Dr. Bernd Holstiege

 

Ergebnisse des Triathlon-Pilot-Projektes

 

Fitnes für Untrainierte ab 40“

 

 

1997 kam mein Freund Bernd Paschel auf die gute Idee - er selbst fuhr Radrennen, war an Triathlon interessiert und veranstaltete einen Triathlonkurs für seine Studenten -, an die Triathlonabteilung des PSV Blaugelb heranzutreten, um eine Kooperation zu vereinbaren. Ansprechpartner war damals Bernd Wilczek. Ich selbst war natürlich schnell interessiert. Es wurde ein Kooperationsvertrag mit Pressepräsentation geschlossen. Angeregt durch einen Bericht in der Ärztezeitung über ein ähnliches Projekt in Weinheim, wissenschaftlich begleitet von der Uni Heidelberg, war ich auf die Idee gekommen, ähnliches für die 3 Ausdauersportarten durch zu führen. Die Beteiligten zogen mit, und es wurden im März 98 Probanden gesucht.

 

Unterhalb ein Bericht in einer Frankfurter Tageszeitung über den Kooperationsvertrag.

 

 

 

           

            Auf die Ankündigung des Triathlonpilotprojektes in den 3 Frankfurter Tageszeitungen und, daß hierfür 15 Teilnehmer gesucht würden, haben sich etwa 60 Interessierte gemeldet. Der Kurs erfolgte in Zusammenarbeit der Abteilung Sportmedizin des Instituts für Sportwissenschaften der Universität Frankfurt unter Leitung von Prof. Banzer und der Triathlonabteilung des PSV Blaugelb Frankfurt und dauerte von Mitte April bis Mitte Juli 98.

 

Anbei 2 Ankündigungen in den Frankfurter Tagezeitungen im März 98.

 

           

 

            Ein kombiniertes Training der 3 verbreitetsten Ausdauersportarten, bekannt als Triathlon, wurde nicht nur ausgewählt, weil die Initiatoren selber begeisterte Triathleten sind, sondern weil sie von der Annahme ausgingen, daß die Auswirkungen von Ausdauersportarten auf Körper und Geist in der Kombiform günstiger sind und mögliche negative Auswirkungen wie bei einer einzigen Ausdauersportart, vor allem beim Laufen, minimiert werden. Zum angenommenen Nachteil, dem Faktor Zeitaufwand, meinen wir, in einer von Berufs-, Familien- und Freizeitstreß geplagten Zeit sollte sich einfach die Zeit für die persönliche Fitnes und das persönliche Wohlbefinden genommen werden. Zum Wert von Sport und Ausdauersport möchten wir 2 Aussagen von renommierten Sportwissenschaftlern und -Betreuern zitieren, einmal Prof. Hollmann „gäbe es ein Medikament, welches die Wirkungen des körperlichen Trainings hätte, jedermann würde wohl diese Wunderpille regelmäßig einnehmen“, und Karl Adam, Rudertrainer, „Sport ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Glücksbilanz des Lebens“.

            Da mit einer Ausfallquote gerechnet wurde, wurden 18 Teilnehmer, zufällig 2/3 Männer und 1/3 Frauen, in der Reihenfolge der Anmeldung in den Kurs aufgenommen und gründlich sportmedizinisch untersucht. Diese Untersuchung allein sei schon das Geld wert, sagten einige. Da einige Teilnehmer früher schon Sport, zum Teil Marathonlaufen, betrieben hatten oder in geringem Umfang noch aktiv waren,  wurden schon zum Auftakt auf dem Fahrradergometer deutliche Leistungsunterschiede gemessen. Zum Zeitpunkt des Trainingsbeginns sahen sie sich jedoch untrainiert, übergewichtig, die Männer meist zwischen 90 und über 100 kg, der Schwerste 132 kg. Einige hatten noch nie Sport betrieben, standen dem Sport, vor allem dem Laufen, bisher ablehnend gegenüber und hätten sich nie vorstellen können, etwa 1/2 Stunde am Stück laufen zu können. Auch bestanden bei einigen Ängste gegenüber der Gefährlichkeit von Sport, sodaß sie von sich aus nie angefangen hätten und dankbar waren für die sportmedizinische Untersuchung und ärztliche Trainingsbegleitung. Ihnen war nicht bekannt, daß beim Einsatz von Ausdauersport bei der Prävention und Rehabilitation etwa von Herzkranken das Risiko von schweren Zwischenfällen äußerst gering ist. Auch bei weiteren Interessenten auf der Warteliste wurde nach ihren Aussagen wert auf eine sportärztliche Begleitung gelegt. Die Teilnehmer kamen naturgemäß aus verschiedenen sozialen Bereichen, 5 von der Kripo Frankfurt, einige Akademiker und Freiberufler. Später wurde noch ein weiterer Kurs mit  zusätzlichen immunologischen Untersuchungen durchgeführt.

            Bei der sportmedizinischen Untersuchung, durchgeführt von Dr. Hoffmann und Prof. Banzer, fand eine körperliche Untersuchung statt, wurden Blutparameter, Atemleistungen, anthropometrische Maße, Belastungsleistungstests in Watt auf dem Fahrradergomter mit Puls-, Blutdruckkontrolle und EKG und die Erholungswerte erfaßt. Auf dem Sportplatz wurden 1000m bei altersabhängig vorgegebenen Pulswerten nach einer Tabelle von Straußenberg mit je 60, 70 und 80% der angenommenen Höchstpulsfrequenz gelaufen. Die sehr unterschiedlichen Ausgangspulse zeigten sich insofern, daß einige bei 60% gehen mußten, eine Teilnehmerin bei 60% sich schon sehr anstrengen mußte und 80% nicht mehr schaffte. Der Kurs wurde von 4 Sportstudenten abwechselnd betreut, die damit ein für das Studium notwendiges Projekt (Zeljko Grabovac, Silke Brand, Rainer Lilienthal) durchführten -  Knut Steitz beabsichtigte, seine Examensarbeit mit den Pulsmessungen zu schreiben -  und meist von dem Arzt und Triathlet Dr. Bernd Holstiege von seiten des PSV begleitet.  An der Organisation war von seiten der Sportuni der Sportlehrer Bernd Paschel beteiligt.

Der Kurs wurde wie angekündigt 3 mal wöchentlich mit einem Koppeltraining von je 2 Sportarten, ½ Stunde Schwimmen im kleinen Schwimmbad der Sportuni, 1/2 Stunde Laufen und 1 Stunde Radfahren im schönen Gelände des Niddatals, an der Nidda und am Niederurseler Hang, durchgeführt. Zusätzlich fanden Stretching und Koordinationsübungen statt. Die Teilnehmer brachten ihre eigenen Fahrräder mit, Mountainbikes, Mehrgangräder, auch Rennräder. Zur Förderung der Geselligkeit, da Sport auch als Kommunikationsmedium angesehen wird, traf man sich 1 mal wöchentlich nach dem Training zum  Stammtisch.

            Die meisten waren während des Kurses begeistert bei der Sache. Anfangs wurde nur kurz mit Gehpausen gelaufen, da dort der Einstieg am schwierigsten und Überlastungsreaktionen und Verletzungsanfälligkeit am größten sind. Nach 1 bis 2 Monaten konnten alle ½ Stunde in langsamen Tempo laufen, auch die, die das am wenigsten von sich geglaubt hätten. Aussagen waren zu hören wie „sensationelle Fortschritte“, „er klopfe sich selbst anerkennend auf die Schulter“. Da das Wetter nicht immer das Beste war, wurden alle ein paar mal klatschnaß. Nun ja, das gehört dazu.

            Hinsichtlich der angenommenen Ausfallquote hörten 2 Teilnehmerinnen zur Halbzeit auf, eine, weil sie krank wurde, eine andere hörte demotiviert auf, da sie als Leistungsschwächste vor allem auf dem Fahrrad in Steigungen zurück blieb - sie konnte in der wichtigen Anfangsphase 2 Wochen wegen Krankheit nicht teilnehmen - und sich trotz Zuredens mit diesem Umstand nicht abfinden konnte. 2 bis 3 Teilnehmer erschienen sporadisch, da sie doch zu weit anreisen mußten oder andere Verpflichtungen zuviel Zeit beanspruchten, nahmen aber bis zum Schluß teil. Die übrigen absolvierten kontinuierlich bis auf kleine Unterbrechungen durch kurze nicht trainingsbedingte Krankheiten und Urlaube den Kurs bis zum Schluß. Aufgrund der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit wurde bald in 2 Gruppen radgefahren und gelaufen. Vor allem die leistungsstärkeren Männer wollten zwischendurch „mal richtig die Sau raus lassen“, sodaß sich sogar die meist jungen Betreuer anstrengen mußten, um mitzukommen, oder knüppelten beim Laufen den letzten Kilometer in vollem Tempo. Das Tempoknüppeln führt offenbar zu einem Rauscherlebnis und zusätzlichem Selbstbewußtsein und Wohlbefinden. Nachdem jeder wußte, wo er stand, und vor allem nach Zwischenberichten in den Tageszeitungen „fast nicht mehr zu bremsen“, etwa nach der Halbzeit, blieb die Gruppe in moderatem Tempo mehr zusammen. Den ersten Triathlon konnten einige kaum erwarten. Auf Anregung einer Teilnehmerin nahmen 3 Teilnehmerinnen am Frauentriathlon in Frankfurt, nach dem Kurs einige Teilnehmer zum Teil gemeinsam mit Betreuern an Volkstriathlons in der näheren und weiteren Umgebung teil.

            Zum Abschluß fand ein kleiner Triathlon mit 300m Schwimmen, 15km Radfahren und 3km Laufen für die Teilnehmer im und um’s Stadionbad statt, den alle, zum Teil in lustiger Maskerade, für sich zufriedenstellend schafften. Anschließend gingen die Kofferräume auf, Sekt und Kuchen wurden hervorgeholt und das Ganze gebührend gefeiert, ein paar Tage später noch mit einem Grillfest.

            In der sportmedizinischen Abschlußuntersuchung waren die Leistungsfortschritte auf dem Fahrradergometer in Wattzahlen deutlich. Innerhalb von gut 2 Monaten liefen die meisten die 1000m bei wiederum vorgegebener Pulsfrequenz im Schnitt etwa 1min schneller. Auch die Vortrainierten legten an Leistung zu, obwohl die Leistung nicht das vordringliche Ziel war, sondern mehr die Freude an der Bewegung, ausdauersportlichen Betätigung und Gemeinsamkeit. Einige hatten ein paar kg an Gewicht abgenommen, der 132-Kilomann 8 kg, - dessen allzu starke Gewichtsabnahme war insgeheim nicht so sehr erwünscht, da man stolz auf ihn ist, eine Art Vorzeigeobjekt, daß ein Mann mit einem derartigen Gewicht einen Triathlon absolvieren kann - vor allem, da sie zusätzlich ernährungsbewußter lebten. Jedoch haben nicht alle abgenommen.

            Gegen Ende des Kurses wurde noch ein vertraulicher psychologischer Fragebogen verteilt, der Fragen nach der Motivation zum Kurs beinhaltete, Fragen zum subjektiven Weltbild und zur Lebenseinstellung -es hieß etwa wie „Fangfragen“- zu den Ergebnissen des Projektes, zur Befindlichkeit und weiteren Motivation. Die meisten wollen weiterhin Sport betreiben, überwiegend in der angebotenen Triathlonform. Alle äußerten sich positiv über den Kurs, mit Abstrichen über die Organisation, die nicht immer perfekt ablief, z.B., daß mal kein Betreuer anwesend war. Aber das wurde als Ausnahme auch mal als nicht schlecht empfunden. Einige äußerten, daß sie froh seien, sich auf diesem Weg gefunden zu haben. Einer meinte, der Bauch sei fast weg, und er sei in der Achtung seiner Töchter meilenweit gestiegen. Die überwiegend Mehrheit äußerte, daß ihre Befindlichkeit sich gebessert habe, sie den Alltag streßfreier und gelassener angehen, und manche Befindlichkeitsstörungen wie depressive Stimmungen und Ängste gemildert oder verschwunden seien.

            Größere Leistungsambitionen waren und sollten nicht geweckt werden. Alle hatten sich Pulsmeßgeräte zugelegt, einige bessere Fahrräder, 2 Teilnehmer hochwertige Rennräder. Die Hälfte bis 2/3 der Gruppe trifft sich weiterhin dienstags und donnerstags an der Sportuni, bis Ende September mit Radfahren und Laufen, seit Oktober nur Laufen. Ein Schwimmtermin im Sportunibad ist dienstags eingerichtet worden. Insgesamt wird das Projekt von den meisten, Teilnehmern und Betreuern, als voller Erfolg angesehen. Die einzig Traurige ist vielleicht die Triathlonabteilung des Blaugelb, weil die Gruppe sich bisher nicht zum Beitritt entschließen konnte. Die bisherigen spätabendlichen, wenn auch reichlichen, Schwimmtermine des PSV Blaugelb und im Weltbild mancher „die Vereinsmeierei“ passen nicht so gut in ihr vorläufiges Konzept. Das Übrige könnte man auch so organisieren.

            Von seiten der Organisatoren ist trotz der guten Erfahrungen der weitere Fortgang bisher nicht abgeklärt. Überlegungen stehen im Raum, weiterhin Kurse anzubieten und durchzuführen - sicherlich warten einige auf der Warteliste - evtl. mit chronisch Kranken etwa Herzkranken, Diabetikern oder Rheumakranken, denen ein moderates kombiniertes Ausdauertraining, solange sie sich schwimmend, radfahrend, wandernd oder laufend fortbewegen können, sicherlich sehr gut tun würde. Um weiter disponieren und Aufgaben verteilen zu können, können sich Interessenten im Sekretariat der Sportmedizin unter der Telefonnummer 069/79824543 melden.

 

Frankfurt, den 22.11.98

 

 

 

 

Nachtrag und Resume' am 10.2.04

 

Der von mir begleitete Kurs trifft sich noch heute nach knapp 6 Jahren zum lockeren Training und Plausch, meist anschließend in der Kneipe. Jedes Semester  wurde und wird 1 mal wöchentlich das Schwimmbad der Sportuni angemietet.  Die meisten haben in den nächsten Jahren kleine Triathlons als Spaßfaktor mitgemacht, einige an Laufwettkämpfen bis zu Marathon teilgenommen. Insofern war das erstrebte Ziel, die Mitglieder an regelmäßigen Sport heranzuführen und in diesen Bereich die Geselligkeit zu fördern, ein Erfolg. Große Leistungsambitionen erfolgten nicht, waren auch nicht das Ziel des Kurses. Auch außerhalb des Sports haben sich einige angefreundet und gemeinsame Feiern durchgeführt. Als Team nennen sie sich Fossilienteam, abgekürzt die "Fossies".                                                              

ein Ausschnitt aus einem Plakat nach einem Photo aus dem Vorjahr bei den Gesundheitswochen, verbunden mit einem kleinen Triathlon, in Bad Homburg

 

 

 

Bernd Holstiege