ich weiter, schon wieder verlaufen! Dann dachte ich,
aber ich war doch noch sehr gut, und lief hoffnungsvoll weiter. Nach 90 standen
wir zu zweit plötzlich vor einem Wall, es ging nicht weiter. Schon wieder
Scheiße. Wir kehrten kurz um. Da kam einer an und meinte, es gehe links ab. Die
Lampe unter dem Wegweiser war erloschen, sodaß wir ihn übersehen hatten. Zu
dritt strebten wir nach dem Ziel und im Spurt wurde ich 2, insgesamt 13. in
8.35, also noch sehr gut. Aber ich hätte um die 8.20 laufen können. Später
hörten wir, der Wegweiser war bei km 82 ab dem 13. von einem bösen Buben
verstellt worden. Mit einer in meinen Augen Fabelzeit kam ich stolz zurück.
Bisher war der Beste von Spiridon, Eberhard M., 9.20 in Biel gelaufen.
81 lief ich wieder in Biel, lernte den legendären Ho-chi-min-Pfad zwischen 60
und 70 kennen, und kam in 8.18 als in die 30er unter 4000 Startern ins Ziel.
Jetzt gratulierte mir Eberhard zu meiner großartigen Zeit. Er war wie üblich
9.20 gelaufen.
Im August startete ich wieder in Dillingen. Ich war der Meinung, in Biel zu
langsam gestartet zu sein und lief mit einem Bekannten, Rolf, an die 10 Jahre
älter als ich, deutlich schneller. Bei 30 war ich bei der großen Hitze, er schon
eher, ziemlich fertig. Ich hatte völlig überzockt. Bei 50 kam ich erschöpft am
Stand an. Man fragte mich, ob ich wüßte, auf welchem Platz ich sei, ich meinte,
vielleicht 6. bis 10. Es hieß, ich sei jetzt 2., der bisherige 2. säße da und
gebe auf. Es gab nichts zu essen und zu trinken, und er gab mir ein Päckchen
Süßigkeiten. Bald kam ich an einer Kneipe vorbei, lief völlig dehydriert in den
Keller zum WC, hielt den Mund an den Wasserkran und soff und soff, was nur rein
ging. Als ich hochkam, rannte die Wirtin mit einem Halben Bier hinter mir her,
das ich auch noch runterschüttete. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten.
Angetrunken torkelte ich am Straßenrand entlang. An den Ständen, die nicht
beliefert waren, saß ich immer ein paar min und jammerte denen was vor. Sie
tranken Bier und mir blieb nichts anderes übrig als mitzutrinken. Ich brauchte
dringend Flüssigkeit und Kohlehydrate. Ich sehnte mich nach dem nächsten Läufer,
der nicht kam. So ging das Torkeln weiter. Bei 90 saß ich wieder recht lange,
bis einer kam mit seiner Ehefrau als Autobegleitung. Ich schloß mich ihm an und
meinte, ob er unsere Plätze wüßte, welchen Platz wir einnehmen. Er verneinte.
Ich sagte, wir sind auf dem 2. und 3. Platz. Er antwortete, er überlasse mir den
2. Platz und legte einen Schritt zu. Ich konnte inzwischen erholt folgen. 2 mal
ging er kurz und ich mit ihm. Die letzten km versuchte ich ihn abzuhängen, aber
er klebte wie ein Schatten an mir. Ich sah zu, daß ich im Ziel einen Schritt
vor ihm ankam, 8.52 genau wie im Vorjahr, nur ohne Umweg. Und die Tussie am Ziel
wollte ihn auch noch auf den 2. Platz setzen. Da habe ich aber protestiert. So
war ich 1 Stunde hinter dem 1., dem Vorjahressieger in derselben Zeit, und einen
Schritt vor dem 3. Rolf, der 5. wurde, meinte, dieser wäre wohl eine zeitlang im
Auto gefahren. Er war auch um einiges älter als ich und sah nicht allzu
sportlich nach einem dünnen Läuferhemd aus.
Im Oktober, 2 Wochen nach den oben erwähnten 2 Marathons kurz hintereinander
startete ich in Hamm, 10 10km-Runden. Ich war noch nicht ganz erholt. Eberhard
und ich liefen zusammen. Er war gewohnt von Biel, alle 10km eine Pause von 5min
einzulegen. Dann spielte sich unser Zusammenspiel so ab, daß ich alle 10km am
offiziellen Verpflegungsstand aß und trank, er an seinem Auto 100m weiter
pausieren wollte. Ich drängte, er verzögerte, aber er kam nicht zu seinen
Pausen. Ab 60 war ich es leid, weil ich mir ausrechnete, daß ich noch unter 8
Stunden schaffen könnte, und bin alleine weiter. Das habe ich zwar nicht ganz
geschafft, 8.02, Eberhard 8.19, mir zum Dank seine Bestzeit um 1 Stunde
verbessert.
82 startete ich wieder in Biel. Ich lief mit Herwig Lissy zusammen, der mich
unentwegt bequatschte. Als er einmal mußte, lief ich befreit weiter und
bequatschte jemand anderes. Aber oh Unglück, bald tauchte er wieder auf. Ich
stieg bei 30 plötzlich aus, fuhr mit einem Privatpkw zurück. Nachher überlegte
ich mir - warum eigentlich? Mir ging es doch eigentlich ganz gut. Dann ging mir
auf, wahrscheinlich wegen des Gequatsches von Herwig, und ich habe ihm nicht
sagen können, daß es mir auf den Keks ginge. Im Ziel verfolgte ich die
Zwischenstände, da tauchte unter den ersten 10 ein Unbekannter auf, der
hinterher verschwand. Später stellte sich heraus, daß es ein alter Bekannter
war, Hans Timmermann, der seine Startnummer verloren hatte. Später gab er auf,
zu schnell gestartet.
Mit Hans und seiner Freundin Gabi, einer sehr guten Läuferin, fuhr
ich im September nach Winschoten. 1 Woche vorher hatte Wolfgang K. zum
allgemeinen Erstaunen in Unna mit 7.19 gewonnen. Ich stellte mir vor nach Hamm
im Vorjahr, daß ich um die 7.45 laufen könnte, wenn alles gut lief. Bei der
Anmeldung stand ein Holländer mit Namen Johann, der schon fast heulte, weil er
niemanden zur Betreuung finden konnte. Zu seinem Glück bot ich mich an. Er
begleitete mich auf dem Fahrrad, fuhr an den Ständen vorweg, um die Radflasche
zu füllen. Ich lief alle 10 km exakt 44 min. Das ergäbe im Ziel 7.20. Bei 60
frohlockte ich, jetzt nur noch ein kleines Marathönchen! Ab 70 lief es schwerer
und ab 90 war ich völlig fertig, mußte teils gehen. Im Ziel mit 7.42 als 10.
reichte man mir 2 Flaschen Sprudel, die ich nur so herunter kippte. 2 Tage
später fiel es mir wie Schuppen von den Augen, daß ich völlig dehydriert war.
Ich hatte mit dem Fläschchen sozusagen nur den Mund und die Lippen benetzt, aber
nicht, wie ich es sonst tat, Flüssigkeit becherweise herunter gekippt. Durch die
Fahrradbegleitung hatte ich meinen Kopf abgegeben. Aber 7.42 war ja auch recht
gut. Nur hätte es um die 7.25 werden können. Mein Mitfahrer Hans hatte leider
wieder aufgegeben.
Im Oktober startete ich wieder in Hamm. Von diesem Lauf gibt ist interessantes
zu berichten. Ich fuhr mit Klaus Fuhrman hinauf, ein schnellerer Läufer als ich
und früherer Radrennfahrer aus unserer Grüneburgparkgruppe, der eine Woche
vorher noch als Vorbereitung einen Marathon auf der Bahn unter drei Stunden und
zwei Tage später noch schnelle 400er gemacht hatte. Dabei bekam er
Kniebeschwerden. Wie übernachteten in Hamm bei einem alten Studienfreund von
mir. Er hatte einen Partykeller, in dem wir soffen. Ich legte mich jedoch in
Angesicht des Laufes um eins ins Bett, während Klaus bis drei weiter feierte. Um
sechs standen wir auf und um acht war der Start. Die ersten 30 Kilometer liefen
wir mit einem Dritten, eine wesentlich stärkeren Marathonläufer, zusammen. Dann
ließ ich die beiden laufen. Nach 50 mußte Klaus jedoch wegen Kniebeschwerden
aufgeben. Als ich bei 90 völlig erschöpft in die letzte Runde einbog, gesellte
sich Klaus gut erholt zu mir. Er forderte mich auf, sich bei ihm einzuhängen.
Zuerst zierte ich mich, da ich es für unfair hielt, dann ließ ich mich
überreden, und er dampfte mit mir im Schlepptau wie ein Schlachtroß voran. Zweimal ließ ich los und
verfiel in ein Schneckentempo. Etwa bei 95 lief ein Läufer an uns vorbei und
beschwerte sich, das sei unfair. Ich fragte ihn, ob er auch in der letzten Runde
sei. Er bejahte und er sei auch noch derselben Altersklasse. Der wußte aber
genau Bescheid. Im Ziel war er anderthalb Minuten vor mir, er in unserer AK 3. und ich in 7.48
vierter. Klaus hatte seinen seinen ersten und einzigen 100 km Lauf -Versuch
wegen seiner unsinnigen Vorbereitung verbaselt. Obwohl er deutlich schneller
laufen kann als ich, war er auf Marathon auch nicht schneller, da er immer viel
zu schnell anging.
83 in Biel lief ich 8.12. Damit war ich in die sechzigster. Ansonsten fällt mir
zu dem Lauf nicht viel ein.
Anfang September 83 startete ich wieder in Unna. Diesmal begleiteten mich meine
Frau Christa und Tochter Denise auf dem Fahrrad. Etwa bei km 15 trafen sie zu
mir. Etwa bis 30 lief ich mit Herbert Volkhard, einen Lauffreund und besseren
Läufer als ich aus Bad Vilbel, der mich dann jedoch abhängte. Mit hervorragenden
Zwischenzeiten lag ich auf dem fünften Platz. Etwa ab 70 lief es zunehmend
schwerer und beim Schild 90 hatte ich das Gefühl, als ob ich einen Schlag auf
den Kopf gekriegt hätte, war völlig schwach und mußte gehen oder langsam laufen.
Etwa bei 92 liefen zwei, bei 95 drei Läufer an mir vorbei, von denen sich noch
einer verlief, sodaß ich mit 9.56 neunter wurde. Erst ein paar Tage später fiel
mir ein, daß sich offenbar neben den vollen Packtaschen verhungert war. Wie in
Winschoten hatte ich durch die Begleitung meinen Kopf abgegeben, nicht auf mich
selbst geachtet. Wir alle hatten vergessen, mich ausreichend zu ernähren.
Herbert wurde in 7.25 vierter. Schade, ich hätte 5. in etwa 71/2 Stunden werden
können.
Im Oktober startete ich wieder in Hamm, gab aber nach 55 Kilometer auf,
Zwischenzeit bei 50 3.39, da ich den New York-Marathon eine Woche später
vorhatte. Aber in New York war ich von Hamm noch nicht erholt und lief nur 3.03.
Mein nächstes Ziel unter 7.30 mußte ich ins nächste Jahr vertagen.
Das sollte Rodenbach 1984 sein. Eine Woche vorher war ich mit Herwig und einem
andern Freund, dem Radhändler Pietro, 100 km mit dem Rennrad gefahren und die
beiden hingen mich in Zwischenspurts ab. Trotzdem klappte es. Ich lief 7.28. Bei
diesen ersten inoffiziellen deutschen 100 km Meisterschaften war ich 11., bei 10
km noch 35. und bei 50 noch 30.
Im Oktober 84 lief ich wieder in Hamm. Die letzten 20 Kilometer begleitete mich
laufend meine Frau Christa, und ich erreichte 7.48. - Sie war einen Monat zuvor in
Duisburg ihren zweiten Marathon in 3.35 gelaufen, während ich dort 2.51 erreicht
hatte. Ihren ersten Marathon hatte sie im März in Kandel nach nur sechs Wochen
Training in 4.01 geschafft, eine für mich fast nicht vorstellbare Leistung,
offenbar ein großes Lauftalent. Vor dem Lauf erzählte ich mehreren Bekannten,
daß Christa nach 6 Wochen Training Marathon laufe wolle. Sie schüttelten nur
mitleidig den Kopf. Nach Duisburg hatte sie erst richtig angefangen zu
trainieren, einige meinten, " die ist ja bald besser als du ", aber leider nicht
umgesetzt. Ich hätte ihr im Frühjahr 85 etwa 3.10 bis 20 zugetraut. Sie ist
danach noch zwei Marathons um die vier Stunden gelaufen. Als Frau mit einem
anderen Rollenverständnis hat sie halt anderes im Kopf als ich, mehr Haushalt,
Kinder, Garten und Hund, (in Richtung die 3 K’s ohne die Kirche), ihre Berg- und
Skitouren und dabei eine unheimliche Kondition.
Anfang November 85 fuhr ich mit Harri Arndt, dem Gründer der DUV (Deutsche
Ultramarathonvereinigung) nach Genf. Er nahm nicht teil, weil er wegen Krankheit
nicht trainieren konnte, war aber eingeladen worden, da er im Vorjahr als
zweiter 6.49 geschafft hatte, noch heute die deutsche Bestzeit in der AK 45 und
das mit 49 Jahren. Ich übernachtete wie viele Läufer in einem
unterirdischen Bunker, in dem die Luft so stickig war, so daß ich gleich
Schlaftabletten nahm, um halbwegs schlafen zu können. Unter mir schlief ein bekannter und lustiger
Rollstuhlfahrer, den ich von vielen 100 km- Läufen und Marathons kannte. Später
hörte ich von ihm, er sei wieder aufgestanden, habe laufen können, 10 km in
einer Stunde, nachdem seine Frau gestorben war. Am
Vorabend feierte ich mit den Läufern von der Stolpertruppe aus Berlin mit Bier
und Zigaretten, und wir verwetteten unsere Plätze. Nach 10 km in 43 taten mir
die Oberschenkel weh, und ich mußte langsamer laufen, etwa 46 Minuten pro 10
km. Am Wendepunkt bei 50 kam ich erschöpft und mißmutig in 3.45 an und hätte am
liebsten aufgegeben. Ich konnte Harri jedoch nirgends sehen. Also lief ich
verhalten weiter, traf bald auf den Bekanntesten der Stolpertruppe, Heinz
Schmidt, - ich kannte ihn vom Sehen beim Marathons in Gießen 78 und 79,
wo er das Feld weit voraus angeführt und dann gewonnen hatte . Außerdem
hatte ich ihn in Winschoten überholt. - klagte ihm
mein Leid und er mir seines. Bald merkte ich jedoch, daß es wieder ganz gut
ging und hämmerte den Weg zurück durch. Alle fünf km aß ich ein Stück Kuchen und
trank mehrere Becher. Ein Kilometer vor dem Ziel wurde ich überholt und sauste
wiederum 100 Meter vor dem Ziel in einem subjektiven Höllentempo an ihn vorbei. Ich
war 22. in 7.35. Die ersten 20 bekamen Geld und wurden am Abend zu einem
Festessen eingeladen. Ich konnte teilnehmen, da mir jemand seine Karte gab.
Im April 86 startete ich wieder in Rodenbach. Vier bis zwei Wochen vorher war
ich zum Radtraining auf Mallorca gewesen und über 1600 km gefahren, nebenher pro
Woche 50 Kilometer gelaufen. Morgens vor dem Frühstück machten wir etwa
einstündige Läufe, wobei ich vom Radfahren so harte Beine hatte, daß ich eine
3/4 Stunden nur sehr langsam laufen konnte. Dann waren pünktlich meine Beine
frei. Nach Mallorca lief ich zur Erholung die ganze Woche nur langsam, am
Samstag jedoch leider ein paar Kilometer sehr schnell, wovon ich einen
Muskelschmerz davontrug. Dieser trat in Rodenbach nach 10 km wieder auf, so daß
ich nur verhalten weiterlaufen konnte, etwa 45 Minuten pro Runde. Bis etwa
Marathon begleitete mich ein Lauffreund von Spiridon, Roman Smarzly, der eine
Bestzeit von 9.20 hatte. Er erzählte mir die ganze Zeit, wie locker und leicht
es liefe, und ich jammerte ihm von meinen Beschwerden vor. Plötzlich war er weg,
und bald sah ich ihn mehrere Kilometer hinter mir. Etwa bei 65 gesellte sich
Horst Jary, auch ein Lauffreund von Spiridon, den ich länger den langsamer
laufenden Ernst Müller begleiten sah. Horst schwenkte jedoch bald hat, ich lief
ihm zu schnell, ich hatte wohl ein Zahn zugelegt, da ich mich jetzt sauwohl
fühlte. Die letzten 10 km mußte ich erschöpft langsamer machen und kam in 7.32
ins Ziel. Trotz der Beschwerden eine beachtliche und meine drittbeste Zeit.
Nach dem Lauf war ich drei bis vier Wochen ziemlich fertig und konnte nur wenig
und langsam laufen. Dann trainierte ich vier Wochen gut 80 Kilometer wöchentlich
im fünfer Tempo. Kurz entschlossen fuhr ich mit dem jungen neunzehnjährigen
Christopher Lommel nach Torhout in Belgien. Bei der Anmeldung sah ich, daß etwa
30 Läufer schon unter sieben Stunden geschafft hatten, also der bisher stärkstbesetzte
100 km Lauf. Torhout war eine große Schleife, ein Stück vor großen alten
Hotelbauten an der Küste entlang. Es lief viel lockerer als in Rodenbach. In der
zweiten Hälfte überholte ich mehrere Deutsche, die in Rodenbach noch weit vor
mir gewesen sind, u. a. Harry Arndt, und kam in 7.25 als 25. und 3. Deutscher,
kurz hinter den anderen beiden, ins Ziel. Das ist meine Bestzeit und war mein
bester Lauf, obwohl die Zeit nicht offiziell anerkannt ist, da die Strecke nicht
genau vermessen war. Wahrscheinlich war der Lauf so gut, weil ich in den letzten
Wochen nicht allzu viel und nur verhalten trainiert hatte. Ich habe es halt oft
im Training übertrieben, verführt von den Mitläufern wie Herwig Lissy und Klaus
Fuhrmann, die auf Teufel komm raus bolzten.
Bald danach hatte ich einen Radunfall und ein 3/4 Jahr lang ziemlich Beschwerden
in der rechten Wade. Mein nächster Hunderter war deshalb Rodenbach im November
87, die ersten offiziellen deutschen 100 km Meisterschaften. Eine Wochen vorher
hatte ich beim Frankfurter Marathon eine Gruppe auf 3.45 geführt. Zwischendurch
waren wir zu langsam gelaufen, sodaß ich die Letzten 10 km volles Tempo lief,
um exakt 3.45 zu erreichen. Das rächte sich. In Rodenbach war ich ziemlich lahm,
kam aber noch als 40. in 7.40 ins Ziel. Im Ziel saß ein Berliner, der kurz vor
mir angekommen war, und rauchte eine Zigarette. Ich bat um eine, was ihn sehr
freute, bei den meist asketischen Läufern. Später rauchten wir zusammen eine
Zigarre.
In den nächsten Jahren gab ich in Rodenbach nur noch auf und verzichtete dann
auf das 100 km Laufen. Irgendwie wollten meine Beine nicht mehr so. Ich war zwar
schon langsamer angegangen, trotzdem taten die Oberschenkel weh und ich hatte
keine Lust mehr. Nur noch in Biel 89 kam ich in 9.35 ins Ziel. Schon ab 8 km
schmerzten mir die Beine, und ich lief halt weiter, so gut es ging, bis ins Ziel.
Heute würde ich mir nach dieser Zeit die Finger lecken. So ist das halt mit dem
Alter. Aber ich hatte inzwischen andere Ziele, wo ich meine Erfolge feierte, die
für mich leichter zu bewerkstelligen waren. Dazu noch eine kleine Anekdote: Ende
87 war ich auf einem Kongreß in Bad Orb " Sportpsychologie und Medien im
Gespräch ", an dem ich zwei Extrembergsteiger vom Alpenverein kennen lernte. Sie
schilderten mir, die Achttausender sind alle ohne Sauerstoff bestiegen und out.
Jetzt seien die hohen Wänden in, 2000 Meter an 6 bis 7 Tausendern. Im nächsten
Jahr hätten sie eine Expedition vor. Ich stellte mir die Gefahren und
Anstrengungen vor, Gepäck, Steinschlag, Lawinen, Übernachtungen im Fels.
Ich sprach von meinen 100 km- Läufen. Sie bekamen große Augen „100 km Laufen -
unvorstellbar!“ Jedem das Seine.
Hier möchte ich über die Lauferei enden. Natürlich habe ich nicht
aufgehört zu laufen, auch noch weiterhin an Laufwettkämpfen teilgenommen,
allerdings weniger zum Erlangen von Bestzeiten, das war vorbei, sondern mehr
zu Testzwecken, was ich gerade so drauf habe. Laufen gehört ja auch zum
Triathlon. Meine Ziele habe ich mehr auf den Triathlon verlegt, da ich dort
das Laufen mehr nach meiner jeweiligen Befindlichkeit nach dem Schwimmen und
Radfahren gestalten kann. Die weiteren Berichte über die Lauferei sind ab
jetzt unter der Rubrik Triathlon zu finden. Trotz Triathlontrainings, also
noch dazu Radfahren - Schwimmen fällt für mich unter den Tisch -
konnte ich meine 100-km-Zeiten von 84 bis 86 bei weniger Lauf-, dafür mehr
Radkilometern verbessern.