von Bernd Holstiege
Zur Vorgeschichte: In Roth 92 saß ich am Vortag beim Bier mit Astrid Benöhr und anderen Ultratriathleten zusammen und spielte als alter Ultrafan (mehrfacher Finisher der 100km- und Ironman -Distanz) mit dem Gedanken, mal die Doppeldistanz zu probieren. Diese Gedankenspielereien verlor ich jedoch aus den Augen, bis mein Freund Martin Schytil, nachdem er 3 mal die Ironman-Distanz abgebrochen hatte, im Winter 99 davon sprach, jetzt wolle er einen Dreifachen versuchen. Ich hielt dies anfangs für einen wahnwitzigen Gedanken. Als er davon nicht abzubringen war, sagte ich meine Betreuung für Neulengbach (bei Wien) Ende Mai 99 zu. Insgeheim spielte ich mit dem Hintergedanken, falls eine Betreuung durch den Veranstalter für uns beide gewährleistet sei, auch noch selbst zu starten. Da jedoch die Schlafmütze Christopher, mit dem ich hinfahren und gemeinsam betreuen wollte, um Stunden später als geplant kam, wir noch zusätzlich in Staus gerieten, kamen wir zur Vorbesprechung am Vorabend statt 18 Uhr gegen 22 Uhr an. Eine Anmeldung war für mich zu spät. Außerdem starteten statt der im Internet gemeldeten 10 Teilnehmer inzwischen 25. Unsere Betreuung, wo wir uns, Christopher und ich, abwechselten, gestaltete sich infolge mangelnder Absprachen so chaotisch, so daß Martin regelrecht verhungerte. Ich hatte nicht gewußt, daß im Ultrabereich üblicherweise jeder Teilnehmer für seine Verpflegung selber zuständig ist. Nach 2 längeren Schlafphasen absolvierte Martin zwar noch völlig geschwächt die 540 km Rad, legte sich nach ca. 20 km Laufen erstmal wieder ins Bett und verschlief jegliche Finishermöglichkeiten. Er war jedoch zufrieden und meinte, er habe Erfahrungen für das nächste Mal gesammelt. Auf der 1km-Laufstrecke hatte ich laufend vorübergehend Astrid Benöhr und ihren Partner Iro begleitet. Zu Iro meinte ich, ein Dreifacher sei mir ja etwas zuviel, aber einen Zweifachen könnte ich ja mal probieren. Er schwärmte mir von Litauen vor. Der Wettkampf sei mitten in einer Stadt unter unheimlicher Begeisterung der Bevölkerung die ganze Nacht hindurch. Eine Schülerin, die noch nie gelaufen sei, habe ihn einen Marathon lang begleitet. Er hatte mich und Martin für Litauen scharf gemacht. Martin startete Ende Juli noch zu einem Dreifachen in Lensahn (Schleswig-Holstein), den er mit etwa 10 Stunden Schlaf als Vorletzter im Ziel finishte. Euphorisch faßten wir beide Litauen ins Auge. Er faßte als persönliches Ziel ins Auge, Iro zu schlagen.
Im Vorfeld traten Schwierigkeiten auf. Zum einen waren die Flüge teurer als erwartet. Martin bekam wegen des Urlaubs Schwierigkeiten mit seinem Arbeitgeber, alleine wollte ich nicht, so daß höchst ungewiß war, ob wir überhaupt starteten. Ich startete an einem anderen Ziel, nämlich dem Ironmönch in Kulmbach , den ich mit ziemlichen Schwierigkeiten beim Laufen ab 30 km als 7. unter 10 Finishern in der Altersklasse M55 in 11.40 absolvierte. Am nächsten Wochenende nahm ich noch an einem Volkstriathlon (Flieden bei Fulda) teil, bei dem mir noch die Beine beim Laufen weh taten. Wir hatten inzwischen beschlossen, am Donnerstagnachmittag mit dem Auto hin- und am Montagmorgen zurück zufahren, in meinen Augen eine Härtetest, nicht nur im Triathlon. Länger bekam Martin leider nicht Urlaub. Martin hatte sich angemeldet und angekündigt, daß er noch einen Freund mitbringen wolle, der auch starte. Auf der Hinfahrt durch Ostdeutschland regnete es in Strömen, auch eine zeitlang in Polen. An der Autobahngrenze bei Frankfurt/Oder brauchten wir 2 ½ Stunden trotz Vordrängelns. Gegen Morgen wollten wir irgendwo auf dem Autoput in Richtung Warschau in einem Motel noch schlafen, wo uns niemand öffnete, und wir davor auf Matte und im Schlafsack kurz schliefen. Auf der Fahrt durch den Regen gingen mir die schlimmsten Gedanken wellenförmig durch den Kopf „der Regen, die lange Strecke, die Müdigkeit, diese Gewalttour, mit dem Auto hin und zurück, eine Mordsquälerei, so weit war ich noch nie geschwommen und geradelt“, so daß ich einen ziemlichen Bammel hatte vor dem, auf was ich mich einlassen wollte. Gedanken, nicht zu starten und das Ganze als Kurzurlaub zu gestalten - schließlich hatte ich noch nichts bezahlt - schossen mit durch den Kopf. Ich mußte mir immer wieder gut zureden „so schlimm muß es ja nicht sein, kannst es locker gestalten oder aufhören“. Martin schien gar keinen Bammel zu haben, was mich wiederum beruhigte. Gottseidank besserte sich das Wetter, sogar die Sonne guckte heraus, und alles sah zuversichtlicher aus.
Nach 25 Stunden kamen wie schließlich am Ziel in Panevezys an. Im Führer stand zu dieser Stadt „Fünftgrößte Stadt in Litauen ohne besondere Sehenswürdigkeit, auf der Durchfahrt nach Riga, am besten man fährt gleich weiter“. Als wir ankamen stießen wir gleich auf den See, einer kleinen, künstlichen, sauberen Anlage mit einer Insel und 2 Holzstegen, mitten in der Stadt. Dort schien ein Volksfest im Gang zu sein, ein Auflauf von Leuten, Buden, Tischen, Essen und Getränke. Wir sahen Spiel und Wettkämpfe, wo von Schwerathleten gerade schwerste Steine irgendwie vorwärts bewegt wurden. Wir suchten die Anmeldung und das Hotel, vor dem wir schon standen. Zuerst war kein Verantwortlicher da. Ein Franzose, ein Teilnehmer kreuzte unseren Weg, ein staffer, kräftiger junger Mann, aber wenig gesprächig. Immerhin teilte er uns mit, eine Vorbesprechung habe stattgefunden. Später kam jemand von der Organisation. Wir bezahlten das Startgeld 280 Dollar und das Hotel. Mit uns waren 17 Männer und 1 Frau, die bekannte Astrid Benöhr und ihr Partner Iro, angemeldet. Bei einem Blick auf die Geburtsjahrgänge sah ich, daß ich bei weitem der Älteste war. Zu unserem Ärger sollten wir am nächsten Morgen zu einer medizinischen Untersuchung, obwohl wir ,wie in der Ausschreibung gefordert, Atteste vorlegten, Martin von mir und ich von meinem Freund Ernst Müller. Am Abend sollte noch eine Präsentation der Athleten vor der Bevölkerung sein. Zwischendurch stellten sich unsere Helfer vor, bei mir 4 junge Studenten und Schüler, bei Martin 2 junge Damen und Schüler, die schon ganz begierig auf uns zu Betreuende waren. Bei der Präsentation wurden wir auf einer Bühne am Zielbogen vor tausenden von Leuten aufgestellt, namentlich genannt, beklatscht und bejubelt. Bis auf etwas englisch verstanden wir wenig. Zu meinem weiteren Ärger bekam ich mit, daß wir selbst für unsere Verpflegung zu sorgen hatten. So etwas war ich gar nicht gewohnt. Da wir trotz der durchfahrenen Nacht recht aufgeregt waren, kippten wir auf dem Fest zum Schlafen ordentlich Bier in uns hinein. Bei Bier am Vorabend habe ich bei mir die Erfahrung, schon Krämpfe beim Schwimmen zu bekommen.
Am nächsten Morgen mußten wir gleich nach dem Frühstück zur medizinischen Untersuchung. Der Betreuer brachte uns in seinem Wagen in rasendem Tempo selbst hin. EKG, Urin, Blut und Blutdruck wurden untersucht. Bei mir waren der Blutdruck viel zu hoch und der Blutzucker viel zu niedrig, wohl ein falscher Wert. Bei diesen Werten hätte ich selbst mich wahrscheinlich nicht starten lassen, aber die Ärztin dort wies nur darauf hin. Wir ließen uns noch von unseren Betreuern Getränke und Bananen einkaufen. Ich selbst hatte für mich für alle Fälle Kekse und Nußnougatriegel mitgebracht.
Schwimmen: Um 1 Uhr mittags war der Start. Das Wetter war leicht bedeckt bis sonnig und die Temperatur angenehm. 10 Runden, zusammen 7,6 km, waren bei etwa 19 Grad zu schwimmen. Nach 100 m waren schon alle mir weit voraus. Ich schaute mich um und stellte staunend fest, daß keiner mehr hinter mir war. Also schwamm ich in Ruhe mein Tempo. Unter den Brücken versuchte ich meist den klatschenden Leuten zuzuwinken, soweit das beim Kraulen möglich ist. Nach 2 Runden überrundeten mich schon die ersten 3, im Kielwasser hintereinander schwimmend. Das geschah mehrfach auch mit anderen. Nach 4 Runden drehte ich mich in der Nähe des Schwimmstarts auf den Rücken, um den begeisterten Leuten auch einmal richtig zuzuklatschen. Dabei bekam ich solche Krämpfe und brauchte hundert Meter, um wieder halbwegs normal schwimmen zu können. „Das war wohl die Folge des Biers!“ sagte ich mir. Und wieder am Morgen zu wenig getrunken! Am Steg, wo die Helfer standen, trank ich dann ausgiebig, aß etwas und danach ging das Schwimmen eigentlich problemlos. Durch die vielen klatschenden Zuschauer fand ich es auch ganz unterhaltsam und nicht nur langweilig und anstrengend wie in einem Ironman. Nach dem Schwimmen Umziehen, Radhose und Radhemd, Helm im Wechselzelt. Ich hatte 2.53 gebraucht, die Schnellsten 1.55. Für mich überraschend, da ich mich weit hinten wähnte, lief mir Astrid über den Weg. Ich sprang aufs Fahrrad und ab ging es auf die Radstrecke.
Radfahren: Die Radstrecke bestand aus einer 3 km-Runde, gut 30 Höhenmeter in die Stadt hinauf durch das Ziel, anschließend um Ecken durch die Stadt auf der anderen Seite hinunter und am Fluß entlang, über eine Brücke, am See vorbei wieder in die Stadt hinauf. Die zahlreichen Kanaldeckel waren weiß umrandet. Jedoch war es nicht so schlimm, wenn man mal hindurch fuhr. Auf dem Weg zum Ziel standen die meisten Zuschauer in Mehrfachreihen mit einem Gebrüll und Geklatsche, eine Stimmung wie in Roth am Solarer Berg oder auf der Tour de France. Ich schwang im Vorüberfahren die Fäuste, worauf das Klatschen zum Tosen eskalierte. Von der Tribüne erklang meist Rockmusik, oder es waren Vorführungen, so daß wir im Vorbeifahren leicht bekleidete Mädchen tanzen sehen konnten. Es war jedenfalls ein Gaudi, und ich war die ganze Nacht nicht zu erschöpft, um nicht mitmachen zu können. Unterwegs standen auch Gruppen oder einzelne Klatschende. Bald hatte ich auf der Strecke meine speziellen Freundinnen, die mich beklatschten, anlächelten, ich zurück, eine halbe Anmache im Vorüberfahren. Überhaupt fiel mir auf, wie viele hübsche, schick angezogene junge Frauen zu sehen waren. Das ging so die ganze Nacht hindurch, 120 Runden. Erst gegen Morgen wurde es merklich leerer. Am Beginn des Zielberges standen in jeder Runde unsere Betreuer, fragten nach unseren Wünschen und reichten es uns in der nächsten Runde mitlaufend.. Ich hielt lediglich an, um mir in der Nacht eine lange Hose und einen Pullover (Aufschrift Spiridon Frankfurt) überzuziehen oder Lampen anzubringen. Die 3 schnellen Schwimmer entpuppten sich auch als schnelle Radfahrer, die mich hintereinander mehrfach überrundeten. Der spätere Sieger Matthias, ein netter , gesprächiger Typ, meinte unterwegs, so sei es schon mehrfach gewesen. Auch andere überrundeten mich, ich fuhr aber auch gelegentlich vorbei. Für ein kleines Schwätzchen oder gar Unterhaltungen, wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte, wurde viel zu schnell gefahren. Auch Martin fuhr an mir vorbei und meinte, er habe keine Zeit, sei gut drauf. Von Astrid oder Iro sah ich lange nichts. Ich sah nur die Wettkämpfer, die bedeutend schneller oder langsamer fuhren.
Bei etwa 80, als ich langsamer fuhr, radelte Astrid plötzlich an mir vorbei. Sie hatte eine recht hohe Trittfrequenz, die ich nachzuahmen suchte. Ich fuhr hinter ihr her, fiel teilweise am Berg zurück, trat dann bergab kräftiger rein, bis ich sie wieder hatte. Nach etwa 100 km hinter ihr Herfahren hielt sie plötzlich an, ich fuhr jedoch weiter und sah sie auf dem Rad nicht mehr. Dann fuhr ich allein und widmete mich den Zuschauern. Iro überholte ich auch 1 oder 2 mal. Auf einer großen Schautafel der Zwischenstände konnte ich mich lange am Ende des Feldes sehen, bis ich mich langsam vorarbeitete. Aber so genau konnte ich das nicht sehen. Die letzten 10 Runden wurden jedem einzeln angezeigt. Nach meinem Kilometerzähler konnte dies auch stimmen. Schließlich hätten sie sich ja auch verzählen können. Kurz nach ½ 6 in der Morgendämmerung nach 13.35 Radzeit (die 2 Schnellsten hatten 11.17 gebraucht) kam ich ins Ziel, im Moment erschöpft und suchte meine Laufsachen. Währenddessen machte ich es mir auf dem einzigen Stuhl gemütlich. Plötzlich tauchte Astrid auf, zog sich vor mir aus und herrschte mich an, ich solle doch endlich den Stuhl frei machen. Ja, als Kavalier hatte ich mich wirklich nicht gezeigt. Aber ich war schon mächtig stolz, daß ich vor ihr am Radziel angekommen war und war erleichtert, das Schwimmen und Radfahren war ja schon mal ganz gut gegangen im Vergleich zu meinen vorherigen Ängsten.
Laufen: Ich startete zum Laufen, 84 km auf einer 2,1 km Runde, also 40 zig mal den Zielberg hinauf durch das Ziel, um Ecken zum See hinunter, dann am See zuerst auf der einen, dann auf der anderen Seite entlang. Hinten war ein Stand, wo Rundenzettel abzugeben waren. Von meinen Betreuern begleiteten mich jeweils 1 oder 2 laufend oder auf dem Mountainbike. Am Berg bildeten sich allmählich wieder Zuschauermassen. In der 1. Runde hatte ich gleich eine Druckstelle oben auf der linken Großzehe. Am Stand schmierte ich kräftig mit Vaseline und hatte dann meine Ruhe. Ab der 2. Runde konnte ich auch einigermaßen laufen und drehte so Runde um Runde. Bald lief Astrid an mir vorbei, und ich ließ sie laufen. Ebenso lief auch Martin an mir vorbei. Er mußte schon länger auf der Laufstrecke sein. Ich versuchte zuerst zu folgen, aber auch er war mir zu schnell. Mit dem Blick über den See waren die Mitläufer oft zu sehen, und man konnte jeden beobachten, wie er gerade drauf war. Meine Blickfreundinnen waren auch wieder da. Aber ich war angestrengter als beim Radfahren und somit weniger aufgeschlossen. Nach etwa 30 km fingen die Beine an leicht zu schmerzen. Ich bekam einen kleinen Hungerast, der jedoch nach 500 m Gehen behoben war. Ich fing an Aspirin zu schlucken, wie ich es von 100 km-Läufen gewohnt war, in der Hoffnung auf Schmerzreduzierung, verspürte jedoch keinerlei Besserung. Nach weiteren gut 30 km lief Astrid ein zweites Mal an mir vorbei. Ich dachte, 1 oder 2 mal wird sie mich noch überrunden, fühlte mich noch ganz gut drauf und hatte die Zuversicht, so weiter laufen zu können. Den 1. Marathon schaffte ich in etwa 4.50.
Die letzten 30 km jedoch steigerten sich die Bein(Quadrizeps)schmerzen so sehr, daß ich nur noch mühevoll so langsam laufen konnte, daß ein Betreuer neben mir her gehen konnte. Meine Stimmung sank. Normalerweise hätte ich aufgehört, anstatt mich so zu quälen. Aber nun war ich mal soweit gekommen und wollte finishen. In dieser Phase machte ein Betreuer mehrere Photos von mir mit meinem Apparat. Martin wurde immer besser, lief immer schneller, steigerte sich in eine Euphorie. Am Stand auf der Gegenseite konnte ich an den Rundenzetteln sehen, daß er mindestens auf den 4. Platz vorgerückt war. Das hätte ich ihm nie zugetraut! Für mich war er der zügigste Läufer. Tatsächlich stellte sich später heraus, daß er mit der besten Laufzeit Dritter geworden war, eine Stunde hinter dem Sieger und eine Stunde vor dem Vierten, dem Franzosen, den wir bei der Ankunft zuerst kennen gelernt hatten. Ich selbst hatte inzwischen auch schon 6 Leute hinter mir gelassen, die zum Teil keine Chance zum Finishen mehr hatten, was meine Stimmung wieder aufheiterte. Etwa 20 km vor dem Ziel merkte ich, daß wieder ein Hungerast kam. Mein Betreuer hatte jedoch im Gegensatz zu vorher nichts einstecken. Ich mußte gehen, schickte ihn zurück zum Stand und mußte mich nach einer Gehphase ermattet auf eine Bank setzen. Da saß ich nun, ein Häufchen Elend, und wartete, bis er kam, und dann hatte er viel zu wenig dabei. Ich schleppte mich zum Betreuungsstand, aß und trank erstmal ordentlich. Eine Frau bot mir eine Massage an, die ich auch noch über mich ergehen ließ. Aber danach schmerzten die Beine fast noch mehr. Meine Erfahrung sah ich bestätigt, daß Massage bei schmerzenden Beinen nichts bringt, im Gegenteil die Muskeln mehr auskühlen. Ich hatte mindestens eine ½ Stunde verloren. Martin war schon lange mit 231/2 Stunden im Ziel und auch schon Astrid seit etwa 21/2 Stunden. Die letzten 6 Runden beschloß ich, vom Laufen die Schnautze voll zu haben, und wanderte so zügig, wie es ging. Es gab noch andere Wanderer wie den Vidmantas, den lokalen Star und Mitorganisator, der beim Schwimmen und Radfahren mit vorne gelegen hatte, und schon lange mühsam wanderte. Unterwegs steckte mir der spätere Sieger und uneinholbar Führende Matthias zu, Vidmantas habe wie öfter beim Radfahren total überzockt, solle aber diesmal durchstehen, nicht wieder aufgeben. Der Nächsthintermirliegende konnte gegen Ende gut laufen und überholte mich bald und auch Iro kam langsam mühevoll laufend näher. Er stöhnte „warum tun wir uns das an!“. Ich dachte dazu „ich spaziere ja und tue mir das nicht mehr an“. Schon vorher beschloß ich, die letze Runde noch mal zu versuchen zu laufen. Ich hatte gesehen, daß die Finisher in der letzten Runde von einer Traube von Kindern und Jugendlichen begleitet wurden. Aber erst nach dem Gefälle wollte ich es versuchen, da ich jetzt noch unter 29 Stunden bleiben wollte. Und oh Wunder, es ging wieder ganz gut. Die 2/3 Runde lief ich wieder zügig von einer Traube von Jugendlichen begleitet. Ich spurtete sogar den Zielberg hinauf, so daß mir kaum jemand folgen konnte, und bekam glücklich einen Eichenkranz umgehängt, wie ich schon vorher bei anderen gesehen hatte. Endzeit 29.53. Danach ein Intervieuw auf der Tribüne, viele Autogramme. Meine Freundin von der Brücke wollte sogar eine Widmung. Iro kam eine paar min später. Ich war 12. von 13 Finishern. Auf dem Zimmer machten wir Photos gemeinsam mit den Betreuern. Ich konnte kaum noch aufrecht sitzen. Danach wollte ich mich nur noch hinlegen, denn eine knappe Stunde später war schon die Siegerehrung, zu der ich reichlich kam. Alle Teilnehmer waren versammelt und wurden geehrt, auch die Nichtfinisher, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Martin war ganz happy über den 3. Platz, verbunden mit einem 800 Dollar-Scheck.
Am Abend war ein Buffet, für unseren Geschmack nicht gerade wohlschmeckend mit den fetten Würsten, und Tanz. Ich war viel zu kaputt, trank Bier und verschwand bald im Bett, noch nicht einmal die Gesprächsangebote von hübschen, jungen Frauen nützend. Am nächsten Morgen halbwegs erholt sah die Welt schon anders aus. Ich konnte mich auch etwas mit den Mitteilnehmern unterhalten. Aber nach dem Frühstück mußten wir zur Heimfahrt aufbrechen. Es stand uns wieder eine lange Nacht der Rückfahrt bevor. Wir wählten diesmal eine nördlichere Strecke mit mehr Seenlandschaft, dafür schlechtere Straßen, und in der Hoffnung, die Grenze schneller zu überwinden. Vor dieser Rückfahrt hatte ich wieder erheblichen Bammel, vor allem vor der Müdigkeit. Es ging jedoch mit 2 Essenspausen ganz glatt. Etwas schneller als auf dem Hinweg uns abwechselnd waren wir wohlbehalten nach 221/2 Stunden in Frankfurt. In der folgenden Woche war ich noch richtig aufgedreht von dem Erlebnis, daß doch schön und erfolgreich gelaufen war, bis auf die letzten 30 km, die doch schon ein Quälerei waren. Im Nachhinein vermute ich, daß ich so einging, weil ich noch nicht genügend erholt war von der Ironmandistanz 2 Wochen vorher, vielleicht auch zu wenig Laufen trainiert hatte. Im nächsten Jahr möchte ich wieder hin, mir aber mehr Zeit nehmen. Martin hat so Feuer gefangen, daß er sich für das nächste Jahr die Ultraserie bis zum Zehnfachen vorgenommen hat und jetzt schon wieder in Mexiko bei einem Double teilgenommen hat, wo er Zweiter geworden sein soll. Wenn ich im nächsten Jahr im Laufen halbwegs reinkomme ohne größere Beschwerden, will ich einen Dreifachen versuchen bei den Weltmeisterschaften in Lehnsahn.
Im November 99
Bild während des Laufes in Panevezys 99, im nächsten Jahr in der litauischen Zeitung bei der Vorschau des Doubles, anhand dessen mich der Zöllner bei der Ausreise am Schiff wiedererkannte.
Triple in St. Pölten und Lensahn 2000
Liebe Blaugelber und Spiridonis,
Manchmal schreibe ich ganz gerne über Erlebtes, wie jetzt über mein Unterfangen Ultra-Triathlon 2000. Dabei überlege ich, ob ich es kurz machen soll oder, wie letztes Jahr über Litauen, einen persönlichen Bericht, wo es auch um sonstig Erlebtes, Gedanken und das Umfeld geht, halt wie so etwas aus meiner Sicht aussehen mag. Ich seheTriathlon vor allem als persönliches Erlebnis, wobei Erfolge, gute Ergebnisse und Zeiten zwar schön sind, aber Nebeneffekte. Unbedingt um jeden Preis durchzuhalten, ist nicht so sehr mein Ziel. Quäl- und Leistungssucht passen nicht so sehr in mein Selbstbild.
Falls es euch zu lang wird, ich weiß ja noch nicht, wie lang es wird, braucht ihr nicht alles zu lesen. Manchmal bin ich halt eine Quatschtante. Auf die Schnapsidee mit den Ultras war ich letztes Jahr durch Martin Schytil gekommen. Nach dem erfolgreichen DoubleUltra 99 in Panevezys in Litauen wollte ich dieses Jahr einen Triple und zwar in Lensahn Ende Juli versuchen und anschließend noch einmal nach Litauen.
Da die Laufstrecke doch sehr lang ist, hatte ich vor, mehr Laufen zu trainieren als sonst in den letzten Jahren für mich üblich, um einigermaßen über die 126 km zu kommen. Laufen über die Doppelmarathonstrecke war in Litauen mein Problem gewesen. Schwimmen und Radfahren, dachte ich, müßte mit meinem üblichen Training gehen. Ab Dezember 99 versuchte ich mehr Laufen zu trainieren, was aber insofern nicht klappte, daß ich zweimal am linkern Knie und einmal am rechten Knie dermaßen Beschwerden bekam, daß ich jeweils 2 Wochen überwiegend pausieren mußte. Dann ging es wieder. Die Überbelastungen waren jeweils 2 Wochen gut 80 km/Woche. Trotzdem schaffte ich monatlich ca. 270 km. Ab Frühjahr lief ich nur noch schonend langsam, da ich mich nach mehreren wettkampfmäßigen Halbmarathons und 30 km in Friedberg überlastet fühlte.
Ende Mai wollte Martin zur TripleEMnach St. Pölten (vor Wien), da er einen guten Platz im Ultra- Worldcup anstrebte. Eigentlich interessierte mich das nicht weiter, bis meine Frau Christa meinte, wir könnten uns das doch mal angucken. Bei einem so verrückten Typ war das schon sozusagen die Aufforderung zum Start. Ich beschloss sofort, wenn möglich, zu starten. Bis dahin hatte ich gut 3000 Radkilometer in den Beinen. Ich rief zur Erkundigung eine Woche vorher an, ob noch ein Start möglich sei. Natürlich, bei nur 12 Teilnehmern war jeder weitere Starter hoch erwünscht.
St. Pölten: Bei der Ankunft waren wir erstmal geschockt. Die Anmeldung und das Racezentrum waren im Regierungsviertel der Landeshauptstadt von Niederösterreich, einem modernen Marmorplattenviertel. Am Vorabend fand eine Vorstellung der Starter statt, die ich zum schönen Teil schon kannte. Wir übernachteten in einem Hotel in der Nähe.
Morgens um 7 war der Schwimmstart in einem geheizten 50 m-Becken. Also 124 mal hin und her im obligatorischen Neopren, jeweils 2 Schwimmer auf einer Bahn, waren zu absolvieren, ein Fall für einen Drehwurm oder etwas ähnliches, vorprogrammierte Stupidität. Ich schwamm neben Martin. Schon nach 1 km rieb der Neopren schmerzhaft in der linken Achsel. Sorgenvolle Gedanken plagten mich "ohje, wie soll das weitergehen!". Bei dem Versuch, die Arme weit auszubreiten, ging es überraschend gut. Christa versorgte mich regelmäßig mit Essen (Bananen und Butterkekse) und Getränken vom Rand aus. Nach 2.53 auf 7,6 km in Litauen hatte ich mir etwa 4.30 ausgerechnet, falls ich einigermaßen glatt über die Strecke käme. Ich war ja noch nie eine so lange Distanz geschwommen. In den letzten 1 bis 2 km wurde es mir trotz Neopren arschkalt. Zu meiner Überraschung kam ich schon nach 4.05 als Drittletzter aus dem Wasser, 20 min hinter Martin und 6 min vor Astrid Benöhr. In Litauen war ich als Letzter herausgekommen und hatte Astrid im Wechselzelt noch gesehen.
Radfahren: Auf dem Rad fuhr Astrid bald an mir vorbei und entfernte sich zügig. Ich war frustriert, da ich in Litauen schneller auf dem Rad gewesen war, fuhr jedoch mein Tempo weiter. Die flache Wendepunktstrecke wargut 10 km lang. Am Wendepunkt im Regierungsviertel stand in jeder Runde Christa und reichte mir Verpflegung (Wurst- und Käsebrote, Bananen, Kekse, Nußnougat- und Energieriegel) und Getränke (Vitamin- und Magnesiumbraustabletten, Tee und Brühe, Apfelsaftschorle). Ab und zu war sie nicht da, da sie unseren Hund Moro ausführen mußte. Der planschte dann im Wasserbecken herum und lag ansonsten zufrieden im Wagen. Einige hatten sich gewundert, wie in unser Sportcoupe ein großer Hund, 2 Rennräder und sonstiges Gepäck reinpassten.
Das Wetter war überwiegend sonnig, in der Nacht kühl. Obwohl ich verhalten fuhr, wurden in der 2. Hälfte die Beine zunehmend schmerzhaft und hart, sodaß die letzten ca. 100 km zum Durchstehen und zur Quälerei ausarteten, so gar nicht nach meinem Geschmack. In der Nacht hatte jeder für seine Beleuchtung zu sorgen. Außerdem fuhr ein Wagen, vom Veranstalter gestellt, hinter mir her. Ich hatte inzwischen die Schnautze voll. Ich beschloß durchzufahren und dann nur noch das Laufen auszuprobieren.. Als Martin und Astrid zum Radziel kamen, hatte ich noch 6o kmzu fahren, bei den Vorletzten, einem Deutschen und einem Ungarn noch 30. 2andere, der erfahrene Ultra Guy Rossi, ein Franzose aus dem Elsaß, der aber kein Wort deutsch sprach, und ein blutjunger Österreicher, hatten aufgegeben.
Laufen: Nach einer Gehpause lief ich langsam los. Es ging trotz beinharter Oberschenkel. Aber der Laufkurs paßte mir gar nicht, (über 2 Brücken über den Fluß, auf der anderen Seite ein schotteriger Weg in der prallen Sonne, diesseits auch meist in der Sonne über Platten, 1,1 km lang), ein willkommener Grund, mein Vorhaben umzusetzen, also trotz der Ermunterungen und Durchhalteparolen "Kopfsache!" von Teilnehmern und Betreuern aufzuhören. 11,6 km Schwimmen und 540 Rad waren ja auch genug, und ich war ganz zufrieden, das geschafft zu haben.. Nach 8 Runden gehend und laufend rechnete ich mir aus, daß ich jetzt noch in gutem Zustand nach Hause fahren könnte.
Kaum auf der Autobahn wurde ich jedoch so müde, daß wir eine Schlafpause einlegen mußten. Dann konnte ich einigermaßen nach Frankfurt zurück fahren. Über den weiteren Verlauf des Rennens hörte ich später von Martin, daß der Russe Simonov seinen Vorsprung vor Astrid gerade noch ins Ziel retten konnte, die weitaus am besten lief. Der lange Führende Matthias Michl hörte nach einem Marathon wegen Magenbeschwerden auf. Er leidet unter einem Morbus Crohn. Die nächsten einigten sich, einen Marathon gehend gemeinsam zu bewältigen, sodaß Beat Knechtle den 2. Martin den 3. und Christoph Eggenberger den 4.Platz errangen, weit hinter Astrid.Martin startete 3 Wochen später noch bei einem gut besetztem Triple bei Grenoble, wo er jedoch wegen mangelnder Betreuung beim Laufen aufhörte.
Lensahn: Lensahn in Holstein fand Ende Juli statt. Es galt als Tripleweltmeisterschaften. Diesen Triple hatte ich mir als meinen Jahreshöhepunkt vorgenommen, während ich St.Pölten nur als spontanen Versuch gesehen hatte und deswegen bei größeren Beschwerden nicht zum Finishen bereit war. Im Internet sah ich ein paar Wochen vorher, daß schon weit vorher die 30 Plätze ausgebucht waren. Auf meinen Anruf hin kam ich auf Warteliste Platz 2 mit der Aussicht, daß Leute abspringen bzw. das Kontingent erweitert werden sollte.
In der visuellen inneren Vorausschau nahm das Unterfangen gigantische Ausmaße an, verstärkt von den Stellungnahmen von Mittriathleten, sodaß ich im Vorfeld so überlastet war, im Rücken völlig verkrampft, und 3 Wochen vorher eine Oberschenkelmuskelzerrung bekam, wahrscheinlich ein Ischiassymptom. Ich konnte wiederum kaum laufen, und der Start war recht fraglich. Mit einer Pause von ein paar Tagen und extrem langsamen und anfangs kurzen Laufen besserte es sich wieder.
Dann kam die Zusage. Das Starterfeld war auf 40 erweitert worden. 30 starteten morgens um 7 Uhr, die 9 vermeintlich Besten um 11.
Bei der Vorstellung der Teilnehmer am Vorabend wurden illustre Vorerfolge hervorgehoben. Dabei waren 3 Kanalschwimmerinnen vom Sri Chinmoy-Club, wohl einer Art Sekte, die sich den Ultraausdauersportarten widmet und solche veranstaltet. Die 3 wollten sich einmal im Ultratriathlon versuchen. Ein Gleichaltriger, Harri, hatte Golfhandycap 13 und meinte mich von Almere 1985, meiner 1. Ironman-Distanz, zu kennen. Der Star der letzten Jahre, Karl-Heinz Jost, inzwischen 63 Jahre alt und Ultraweltmeister der Altersklasse 60, kannte mich vom Ironman Hawai 1988. Bis auf einige Altbekannte( Beat Knechtle und Christoph Eggenberger, die konkurrierenden Schweitzer, der Russe Simonow, Astrid und Iro, Ole Buik, er hat eine eigene Homepage, der Favorit Matthias Michl, und einem Jungen aus Halle, der letztes Jahr in Kulmbach neben mir gezeltet hatte) waren mir viele unbekannt.
Prof. Georg Neumann, der Medizinguru der DTU, der wie in den letzten Jahren Blutuntersuchungen vornahm und mit dem ich schon länger befreundet bin, konnte ich den Wunsch nicht abschlagen, an seinen Untersuchungen teilzunehmen. Am Vorabend konnte er mir den Hämatokrit gleich mitteilen. Er war 49. Er empfahl, ich solle mehr trinken. Bei 50 werden die Radrennfahrer, etwa Pantani, zu ihrem eigenen Schutz und wegen des verdachtes des Epo-Dopings aus den Rennen genommen. Anscheinend geht das ganz schnell, wenn man mal etwas weniggetrunken hat.
Schwimmen: Wir waren 5 in der Bahn. Bald fand ich einen geigneten Vorschwimmer, in dessen Sog ich meist locker schwimmen konnte. Eher mußte ich aufpassen, ihm nicht allzu viel an die Füße zu datschen. Der arme Iro mußte immer 2 hintereinander überholen, wie er später sagte.
Seinen Sog konnte ich höchstens 2 Bahnen halten. Er war außer einigen Ultras immerhin dies Jahr längs durch den Zürichsee geschwommen und wollte noch durch den Kanal schwimmen (was er nicht, wie ich inzwischen von ihm erfuhr aus mentalen Gründen, zu hoher Wellengang, geschafft hatte). Wir kamen in 3.55 aus dem Wasser, der kleine junge Mexikaner, den ich meinte hinter uns gelassen zu haben, ein paar Minuten vorher, diesmal 11 min vor Astrid. Martin war 4 Stunden später nur 14 min schneller im Sog vom Simonov, hinter ihm Antonio. Die Kanalschwimmerinnen waren allesamt langsamer. Auf meine Verwunderung später hin meinten sie, im Kanal komme es auf Ausdauer, nicht auf Schnelligkeit an.
Radfahren: Die Runde war ca. 12 km lang, recht flach mit Autoverkehr. Pünktlich zum Schwimmstart hatte der Dauerregen angefangen, der uns, manchmal als Platzregen, fast bis zum Radende begleitete. Eine Autobegleitung war nicht obligatorisch, noch nicht einmal in der Nacht. Also radelte ich eingepacktlos.
Besonders wohl fühlte ich mich auf dem Rad gerade nicht. Am Wendepunkt am Festplatz stand Christa und reichte mir in jeder Runde Essen und Getränke, ähnlich wie in St.Pölten. Eine weitere Unterstützung, eine etwa sich abwechselnde Mannschaft wie viele andere, hatte ich nicht. Am Wendpunkt Festplatz wurden per Chip die Runden gezählt, am Gegenwendepunkt noch einmal per Hand. Vielleicht 80 km brauchte Astrid, um mich zu überholen. Etwas später, als sie pinkelte, holte ich sie wieder ein und fuhr lange hinter ihr her, mich ihrer hohen Trittfrequenz anpassend. Ein 53
jähriger Holländer, Freizeitanlagebesitzer, fuhr schneller als ich. Er war auch weit vor mir aus dem Wasser gekommen. Ein anderer ihm gleichaltriger Deutscher, den ich gleich überholt habe, erzählte mir, letztes Jahr habe er 4 Stunden nach dem Rad hinter dem Holländer gelegen und ihm trotzdem zum Schluß beim Laufenüberholt.
Zwischendurch begleitete ich Langsamere wie die Kanalschwimmerinnen und unterhielt mich, für mich sehr erholsam. Zwei erzählten über die Dritte, eine ziemlich kräftige Dame, die alles andere als wie eine Ausdauersportlerin aussah, diese habe den Kanal durchschwommen, sich anschließend aufs Rennrad gesetzt, 250 km gefahren und dann 100 km nach Paris gelaufen. Was es da nicht alles gibt!
Als ich kurzfristig mit dem Holländer fuhr, wollte er von mir einen Witz hören. Mir fiel der mit dem Huhn und der Dampfwalze ein. (Wenn ihr ihn nicht kennt, könnt ihr ihn später von mir erfahren). Der Witz bereitete ihm so viel Vergnügen, daß er in die Pedale trat, und weg war er. Ich konnte ihm geradenoch nachrufen, daß ich doch kein Huhn sei, daß er mich dermaßen platt mache.
Also, teilweise war es ganz schön unterhaltsam durch die zahlreicheren und weniger leistungsorientierten Teilnehmer, anders als in St.Pölten, wo jeder für sich fuhr. Nach knapp 350 km hielt ich am Wendepunkt an, um an der Strichliste zu sehen, wo ich lag. Zu meinem Erstaunen lag ich einen der vorderen Plätze im 1. Starterfeld. Als kurz darauf Christoph, einer der stärksten Radfahrer, an mir vorbei fuhr, fühlteich mich saustark, nichts tat mir weh, und mich stoch der Hafer, so daß ich ihn eine Runde begleitete, mich unterhaltend. Danach bremste ich, aber das Radeln fiel mir zunehmend schwerer. Ich hätte wohl eine längere langsamere Phase einlegen sollen.
Stattdessen fuhr ich so gut es ging weiter, obwohl ich jedesmal zu einer Pinkelpause bei Christa anhielt. Ich fand, der Urin floß in Strömen. Eine Frau schien sich zu beschweren, ich würde ihr Zelt anpinkeln. Christa meinte, die Leute wären unangenehme Nachbarn. In dieser letzten Phase hatte Astrid mich schon eine Runde abgehängt. Bei den Wenden sah ich Martin ein paar mal dick
eingepackt dasitzen und dann mir wieder entgegen kommend. Ihm solle es zu kühl sein, und er habe zu wenig warme Kleidung. Ich fühlte mich in der Kleidung ganz wohl. Ab meinem Kontrollstopp hatte ich die Runden gezählt. Ich meine noch heute, daß man mich eine Runde zuviel herum geschickt hätte, also etwa eine halbe Stunde. Aber mein Kilometerzähler war im Regen ausgefallen. Auch andere haben sich beschwert, trotz Chip in zuviel Runden geschickt worden zu sein. Anscheinend macht die Technik Probleme.
Laufen:Nach 24, insgesamt 28 Stunden hatte ich das Radfahren absolviert. Geplant hatte ich vorher etwa 22 Stunden. Ich machte es mir erstmal auf der Liege quatschenderweise zur Blutuntersuchung gemütlich. Inwischen war der Hämatokrit bei 42. Also hatte ich genug getrunken. Das Wetter war besser geworden. Nach etwa 1 Stunde, als ich loslaufen wollte, waren die Beine knallhart. Ich mußte gehen. Nach ein paar km ging das Laufen, zuerst langsam, dann immer besser. Als ich jedoch hoffte, daß ich jetzt ins Laufen gekommen wäre, war es wieder vorbei. Im Nachhinein würde ich sagen, daß ich wohl, sobald es besser ging, zu schnell gelaufen war. So ging das ein paar mal. Die halbe Nacht hatte es schon im Darm gedrückt. Plötzlich schaffte ich es nicht mehr auf die Toilette und verbrachte viel Zeit mit Reinigungsarbeiten. Zwischendurch lief ich mir eine Blase, die durch ein Plaster behoben wurde.Eine Hornhautverdickung am linken Fußaußenrand schmerzte und Spreizfußbeschwerden meldeten sich. Eine Einlage, die ich vorsichtshalber mitnehmen wollte, hatteich vergessen. Das Laufen frustrierte mich. Ich bin halt doch ein Weichei, wie die Blaugelber immer so schön sagen.
Etwa vor dem ersten Marathon hatte mich Christa laufenderweise, als es bei mir wieder einigermaßen ging, ein paar Runden begleitet, und hoffnungsfroh Pläne für den nächsten Marathon entworfen. Nur ging bei mir in dem Moment gar nichts mehr. Ich war so frustriert, daß ich bei 46 km nach 38 Stunden beschloß aufzuhören. Ich hatte zwar bis zum Limit von 58 Stunden für 80 km noch 20 Stunden Zeit, aber ich stellte mir eine qualvolle Nacht von 14 Stunden vor, sodaß ich keine Lust mehr hatte. Christa war stinksauer. Vorüberlaufende bedachten mich mit Ratschlägen, wie ich weiter machen könnte. Da sagte ich mir schon selbst, vor allem das Wort "mental" hörte ich wiederholt. Ich legte mich gegen 22 Uhr in unser Zelt, das an der Laufstrecke stand, und war sofort eingeschlafen.
Gegen 3 drückte die Blase, ich mußte raus und beobachtete das Läuferfeld, bekam Aufforderungen und überlegte, ob ich wieder einsteigen sollte. Es hätte ja noch gereicht. Ich befragte meine Beine, die "nein" sagten. Christa wollte sauer von einem Weiterlaufen nichts wissen, sodaß ich mich wieder hinlegte. Gegen Morgen war es inzwischen zu spät zu finishen, obwohl meine Beine jetzt eher "ja" sagten. Ich hätte schon einen furiosen Lauf hinlegen müssen, so wie Martin im letzten Jahr. Er war auch inzwischen ausgestiegen. Offenbar war er anfangs zu schnell gelaufen. Ich hatte ihn mit dem schnellsten Läufer, dem Antonio Fusaro, der 2. wurde, laufen gesehen.
Christa wurde wieder aktiver. Sie hatte sich den Nachbarn, den gleichaltrigen Golfspieler,
Handycap13, ausgeguckt, den es zu betreuen galt. Dieser war nur noch eine Trauerweide. Sie steckte ihm einen Regenschirm ins Kreuz, weil er sich nicht mehr aufrecht bewegen konnte. Nur über den Festplatz mußte er ohne Schirm laufen. Anschließend wurde er die Steigung hinauf geschoben. Er schaffte es nicht ganz, wohl weil er eine Radrunde zuviel fahren mußte. Auch der Holländer plackte sich krumm und schief über die Laufstrecke. Anderen erging es malbesser und schlechter. Langsam fing ich an zu bedauern, daß ich nicht doch weiter gemacht habe. Ganz gut sah der 63 jährige Schiffsingenieur aus Kiel beim Laufen aus, langsam, aber stetig, ohne viel zu gehen.
Bei der Siegerehrung wurde jeder Starter geehrt. Gewonnen hatte ein Außenseiter, der vor 2 Jahren schon mal 2. gewesen war, dahinter Antonio und Matthias. Einige hatten aufgegeben, dabei eine der Kanalschwimmerinnen, die auf dem Rad Todesangst hatte und wegen Kreislaufbeschwerden ins Krankenhaus kam. Mancher fragte sich dann nur, wie sie durch den Kanal schwimmen konnte, etwa 40 km bei durchschnitttlich 16 Grad ohne Neopren.
Nach der Siegerehrung gingen wir noch zum Essen und Saufen in eine Kneipe. Auf dem Rückweg am nächsten Tag ging mir durch den Kopf, daß es trotz aller Anstrengungen doch ein ganz schönes Wochenende gewesen ist.
Panevezys in Litauen 2000
Dort war ich letztes Jahr gewesen, und es hat mir Spaß gemacht, vor allem die Begeisterung der Bevölkerung. Ich wollte wieder hin. Diesmal wollten wir uns mehr Zeit nehmen, nicht nur hin und zurück und dazwischen der Wettkampf. Danach wollten wir noch etwas Sightseeing im Baltikum machen.
Hinreise: Im Vorjahr hatten wir stundenlang auf der BAB bei Frankfurt/Oder gewartet. Diesmal überlegten wir, ob wir über die Stadt und Stadtbrücke fahren sollten. Befragte Leute rieten uns ab. Trotzdem bildete sich bald ein Autostau. Wir sahen, wie einige einfach auf der Autobahn drehten und zurückfuhren. Wir setzten im Rückwärtsgang etwa einen km zurück. Die Fahrt durch Frankfurt ging schnell und glatt. Das Unglück kam bei der Ausreise aus Polen nach Litauen Die Polen wollten eine Grüne Versicherungskarte sehen. An so etwas hatte ich nicht gedacht und noch nie benötigt. Damit fingen die Probleme an. Die Polen wollten Geld, 260 DM Strafe und 1360 DM auf ein obskures Konto. Wir lehnten das natürlich ab. Zwischendurch hieß es per Dolmetscher, wenn wir die Grüne Versicherungskarte per Fax hätten, kämen wir nur mit einer Strafe davon. Wir bekamen das Fax, trotzdem ließen sie unseren Wagen 30 km in die nächste Stadt zurück transportieren und sicherstellen. Wir mußten im Hotel übernachten. Das Ganze regte mich so auf, daß ich kaum schlafen konnte. Ich hatte schon gar keine Lust mehr zu starten. Am nächsten Tag auf dem Polizeipräsidium kamen wir mit den 260.- und 160.- Auslöse vom Parkplatz davon. Dann kamen wir anstandslos ohne Wartezeit über die Grenze.
In Panevezys war schon über einen Anruf des Veranstalters bei mir zu Hause bekannt, daß wir Probleme an der Grenze hatten. Schließlich war bei 13 Startern jeder Einzelne wichtig. Wir zogen in ein anderes Hotel, dem Olympiahotel, einem Sportzentrum des litauischen Spitzensports. Am Abend vorher Vorstellung der Athleten wie im letzten Jahr. Die meisten Starter kannte ich ja schon, Astrid, begleitet von ihrem Partner Iro, der dies mal nicht startete, weil er den Ärmelkanal vorhatte, Matthias Michl, die Schweitzer Christoph und Beat, Ole Bujk, der Russe Simonov, der Litauer Mikeliunas, der mich im letzen Jahr, zwischenzeitlich schon weit abgehängt, einige km vor dem Ziel überholt hatte. Dabei waren der starke Lette Anatoly Levsha und ein ganz junger Lette, dazu neu für mich 2 Dänen, ein ganz junger und ein älterer über 50 jähriger, den man schon den alten Haudegen von weitem ansah, wahrscheinlich ein starkes Feld.
Ich hatte eine neue Crew, 4 Schüler, Martin 4 nicht ganz so junge Frauen, mit denen wir noch feiern gingen. Jetzt schon einmal allergisiert von den Zwischenfällen an der Grenze machte ich mich plötzlich in der Nacht vorher verrückt, während ich vorher dem Wettkampf im Gegensatz zum letzten Jahr gelassen entgegen gesehen hatte, vor allem vor dem kalten Wasser, sodaß ich auch die 2. Nacht kaum schlafen konnte.
Schwimmen: Mittags um 1 Uhr war der Schwimmstart bei 17 Grad kaltem Wasser, 7,6 km in 10 Runden in einem kleinen See mitten in der Stadt. Ich schwamm gleich am Ende des Feldes. Nach 4 Runden hielt ich eine min zu lange an. Das war schon zuviel, und ich war 2 Runden völlig durchgefroren. Dann ging es wieder. Es kam mir länger als im Vorjahr vor. In 2.55 kam ich aus dem Wasser,2 min langsamer als im Vorjahr. 3 waren bis zu 4 min vor mir angekommen, 3 unter 2 Stunden, Martin 2.25. Im Vergleich zu den Triples war ich also ziemlich schlecht.
Radfahren: Auf dem Rad lief es zuerst ganz normal. Bald mußte ich mich jedoch warm anziehen, während die übrigen noch leicht bekleidet fuhren. So eine Kälteempfindlichkeit kenne ich gar nicht von mir. Alle fuhren an mir zügig und locker vorbei. Ich war ziemlich frustriert. In jeder Rande, also alle 3 km standen am Ziel Hunderte bis Tausende von Zuschauern, deren Lärm beim Vorbeifahren zum Orkan anschwoll. Trotz Frust über das Hinterherfahren bemühte ich mich, den Zuschauern in jeder der Runden fröhlich zu zu winken, zu zulächeln oder die Fäuste zu schwingen. Langsam merkte ich, da, daß das auf die Dauer ganz schönanstrengend war. Trotzdem badete ich im Jubel, Geklatsche und Geschreie. Iro meinte hinterher, ich sei der Star der Zuschauer gewesen, vielleicht auch, weil in der Zeitung am Vortag ein fotogenes bild alleine von mir, als dem ältesten Wettkämpfer war. Zwischenzeitlich ging es besser, und ich wurde nur noch von den starken Radlern überholt bzw. die meisten waren zu schnell angegangen.
Nach gut 250 km fühlte ich mich plötzlich so schlapp, daß ich eine Ruhepause einlegte. Ein Betreuer reicht mir eine Zigarette, woraufhin es mir auch noch schwindlig wurde. Beides ging lange nicht weg. Daraufhin hatte ich die Schnautze voll und beschloß aufzuhören. Mir war auch noch den ganzen Tag danach übel. Zu dem Zeitpunkt waren schon die Ersten auf der Laufstrecke. Ich legte mich im Hotel ins Bett, konnte aber nicht lange schlafen und begab mich nach ein paar Stunden wieder an die Strecke.
Am nächsten Morgen strebten die Ersten schon dem Ziel zu. Gewonnen hatte Matthias in 22.54, 2. Levsha in 23.23 und 3. wurden Beat und Martin gemeinsam in 24.24. Martin hatte nach einem schnellen Marathon Christoph überholt und Beat eingeholt und sie sich mit ihm kameradschaftlich geeinigt, nicht mehr um die Plätze zu kämpfen. Sie teilten sich das Preisgeld von 700 US-Dollar. Christoph war meist mit ihnen gegangen und gelaufen, sich am Schluß in 24.30 noch einmal bedrohlich genähert.
Bei der Siegerehrung am Abend erhielten alle ein Präsent, auch die Nichtfinisher Simonov und ich.
Am nächsten Morgen wurde ich früh von Iro geweckt. Ihm war erst jetzt aufgefallen, daß ihr Flugzeug eher zurück flog als daß der Schweitzer und somit der vom Veranstalter organisierte Bus zu spät käme. Ich fuhr Astrid und ihn gut 150 km nach Vilnius (Wilna), der Hauptstadt von Litauen. Dort besichtigte ich anschließend eine wunderschöne neu renovierte Altstadt. Bei der Rückkehr nach Panevezys war Martin froh, daß ich schon in Vilnius gewesen war und wiram nächsten Tag an die Ostsee aufbrechen konnten. Auf eine vorher ins Augegefaßte Fahrt nach Riga verzichteten wir aus Zeitgründen. Auf der Fahrt dorthin war wieder eine Strafe wegen zu schnellen Fahrens fällig.
Wir besuchten zuerst das alte Seebad Polanga und setzten anschließend mit dem Schiff von der Hafenstadt Kleipeda (Memel) zur Kurischen Nehrung über. In Nida am Fuße einer herrlichen Wanderdünenlandschaft nahe der russischen Grenze nahmen wir für 2 Tage ein Hotel. Ich joggte inzwischen gut bei Kräften barfuß am Kurischen Haff entlang, die Dühne hinauf, badete im Haff und der Ostsee bei meist gutem Wetter.
Anschließend mußten wir wieder zurück und setzten von Kleipeda mit der Fähre über Nacht nach Rügen über. Vor Polen hatten wir inzwischen Schiß. Auf der Fähre waren eine Menge Leute, die Rundreisen durch die Baltischen Länder, teils über Skandinavien gemacht und einiges zu erzählen hatten. Zuerst bei strömenden Regen in einigen Staus fuhren wir über Rügen, Stralsund, Rostock und Lübeck, dann die Autobahn zurück. Diese Städte streiften wir leider nur kurz. Martin wollte schnell heim. diese Gegenden sind einer gesonderten Reise wert.
Diesmal war dieser Triathlon für mich nicht so animierend wie letztes Jahr. Ab dem nächsten Jahr sollen dort auch wegen fehlender Sponsoren keine Weltmeisterschaften mehr stattfinden, wahrscheinlich, weil der bekannteste und stärkste Litauer, Vidmantas Urbanas, wohl nicht mehr so richtig kann und will. Zuletzt hatte er meist aufgehört. Er hatte schon bis zwanzigfache Ultras absolviert und viele Wettkämpfe gewonnen. Er sprang dieses Jahr, versehen mit einem kleinen Bäuchlein, als Funktionär herum.
Martin ist inzwischen beim Deca in Mexiko. Am Donnerstag, dem 9.11. hatte er das Schwimmen und auf dem Rad 1100 km absolviert, auf einem der hinteren Plätze. Wahrscheinlich hat er das Ganze gemütlich angehen lassen. Zwischenberichte sind unter http://iuta.free.fr, dort unter dem Link vom Deca in Mexiko, zu erlangen.
Frankfurt, den 11.11. 2000 (Faschingsanfang) Bernd
Eigentlich wollte ich dieses Jahr keine größeren Wettkämpfe machen, da ich ein Ruhejahr vor der neuen Altersklasse einführen wollte. Das heißt für mich, daß ich etwas vor mich hin trainiere ohne größere Ziele. Das schließt nicht aus, daß ich auch mal an einen Wettkampf im Laufen oder Triathlon ohne Leistungsambitionen teilnehme. Mit 49 und 54 hatte ich das ebenfalls meinem Körper versprochen, mich wieder nicht dran gehalten, und dann hat der Körper die Ruhe erzwungen durch Kniebeschwerden verbunden mit Arthroskopien rechts und links. Dieses Jahr machte ich wieder zuviel, dann hatte ich Mitte Februar in der linken Wade so Schmerzen, daß Laufen wochenlang nicht ging und ich beschloß, mich endlich an meine Vorgaben zu halten. Ab April konnte ich wieder einigermaßen laufen, so daß ich meist 30 km/Woche locker lief.
Bilder: links bei der Vorstellung, Mitte nach der Siegerehrung, rechts im Ziel
Über Ostern konnte ich meine Frau Christa begeistern, mit mir nach Sizilien zum Radtraining zu fliegen. Für sie als Quasianfängerin waren die Berge zu hart, für mich eigentlich auch. Wenn ich mit anderen fuhr, wurde ich meist gnadenlos abgehängt, so daß ich von meiner Form nicht gerade überzeugt war. Andererseits hatte mich doch gewurmt, daß ich im letzten Jahr in Lensahn aufgesteckt hatte. Im Nachhinein dachte ich, das es unnötig war. Ich hätte mir nur etwas mehr Geduld und Zeit lassen sollen. Das Laufen hatte so gar nicht meinen Vorstellungen von Laufen entsprochen. Das war wohl der Hauptgrund außer dem Respekt bzw. der Angst vor der langen Strecke, die mir auch andere in ihrer Vorstellungswelt einjagten. Schließlich hatte ich eine andere Form von Laufen von meinen 100-km-Wettkämpfen im Kopf.
Also reifte so langsam in mir der Gedanke, ob ich es nicht doch dies Jahr, halt mit weniger Training, noch einmal probieren sollte. Martin Schytil bestärkte mich in dem Gedanken, ich sei doch im Schwimmen und Radfahren gut drauf. Laufen könne er nicht beurteilen. Ein paar mal war ich RTF’s mit ihm gefahren, wo er sich nach mir richtete, mich nur an den Bergen abhängte. Christian Wurm hatte mich schon im Vorjahr ermuntert, er sehe in einem Triple keine Probleme. Er begnügt sich bei Ironmännern und langen Laufwettkämpfen mit letzten Plätzen.
Im Frühsommer lief ich meist um die 40 km pro Woche, selten unter einem 6min-Tempo. Zweimal hatte ich mein Wochenlauftraining auf 50 km gesteigert, merkte aber, das war die obere Grenze von seiten meiner Knie. Im Schwimmtraining, das ich locker gestaltete, kam ich mir langsamer vor als im Vorjahr. Wenn ich mal Zeiten mitnahm, kamen etwa 22 min pro km heraus. Dann dachte ich mir, ich könnte meine Form überprüfen. 3 Wochen vor Roth versuchte ich noch einen Platz zu ergattern. Da das nicht klappte, bin ich dort einfach geschwommen, die Radstrecke voll gefahren und etwa 34 km gelaufen. Insgesamt hätte ich wohl 121/4 Stunden gebraucht. Für die Radstrecke brauchte ich etwa 61/2 Stunden, für mich eine mäßige Zeit. Trotzdem dachte mir, na ja, es könnte klappen.
Anschließend meldete ich mich in Lensahn an. Ich erfuhr, das Kontingent sei voll, ich käme auf die Warteliste. Bald darauf kam ein Email, einer hätte sich abgemeldet, ich solle meine Startzusage abgeben. Christa hatte dies Wochenende schon etwas anderes vor. Ich schaute mich nach Betreuern um, anfangs erfolglos, bis mir ein alter Freund, Karlheinz Sensel, über den Weg lief. Er erklärte sich bereit, mich zu betreuen. Ich hatte bis dahin dies Jahr 85 km geschwommen, nur halb soviel wie im Vorjahr, und 4000 km Rad in den Beinen, 1000 km weniger als zuvor.
Wir fuhren am Vortag hin. Viele von den alten Bekannte waren da und ein paar Neue. Wir zelteten wie im Vorjahr auf der Wiese am Sportplatz neben der Laufstrecke. 34 Teilnehmer waren gemeldet, die alle bis auf einen da waren, dabei nur eine Frau, die bekannte Astrid Benöhr. Das Wetter war auch besser als im Vorjahr.
Am Vorabend war die Präsentation der Wettkämpfer in der Halle. Ich schnorrte wieder ein paar Zigaretten bei Peter Eggenberger, dem Vater von Christoph Eggenberger, einer der Favoriten.
Schwimmen: Morgens um 7 Uhr war der Schwimmstart im beheizten 50m-Becken. Wir waren 6 in meiner Bahn. 3 schwammen mir sofort davon, 2 folgten etwa 2 km in meinem Sog. Dann war ich allein, wurde ab und zu überholt, versuchte mich anzuhängen, ließ es aber wieder bald, oder überholte die Langsameren. Alle 1 km hielt ich an, trank und aß etwas. Das Schwimmen dauerte lange, war langweilig. Ich schwamm nicht sehr angestrengt und kam mir ziemlich langsam vor. Aber wenn ich Zwischenzeiten hörte, war ich doch nicht so schlecht, vielleicht sogar besser als vorher. In 4.05 kam ich aus dem Wasser – also ganz gut.. Ich sah Astrid kurz vor mir herauslaufen. Ich zog mich um und schwang mich auf’s Fahrrad.
Radfahren: Ich sah Astrid ein paar hundert Meter vor mir herfahren und sich langsam entfernen. Ich dachte mir, nur ruhig Blut Die Radstrecke ist eine knapp 12 km lange wellige Wendepunktstrecke, die 46 mal zu durchfahren war. Bald stellten sich ein Bauchdrücken und Halsschmerzen ein, offenbar als Folge des Schwimmens. Also fuhr ich sehr verhalten weiter, um abzuwarten, wie sich das entwickeln würde. Vielleicht nach 50 km spürte ich einen Schmerz innen in der Unterlippe und transportierte das Viech, wahrscheinlich eine Wespe, so schnell wie möglich aus dem Mund heraus. Die Lippe schwoll dick an. An der Wende wurde mir Salbe und Eis angeboten. Ich fuhr noch verhaltener um zu sehen, was sich wiederum daraus entwickeln würde. Langsam ging die Schwellung zurück, ohne daß ich mich beeinträchtigt fühlte.
Beim Wendepunkt am Festplatz stand Karl-Heinz und verpflegte mich, bei jeder Radwende eine Flasche und etwas zu essen. Am besten schmeckten mir Wurstebrote, dazu Bananen, Schokoladeriegel und Kekse, zum Trinken Apfelsaftschorle, Tee, Elektrolytgetränke und manchmal Kaffee und Bouillon. Er hatte sich mit Julia, der Freundin von Martin und Peter Eggenberger in einem Stand zusammen getan.
Nach vielleicht 100 km fühlte ich mich recht gut und trat etwas mehr in die Pedale, nahm die Steigungen teils in größeren Gängen, manchmal sogar im Stehen. Dann begleitete ich wieder andere und unterhielt mich, wie das andere auch taten, zu zweit oder in kleineren Gruppen zusammen fuhren, nicht im Sinne eines Windschattenfahrens. Zweimal 1 Runde begleitete ich Karl-Heinz Jost, ein 64 jähriger, der Lensahn schon 4 mal absolviert hatte und früher als Weltrekordler der 60 jährigen in den Medien gefeiert wurde. Er sagte mir, er stände im Guinessbuch der Rekorde. In meinen Augen fuhr er nicht schlecht und ich fragte mich, warum er immer so lange brauchte beim Radfahren, wohl wegen längerer Pausen. Er erklärte, diese benötige er. Leider waren die Kanalschwimmerinnen vom Vorjahr nicht da, mit denen es ganz unterhaltsam gewesen war.
In der Nacht zog ich etwas über, brachte Lampen an. Die meisten fuhren im Scheinwerfer von Begleitfahrzeugen. Manchmal fuhr ich mit, ansonsten alleine. Ich hielt die Begleitung nicht für erforderlich. Bei den Wendepunkten an der Verpflegung fand meist die Trennung statt. Ich fühlte mich immer besser drauf. Als ich mit 2 schnellen Leuten fuhr, sausten wir bergab an Astrid vorbei, die eine Runde vor mir war. Ich hatte wieder ganz schön aufgeholt. Etwas später schloß ich wieder zu ihr auf, wollte mich unterhalten, aber sie meinte, sie müsse sich konzentrieren, ich solle mich nach vorne verabschieden.
Dann kam es mir doch etwas mulmig vor, ob ich nicht überzocken würde. Schließlich war ich im Vorjahr langsamer geworden, 7, 8 und 9 Stunden pro 180km-Split, hatte das Gefühle, zwischendurch überzockt zu haben, und hatte zum Laufstart knallharte Beine. Aber bei jedem Pinkeln, und das musste ich gegen Ende mindestens in jeder Runde, fühlten sich die Beine ganz gut an. Ich konnte die paar Schritte zu den Büschen gut gehen, so daß ich dachte, ich kann so weiter fahren. Ich kam nach 21.44 Radfahren, insgesamt 25.49 im Radziel an, etwa eine ¾ Runde hinter Astrid und Martin. Das war für mich eine Superzeit, 21/4 Stunde schneller als im Vorjahr, wobei ich noch annehme, daß ich damals mindestens eine Runde zuviel gefahren bin. Soviel langsamer war ich mir damals nicht vorgekommen. Ich war vom 22. Platz nach dem Schwimmen auf den 13. Platz vorgefahren, insgesamt die 13.beste Radzeit.
Laufen: Ich konnte ganz gut laufen und ging den Lauf nach dem Wechsel locker an. Nach ein paar Runden merkte ich, auch das war noch zu schnell. Ich wurde härter, und lief langsamer weiter. Langsam stieg die Sonne höher und es wurde immer wärmer. An der 1,3 km-Strecke waren an drei Stellen Wannen mit Schwämmen aufgebaut. Und das benötigte ich, Schwamm über die Mütze, über das Gesicht und den Hals, trotzdem fühlt ich mich immer schwächer. Ich war so enttäuscht. Zu Beginn des Laufens waren meine Fantasien in die Lüfte geschwungen. Ich hatte schon von einer Superzeit geträumt. Wenn ich zwischen 18 und 20 Stunden laufen würde, käme ich auf eine Zeit zwischen 44 und 46 Stunden. Ich spürte Blasenbeschwerden an den Füßen. Ich versuchte es mit Vaseline, Socken und Wechsel der Laufschuhe. Dazu kamen wie im Vorjahr links Spreizfußbeschwerden. Naja, es ging so. Schlimmer waren die Befürchtungen, daß es viel schlimmer und zu einer Quälerei ausarten würde. Sowas über einen längeren Zeitraum hasse ich.Die Hitze machte mir zu schaffen. Ich fing teilweise an zu gehen, vor allem den Bergabteil. Das war doch angenehmer. Am Nachmittag kündigten sich von Westen dunkle Wolken an. Ich hoffte auf einen erlösenden Regen, sah aber bald, daß die Wolken überwiegend vorbeiziehen würden. Ein bisschen wurde die Straße doch nass.
Gegen Ende des ersten Marathon fühlte ich mich so schwach, daß ich mich erst mal hinlegte, die Beine hoch, und von Aufgeben redete. Vor allem Julia redete auf mich ein, ich würde es bereuen wie im letzten Jahr, ich läge doch noch gut. Das vergegenwärtigte ich mir auch, so stand ich langsam wieder auf und machte weiter. Allmählich ging es wieder. Im Nachinein würde ich sagen, ich hatte einen Hungerast, obwohl ich ständig gegessen hatte. Bei dieser Pause hatte ich, wie ich später auf der Liste mit den Zwischenzeiten sah, für 1,3 km gut 11/2 Stunden gebraucht. Dazu brauchte ich noch sechsmal eine halbe Stunde für eine Runde. Die Runde gehend dauerte etwa gut 15 min. In der Nacht fühlte ich mich wieder besser und lief langsam, aber kontinuierlich weiter. Karlheinz begleitete mich lange, ohne jegliches Training mindestens 50 km, meist in einem Powerwalkingschritt, erstaunlich gut für einen 65 jährigen. Ich versuchte dies auch zur Abwechslung, konnte aber nicht mithalten. Laufen ging besser. Auf Zeiten hatte ich schon lange nicht mehr geachtet. Zwischendurch sah ich, wie der bis dahin deutlich Führende sich am gegenüberliegenden Stand in eine Wasserbütt setzte und von mehreren Leuten herausgehoben werden mußte gegen Ende seines 2. Marathons. Später erfuhr ich, daß er ins Sanizelt getragen und an den Tropf gehängt wurde und aufgegeben hätte. Später sah ich ihn den Rest in Sandalen wandern. Er wurde noch 4.
In der Nacht kam von Osten ein Wetterleuchten auf, zum Glück ohne Regen. Gegen Morgen setzte ich mich zu einem Raucher, dem älteren Bruder von Ole Bujk, der erzählte, er hätte schon mal einen Doppelten gemacht. Aber Ultras sei nichts für ihn. Ich qualmte eine mit und machte mich weiter. Etwa 10 Runden vor Schluß rechnete ich mir plötzlich aus, ich könnte es noch unter 50 Stunden schaffen, oder wenn ich mich beeile, vielleicht noch unter 49. Mein Ehrgeiz erwachte wieder, und ich drehte schnellere Runden. Das war aber schnell vorbei. Am schönsten war die letzte Runde, die umgekehrt gelaufen wurde. Die noch im Rennen Befindlichen klatschten ab und gratulierten, ein richtiger Triumphlauf. Jeder bekam eine Deutschlandfahne in die Hand, ich leider nicht, weil die einzige der kurz vor mir ins Ziel Laufende trug. Ich bekam sie erst kurz vor dem Ziel in die Hand. Überglücklich kam ich im Ziel an in 49.26 Stunden, auf dem 15. Platz. 6 hatten aufgesteckt. Ich spazierte noch etwas herum und legte mich dann zum Schlafen vor mein Zelt, drinnen war es zu warm, in den Schatten.
Als ich nach wenigen Stunden von der Sonne aufwachte, stand plötzlich mein Bruder Ludwig neben mir. Er hatte auf der Rückfahrt von einem Segeltörn das Schild Lensahn gesehen, sich erinnert, daß ich dort einen Ultra machen wollte, und erfuhr, daß ich schon im Ziel angekommen war. Den Rest des Tages bis zur Siegerehrung am Abend konnte ich nicht mehr schlafen. Eine Altersklassenwertung fand nicht statt. Am Abend gingen wir noch essen mit unserer Klicke, Martin, Christoph, Beat und ich samt Begleitung.. Und dann ging’s ab zum Ausschlafen. Nach einer leider doch nicht langen Nacht ging erst am nächsten Morgen das Geratsche mit den Wettkämpfern und Begleitern richtig los. Danach setzten wir uns ins Auto und fuhren heim. Erst nachdem ich Karlheinz in Bonames abgesetzt hatte, wurde ich bis nach Hause richtig müde. Zu Hause war schon die Party am Gange. Das wurde noch einmal anstrengend durchzustehen.
Kurz einen Seitenblick auf meine Konkurrenten, mit denen ich mich ein bißchen vergleiche. Martin war nur 2 min schneller als ich auf dem Rad, Astrid 19 min. Anscheinend hatte mir der lockere Beginn Power gegeben. Im Ziel war Astrid gut 7 Stunden und Martin 4.40 schneller als ich. Das hätte vor 10 bis 15 Jahren noch ganz anders ausgesehen! Sie konnten schneller und kontinuierlicher laufen. Mein Lauftraining war halt zu wenig .Die beiden knapp über 50 jährigen Iro Herrmann und Uwe Fiebig, 2 erfahrene Ultras, waren noch nach dem ersten 180 km-Radsplit vor mir, im Radziel Iro fast 4 Stunden und Uwe 5 Stunden hinter mir. Iro überholte mich nach dem 2. Marathon, ohne daß ich es merkte, war dann eine gute ¼ Stunde vor mir und Uwe 2.21 Stunden hinter mir. Karl-Heinz Jost gab beim Laufen erstmalig auf und meinte, er wäre an seine Grenzen gekommen. Ich entgegnete, knapp 1000 km Radtraining seien zu wenig, im nächsten Jahr sei er doch Rentner und hätte genügend Zeit, Rad zu trainieren. Seine Prioritäten liegen auch mehr bei Wüstenläufen. Beat Knechtle, der Sieger vor 2 Jahren, war schlecht drauf, ging fast nur und legte sich zwischendurch 8 Stunden schlafen. Überhaupt schilderten manche, in der 2. Nacht hätten sie Sternchen gesehen und sich hinlegen müssen. Meine Halluzination war, daß ich ständig meinte, der Knoten im Zopf von Karlheinz sei ein Läufer, und guckte mich nach dem vermeintlichen Begleiter um. Ansonsten wurde ich nicht müde.
Natürlich frage ich mich ab und zu, was ist eigentlich meine Motivation für derartig lange Strecken. Sind es etwa Minderwertigkeitskomplexe, will ich mir oder anderen etwas beweisen, meine oder überhaupt die menschlichen Leistungsgrenzen austesten? Für jemanden, der einen Marathon oder einen Ironman auf den letzten Drücker bewältigt oder für den diese das höchste Ziel sind, ist das Doppelte oder gar das Dreifache unvorstellbar, Quälerei pur hoch drei. Vorletztes und letztes Jahr wollte ich innerhalb meiner Grenzen richtig gut sein. Dafür hatte ich trainiert. Letztes Jahr hatte ichbeim Laufen fortwährend Beschwerden, musste aussetzen und habe trotzdem noch läuferisch fast das Doppelte trainiert. Heraus kam dabei weniger als dies Jahr, obwohl ich in den letzten beiden Jahren auf Ironman-Distanz deutlich schneller gewesen wäre.
Früher habe ich einfach ausprobiert, zuerst Marathon, das erste mal 77, dann 100 km, zuerst 80 und war vorübergehend der Beste des Vereines Spiridon Frankfurt, 84 und 86 in Deutschland in den Jahreswertungen 13. und 17. in allen Altersklassen. 85 probierte ich erstmalig Ironman-Distanzen aus und war 88 in der AK45 bei weitem bester Deutscher in Roth. Danach ging es leistungsmäßig bergab, und noch längere Strecken hatte ich eigentlich ad acta gelegt. 98 brachte mich Martin Schytil mit seinen zuversichtlichen Einstellungen und Unternehmungen wieder auf die Idee, es noch einmal zu probieren. 99 in Litauen war auch ein vielversprechender Start trotz großer Probleme beim Laufen in den letzten 30 km. Astrid Benöhr hatte mir dabei den Floh ins Ohr gesetzt, mit 60 Karl-Heinz zu unterbieten. Auch Martin hatte 98 berichtet, der 60 jährige hätte mehr Medieninteresse gefunden als der Sieger. Naja, darum geht es mir nicht allzu sehr,
Die Bewältigung solcher Strecken ist also mehr eine Frage der Einstellung, es einfach auszuprobieren, nach Fehlversuchen sich nicht allzu sehr entmutigen zu lassen oder gar das Gefühl zu haben, versagt zu haben. Dies Jahr habe ich mir gezeigt, es geht eigentlich auch ohne solide Vorbereitung, solange ich mir nicht allzu viel vornehme. Einfach locker durchmachen! Bis auf ein vorzeitiges Beenden oder bei entsprechender Motivation und Durchhaltewillen, den ich nicht allzu sehr habe - etwa der Versagensangst oder der Vorstellung „wer einmal aufgibt, gibt immer auf“ - ein lange Quälerei kann eigentlich nicht viel passieren. Karl-Heinz Jost hat als selbsternannter Weltrekordler der AK 60 – es gibt in den Ultras selten Alterswertungen - 56 und 57 Stunden gebraucht. Als 59 jähriger war ich dies Jahr ca. 7 Stunden darunter, also beste Aussichten für die Zukunft, wenn mich nicht allzu sehr der Leistungsehrgeiz packt, ich dann überzocke und auf der Schnautze liege. Z.Zt. habe ich jedenfalls Kniebeschwerden und pausiere, weil ich im Urlaub in den Dolomiten mit wenig Lauftraining1 mal 13/4 Stunden bergauf und bergab gelaufen bin. Während des Laufes hatte ich mir schon überlegt, ob ich nicht doch noch beim Frankfurt-Marathon starte. Übermut tut selten gut.So etwas verträgt mein rechtes Knie nicht, während Radfahren dem Knie richtig gut tut.
Bernd Holstiege, November 01
Lensahn Triple 2002
Im Winter kurz vor Silvester hatte ich mir beim Joggen im Hintertaunus den rechten Außenknöchel gebrochen, als ich bei Neuschnee auf einer Eisplatte unglücklich verdreht stürzte. Eine Platte wurde hineingesetzt. Ich mußte 8 Wochen an Krücken herum laufen. Die Muskulatur am rechten Bein hatte sich sehr zurück gebildet. Die Wade ist nach 2 Jahren immer noch gegenüber links deutlich verkürzt. Im März war ich mit den Blaugelbern zum Radtraining in Sardinien. Das Radfahren ging schon wieder ganz gut, und langsam konnte ich trotz Platte wieder mit dem Laufen anfangen. Allmählich ging es immer besser. Natürlich machte sich der Knöchel bemerkbar. An sich hatte ich Lensahn schon abgeschrieben. Aber kurz vorher juckte es mich doch, obwohl ich mir dachte, daß es eigentlich keinen Sinn hat. Mein Bruder Ludwig wollte diesmal dabei sein, und ich fuhr mit Karl-Heinz hinauf.
Das Schwimmen 11,4 km wie üblich im Schwimmbad lief glatt, wenn auch mit 4.24 etwas langsam. Auf dem Rad brauchte ich für die 540 km 23 Stunden, 11/4 Stunde langsamer als im Vorjahr, aber noch ganz gut. Beim Laufen bekam ich kurz vor Marathon wie üblich Probleme und, als dann noch der Knöchel anfing zu schmerzen, hatte ich keinen Bock mehr und hörte bei 39 km kurz entschlossen auf. Es war ja auch so genug.
Beim Ironman in Frankfurt ein paar Wochen später schmerzte auch bei 12 km der Knöchel, ich war vorübergehend völlig fertig, doch der Schmerz verging wieder, wenn ich auch mit 14.24 grottenschlecht war. Also dachte ich im nachhinein, ich hätte weiter probieren können. Also Vertagung aufs nächste Jahr.
Bericht zum Double in Neulengbach, Österreich
Eigentlich hatte ich mir nur den Triple in Lensahn vorgenommen, verfolgte aber im Internet den Meldestand in Neulengbach, kurz vor Wien. Dieser Veranstalter hatte im Vorjahr erstmalig einen Double veranstaltet, vorher jährlich Triple, wo ich vor drei Jahren auch in St.Pölten gestartet war, aber am Anfang des Laufens aufgehört hatte. Vielleicht könnte ich es dort doch einmal probieren. Als es hieß, nur noch ein Platz, habe ich mich gemeldet. Gleich stellten sich wieder Kniebeschwerden ein. Bis zum Wettkampf hatte ich etwa 200 Kilometer monatlich gelaufen, Januar 300, im Schnitt etwa 15 Kilometer monatlich geschwommen und insgesamt knapp 3000 Kilometer Radfahren trainiert. Längere Strecken war ich kaum gelaufen, meist um die zehn Kilometer. Wechselweise taten die Knie und der Knöchel weh, so daß ich recht unlustig mit Christa hin fuhr. Immerhin hatte ich nicht wie sonst Streß und blieb ganz gelassen. Dem Radfahren am Sonntag zog ich öfter Motorradausfahrten mit den Onetwentyfive vor. Ich hatte keine Lust mehr, mich am Sonntag anzustrengen.
Trotz angeblichen Listenschluß waren viel mehr Teilnehmer gemeldet, und es starteten 43. Am Montag vorher hatte ich einmal meinen Neopren in Höchst ausprobiert und ein Kilometer locker geschwommen, dabei die Zeit mitgenommen, gut zwanzig Minuten. Danach rechnete ich mir etwa 2.45 aus. Leider konnte ich es nicht lassen, am Vorabend wieder Bier zu trinken, so daß ich beim Schwimmen wie so oft eine Krampfneigung bekam. Der Start war am Freitag morgens um 8:00. Ich kam mit 2.44 als 36. aus dem Wasser. Die Radstrecke war ein Wendepunktkurs von 16 Kilometer, der 22mal zu durchfahren war. Die Landschaft am Rande des Wiener Waldes war recht romantisch, jedoch der Verkehr bis zum Abend recht groß. Später hörte ich, daß auf der Autobahn ein Unfall war, und der Verkehr zum Teil über unsere Strecke umgeleitet wurde. Manchmal erschien es mir richtig gefährlich. Einmal sah ich mich schon stürzen, als zwei Autos in einer Kurve plötzlich vor mir bremsten, ich auf dem Aerolenker liegend nicht so schnell an die Bremsen kam, und erst im letzten Moment ausweichen konnte. Bei 185 ereilte mich der Plattenteufel. Vor allem in der Nacht wurden viele Radfahrer von Autos begleitet, ich nicht, manchmal konnte ich kaum etwas sehen. Das Radfahrer fand ich stinklangweilig und schwor mir, das war das letzte Mal und Lensahn zustreichen. Warum sollte ich mir das in meinem Alter noch einmal antun! Selten fuhr ich mit anderen zusammen, so daß ich mich etwas unterhalten konnte. Bei jeder Runde reichte mir Christa Essen und Getränke. Der Kalorien- und Flüssigkeitsbedarf ist ein ungeheurer. Am besten schmeckte mir Wurstebrot. Nach gut 14 Stunden, etwa nachts um 1, kam ich im Radziel an.
Ich startete gleich zum Laufen. Die Oberschenkel waren etwas hart, so daß ich im Laufstil ausprobierte, hinten aufzukommen und vorne ab abzustoßen, so daß mehr die Waden belastet wurden, die Oberschenkel entspannter waren. Bald ging es ganz gut und ich nahm mir vor, bei den ersten Anzeichen von Verhärtung eine Pause einzulegen und /oder zugehen. Dies war bei gut zwanzig Kilometer der Fall. So machte ich etwa alle zehn Kilometer Pausen von 5 bis 10 Minuten, nach denen ich erst langsam anlaufen konnte und die letzten dreißig Kilometer lief ich durch, um noch unter dreißig Stunden zukommen. Ab dem frühen Morgen war es doch sehr heiß geworden. Fünf Kilometer vor Schluß rechne ich der ich mir aus, noch unter 29 Stunden bleiben zu können, dann wieder nicht, und kam doch in 28.58 gegen 1:00 ins Ziel. Ich war 22. unter 40 Finishern, für mich ein hervorragender Platz und eine hervorragende Zeit, nur vier Minuten langsamer als vor vier Jahren in Litauen.
Dies war ein kurzer Bericht von meinen Wettkampf. Zwischendurch bekam ich natürlich einiges vom Geschehen anderer Wettkämpfer mit. Martin Schytil war auf dem Rad von Guy Rossi überholt worden, seinem Hauptkonkurrenten im Worldcup und etwa zehn Jahre älter, von dem einen er glaubte, ihn auch mit wenig Training in der Tasche zu haben. Eine hübsche Schweizerin, die anfangs sehr gut lief, hatte unterwegs Magenkrämpfen, erhielt Infusionen und lief anschließend mit der Infusionsnadel in der Hand weiter. Einer, der ziemlich weit vorne lag, bekam nach zehn Kilometer Laufen eine Riesenblase, so daß er den Rest ging und noch hinter mir war. Der Sieger, ein Österreicher brauchte 20.44, Astrid Benöhr wurde 7. in 24.26, Martin Schytil 16. in 26.27 und der älteste Teilnehmer Karl-Heinz Jost, 66 Jahre alt und in den Vorjahren stark von den Medien gefeiert, wurde in 32.49 34. Vier Frauen waren dabei, die zwei Erwähnten und eine Puertorikanerin und eine recht füllige Amerikanerin. Diese beiden waren ständig lustig. Es waren einige ältere Teilnehmer über 50 dabei, insgesamt 8, davon zwei über 60 . Der Veranstalter hatte Glück, er hatte 40 Stunden als Limit anberaumt und der Letzte kam in 35.22 ins Ziel. Am Sonntag am Ende der Siegerehrung, in der es leider keine Altersklassenwertung gab, kam der Platzregen runter. Leider hatte ich mir an den Zehen lauter Blasen zu zugezogen, unter denen ich jetzt noch leide. Meinen Muskeln geht es ganz gut. Und meinen Schwur folgte wenige Stunden danach eine Sinnesänderung. Ich habe mir überlegt, daß es wichtig ist, auf der Radstrecke nicht alleine zufahren, um Unterhaltung zu haben. Mit ein bisschen Schwätzen vergeht die Zeit eher im Flug. Ich will Ute bitten, die ja auch nach Lensahn mitkommen will, um die Ultraatmosphäre zu schnuppern, mich auf dem Rad zu begleiten.
Frankfurt, den 4.6. 0 3 Bernd
Fehlversuch Triple Lensahn 03
Mein Saisonziel war dieses Jahr der Triple in Lensahn (Triathlon Ostseeküste), einer Kleinstadt nördlich von Lübeck. Nachdem ich den Double in Neulengbach mit in meinen Augen eigentlich unzureichendem Training ganz gut in knapp 29 Stunden geschafft hatte, stellte ich mir vor, noch einmal 141/2 Stunden ergäben auf einem Triple 431/2. Dann hätte ich noch gut 6 Stunden Zeit, um unter 50 Stunden wie vor 2 Jahren zu bleiben. Das stimmte mich hoffnungsfroh. Ganz in den Kram paßte mir der Ironman in Frankfurt nicht, weil mir die Regeneration zum Triple, 12 Tage danach, doch etwas kurz erschien. Aber ich wollte unbedingt das Frankfurter Heimspiel und vorjährige Erlebnis wiederholen. Naja, dacht ich mir, dann machst du halt das Laufen, das am meisten reinhaut,lockerer.
Nach einer Woche Pause wegen meiner wunden Zehen und zur Regeneration fing ich nach Neulengbach wieder an zu trainieren, 4 Wochenlang gut 40 km wöchentlich Laufen, Rad 1 Woche ca. 200km, 2 Wochen ca. 350km und noch mal 200 km, daneben 5-6km Schwimmen, danach 1 Woche Pause vor dem Ironman.
Beim Ironman lief das Schwimmen mäßig, 1.30, und auf dem Rad hatte ich keinen Saft und keine Kraft, brauchte 7 Stunden und nach dem beabsichtigten lockeren Laufen in 61/4 war ich ganz schön fertig – fast 15 Stunden und ein hervorragender 1. Platz in der Altersklasse 60 - von hinten! Aber sonst hat mir die Athmosphäre, die Begeisterung an der Strecke, das Wetter, die netten Dörfer, das Laufen am Wasser und die Hochhauskulisse wieder gut gefallen. Nach diesem Ergebnis schien meine Form also nicht so gut zu sein. Mein Ziel unter 50 Stunden könnte ich mir wohl abschminken. Meine einzige Hoffnung war, wenn ich verhalten vor allem auf dem Rad anfange, kann ich ganz gut gleichmäßig durchziehen. Auf dem Rad war mir dies eine paar mal gelungen, während ich meist beim Laufen Probleme hatte.
Wenige Tage vor Lensahn wurde ich angerufen, ob wir Eileen mitnehmen könnten, die füllige Amerikanerin, die ich von Neulengbach her kannte, da sie in Frankfurt landen würde und ihr Sponsor sie in Stich gelassen hätte. Also holte ich sie am Flughafen ab, wir fuhren mit einem zusätzlichen Wagen und Betreuer, Karlheinz, am Mittwoch nach Norden. An sich wollten anfänglich nur Christa und ich hin. Eileen schlief meist bei mir im Auto, gezeichnet vom Jetlag. Am Donnerstag erfüllte sich Christa noch ihren langjährigen Traum - einen Strandkorb, einige haben ihn schon bewundert in unserm Garten - wir genossen den Hafen von Neustadt/Holstein und wanderten kurz am Ostseestrand.
Am Vorabend fand die Vorstellung der Teilnehmer statt. Einige kannte ich schon von mehreren Wettkämpfen in der Ultraszene wie Heiko Stockloßa, Andreas Berends, Rene Gose, Guy Rossi, Lukrecija Blattmann, Andreas Klein, Georg Kunzfeld, Beat Knechtle und vor allem Astrid und Iro. Einige waren neu, insgesamt 42 Starter. Martin kam natürlich im allerletzten Moment. Wie immer schmeckte das Bier besonders gut.
Das Schwimmen am Morgen um 7 ging einigermaßen glatt, sogar der Neo blieb oben zu, bis auf meine dämliche Krampfneigung, die mich inzwischen bei allen längeren Schwimmstrecken, auch beim Ironman, verfolgt - nicht allzu schnell, 4.18, 36. Platz von 42 Startern.
Dann saß ich auf dem Rad auf der unendlich langen Radstrecke, 46 mal hin und her. Es geht immer leicht auf und ab, also nicht völlig flach. Ab und zu gab es Unterhaltung. Iro erzählte mir gegen Morgen freimütig von seinen Problemen mit Astrid. 2 mal ließ ich mich von Christa massieren. Das 1. Mal, da taten die Oberschenkel weh, ein einfaches Herabstreichen auf der Oberschenkelinnenmuskulatur. Es tat richtig gut. Das 2. Mal war wohl nicht so nötig, eher ein Päuschen. Am Morgen bollerte es im Bauch, so daß ich keine säurehaltigen Getränke mehr mochte und das viele Essen mir eher zu den Ohren herauskam. Jedenfalls kam ich nach 221/2 Stunden, einschließlich Umziehen und kleinen Pausen, Radeln ganz gut im Ziel an und war auf den 27. Platz vorgefahren - gar nicht so schlecht für meine Verhältnisse.
Ein kleines Erlebnis nebenher. Astrid hatte mich überholt und lag etwa 200 m vor mir, als ein Riesentrecker mich überholte, war schon 50 m weg, als ich auf die Idee kam, etwas Windschatten zu fahren, ihn kurz einholte und locker hinterher fuhr, an den Steigungen etwas reintreten mußte. Bald ging es langsamer, weil der Trecker mit mir im Schlepptau so schnell nicht an Astrid vorbei kam. Dann sausten wir an ihr vorbei, ich rief ihr zu „komm mit...“, was sie nicht tat. Bald bog er jedoch leider in ein Feld ab, ich fuhr aber erholt und aufgebaut weiter.
Nach 10 min Umziehen, etwas Essen und Trinken startete ich zum Laufen auf einer 1,3 km Runde, 96 mal zu durchlaufen. Ich merkte, das Essen war etwas wenig, aber ich dachte, ich habe dazu noch so viel Zeit und Gelegenheit. Es ging über den Festplatz, etwas durch Wohngebiet bergauf, an der Schule, dem Sportplatz und den Zelten mit meinem Versorgungstisch und neben der Straße zum Schwimmbad bergab wieder zum Festplatz. Dort wurde jede Runde beim Lauf über Matten wie beim Radfahren gezählt. Ich lief langsam und locker los. Die Muskeln taten gar nicht weh, und ich dachte „das kann ich lange laufen!“ In der 3. Runde kam mir das Laufen so anstrengend vor und nach 4 Runden fühlte ich mich recht fertig. Erstmal aß und trank ich, lief die nächste Runde und setzte mich wieder hin.
Jetzt fühlte ich mich völlig fertig, leer und ausgebrannt wie bei einem Hungerast. Und es wurde in der nächsten Zeit auch nicht besser. Einen derartigen langanhaltenden Zustand kannte ich nicht von mir. Ich war sauer und enttäuscht, hatte gar keine Lust mehr. Mein Ziel unter 50 Stunden war unerreichbar. Nach vielleicht 2 Stunden legte ich mich ins Zelt um zu schlafen, bald drückte der Darm und ich mußte rennen, um aufs Kloh zu kommen. Es reichte nicht mehr. Aber ich stellte fest, eigentlich konnte ich wieder laufen, hatte aber trotzdem keine Lust mehr. Meine Ambivalenz zu derartigen langen Strecken, einerseits reizt es mich, andererseits habe ich Angst davor und sage mir, wofür soll ich es mir noch zumuten, überwog zur negativen Seite.
Nach knapp 4 Stunden ließ ich mich überreden, es noch einmal zu probieren, wanderte 8 Runden mit der Option, später wieder zu laufen, und dann hatte ich die Schnautze endgültig voll, fühlte mich wieder ziemlich fertig. Bald gab ich meine Startnummer und den Chip ab. Ich hatte wie im Vorjahr als 1. aufgesteckt. Naja, dachte ich mir, nicht allzu enttäuscht, es muß ja nicht sein, war einen Versuch wert.
Martin fühlte sich vom Double in Canada 1 Woche zuvor noch nicht erholt und machte beim Laufen nach langer Pause in 54.12 durch. Es reichte, um weiter im Worldcup zu führen. Eileen fuhr auf dem Rad wie im Tran bzw. hörte Musik und nach etwa 75 km Laufen bzw. Gehen hatte sie solche Rückenschmerzen, daß sie nicht mal mehr gehen konnte und auch aufhörte. Nach der Rückfahrt in Frankfurt erkundigte ich mich nach ihrem Training, anscheinend vor Neulengbach herzlich wenig und danach gar nichts mehr, weil sie wegen einer Ausbildung keine Zeit hatte. Für unsereins oder andere Blaugelber ist eine solche Einstellung unvorstellbar. Sie hat trotzdem lange durchgehalten und das bei diesem Gewicht. Sie war so begeistert, daß sie nächstes Jahr wieder kommen will. Die Amis sind halt oft so überschwenglich.
Der Österreicher Louis Wildpanner stellte mit 32.47 etwa um 1 Stunde eine neue Weltbestzeit auf und auch der 2., der Franzose Emanuel Conraux, blieb mit 32.03 weit unter der alten. Astrid Benöhr wurde in 39.49 10. und 1. Frau. Lukrecja verbesserte sich erheblich und kam in 48.48 auf dem 24. Platz und als 2. Frau ins Ziel. Georg Kunzfeld machte im letzten 1/2Marathon einen regelrechten Sturmlauf, überholte noch Astrid und wurde in 39.339. Rene Gose verbesserte sich auch erheblich und erreichte das Ziel als 12. in 41.49. Iro quälte sich in 55.42 ins Ziel, eine regelrechte Trauerweide.
Ich frage mich, wieso ich stoffwechselmäßig so zusammengebrochen bin. Lag es an zuviel langen Wettkämpfen? – wahrscheinlich. Ist das in meinem Alter nicht mehr verkraftbar? Die beiden anderen 60er, Karlheinz und der Brite Arthur Puckrin, die bisher einen Triple absolvierten, hatten sich während des Wettkampfes lange Pausen gegönnt. Ich habe eine Schwäche vorher und zwischendurch nicht so gespürt. Früher bei einem Hungerast, wenn ich aß und trank, war ich nach ein paar Minuten wieder fit. Wahrscheinlich habe ich nach Neulengbach zuviel trainiert, zuviel Radfahren. Vielleicht hatte ich auch nur einfach einen schlechten Tag, ungünstig im Biorhytmus. Christa meinte, mein Magen hätte wohl nicht mehr die Kalorien aufgenommen. Ich hatte zwischendurch daran gedacht, mir Infusionen geben zu lassen, aber auch dazu hatte ich keine Lust. Jedenfalls, wenn ich wieder so was mache, begnüge ich mich mit weniger Training. Eileen ist ein gutes, wenn auch ein Extrembeispiel.
Ach ja, der 66 jährige Karlheinz Jost, der 6 mal teilgenommen hatte und die Weltbestzeit mit über 56 Stunden in der Altersklasse 60 und 65 hält und blutenden Herzens daneben stand, meinte, ich hätte ja noch sooo viele Jahre Zeit! Meist verbringt er seine Zeit bei Extremläufen. Er will wieder bei einem Triple in USA und wohl nächstes Jahr wieder in Lensahn starten.
Frankfurt, den 16.9.03 Bernd
Lensahn 05
Nachdem ich Moritzburg, meine 20. Ironmandistanz, mehr schlecht als recht geschafft hatte, faßte ich wieder Lensahn ins Auge. Ich schaffte bis dahin 3600 Radkilometer, Laufen zuletzt nur 30 km pro Woche. Christa und mein Bruder Ludwig, er weilte in Chile, hatten keine Zeit. Also fuhr ich wieder mit Karlheinz hin.
Bei 6 Leuten in der Schwimmbahn war ich bald Letzter und konnte nach einiger Zeit im Sog hinter Zweien herschwimmen. Die anderen Drei schwammen weit voraus. Das ging ganz locker, vielleicht 1/3 der Strecke. Dann gingen die beiden ein, Andreas konnte nicht mal mehr mir folgen, und der andere schwamm später hinter mir her. Wie meist bei längeren Schwimmstrecken hatte ich eine Krampfneigung, aber es ging so. Nur das Abstoßen war behindert. Ich kam in 4.11 aus dem Wasser und war hochzufrieden. In Moritzburg war ich 1.40 geschwommen auf 3,8km und jetzt im Schnitt auf der dreifachen Distanz 1.23.
Auf dem Rad fuhr ich locker, später zügiger, begleitete langsamere, aber in der Nacht kam der Regen. Ich war schon zufrieden, daß ich die ersten 180 km in 7 Stunden gefahren war. Zwischendurch wartete ich einen Wolkenbruch unter dem Partyzelt ab, aber da fühlte ich mich schon ziemlich erschöpft. Ab ca. 300 km schmerzten die Oberschenkel und am liebsten hätte ich mich länger ausgeruht. Bei 350 erklärte Martin, mit dem ich das Zelt teilte, er höre mit Rücksicht auf seine Achillessehne und wegen Panevezys lieber auf. Ich hatte auch keine Lust mehr. Und als dann während der Pause der 2. Wolkenbruch herunter kam, beschloß ich auch aufzuhören.
Während des Tages hatte ich kurz vor dem Wendepunkt schwarze Seidenhühner gesehen. Auf die war ich scharf. Bei der Rückfahrt nahmen wir ein ein paar mit, eine ausgewachsene schwarze Henne, 3 Küken und einen weißen Hahn mit blauem Gesicht, wohl ein sonst unverkäuflicher Cretin, das Stück 20€ - teure Hühner. So brachte ich wenigstens etwas mit. Auch war ich mit dem Schwimmen und den ersten 180 km ganz zufrieden. Ich war wohl in anbetracht meines Trainings zu schnell gefahren. In früheren Versuchen hatte ich das Radfahren ganz gut durchgestanden.
hier unser rötlicher Seidenhahn