Weltexpress
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27. Juli 10 , 13:29
Psychotraumatisierung - Die dritte Person und innere
Geburt bleibt aus - Serie: Die Triangulierung oder die innere Dreierbeziehung – die innere Geburt
des Individuums und Subjekts und die assoziative Kommunikation (Teil 2/3)
Frankfurt am Main (Weltexpress) -Im ersten Teil der Serie
hatten wir uns einführend mit Konzepten der Triangulierung, den Voraussetzungen
wie dem Urvertrauen, der inneren dritten Position und der Wahrnehmung
beschäftigt. In diesem Teil geht es um die Umstände, die, die die
Triangulierung zumindest in Teilbereichen verhindern, Selbst- und
Fremdakzeptanz zu erwerben und die Welt differenziert, intergriert und komplex
zu erleben, nämlich die Psychotraumatisierung und deren tragische Folgen.
Psychotraumatisierung
Bestehen böse, schlimme,
traumatisierende Erfahrungen in der Kindheit, aber auch im späteren Leben,
fahren diese wie ein Keil oder wie viele kleine Keile in die Psyche und dessen
körperliches Gehirnsubstrat, die Neuronen und deren Verästelungen und Netzwerk,
beeinflussen die körperinterne biochemische und –physikalische
Kommunikationsvermittlung und die Botenstoffe. Sie werden eingeprägt bzw.
eingebrannt. Da sie von einer emotionalen Befindlichkeit begleitet sind, werden
sie ins emotionale Erfahrungsgedächtnis eingeschrieben, in dem emotionale und
affektive Spaltungen und Spaltungen
der Wahrnehmung wie in schwarz – weiss, gut – böse, oben – unten vorherrschen.
Im zwischenmenschlichen Bereich führen sie zur dissoziativen Kommunikation. Da
nach diesen Wahrnehmungen automatisch gehandelt wird, übernehmen Mechanismen und
Automatismen die Herrschaft. Die körperlichen Differenzierungen auf der Ebene
der Neuronen und als Folge die psychischen Differenzierungen gehen verloren
oder werden beim Verhaften in der paranoid-schizoiden Position erst gar nicht
geschaffen. Diese traumatisierenden Erfahrungen müssen nicht ein einzelnes
Erlebnis sein, sondern sind meist die alltäglichen Einstellungen, Worte,
Gefühle und Verhaltensweisen der Eltern und des Umfeldes, die verinnerlicht
werden. Einzelne Erlebnisse sind oft dann traumatisierend, wenn der Boden in
der Alltäglichkeit vorbereitet ist.
Der Mensch benötigt in seinem
Werdegang Akzeptanz und Achtung, um
diese zu verinnerlichen und sich selbst akzeptieren zu können und Vertrauen in
sich selbst und die Umwelt zu entwickeln. Deswegen spielen sich die
Traumatisierungen meist auf der narzisstischen Ebene ab, also dem Selbstbild,
durch Entwertungen wie Schande, Verachtung, Schuld, Scham, Sünde und
Lächerlichkeit. Nach den Erziehungsbüchern von Schreber ist also das nicht
absolut gehorsame Kind entwertet und böse. Hinzu kommt die Ohnmacht und Hilflosigkeit,
die mangelnde Effizienz des kindlichen Verhaltens, wenn etwa das schreiende
Kind von den Eltern ignoriert wird, und keine Wiedergutmachung möglich ist, das
Kind böse bleibt. Dann kann die Suche nach Wiedergutmachung sich zu einem Überlebenskampf gestalten.
Diese Entwertungen müssen
sich nicht als offene Verbote und Gebote, Schläge oder strenge Verurteilungen
abspielen. Viel schlimmer ist oft für das Kind die Sorge, Ängste, die
Enttäuschung, Tränen oder der Schmerz der Mutter und Eltern, ihre Erwartungen
nicht zu erfüllen. Das kleine Kind kann noch nicht unterscheiden, dass die
Ursache in den Eltern liegt, sondern sieht die Ursache in sich selbst. Es muss
sich also schuldig fühlen. Die Schuldgefühle können lebenslang fortbestehen und
werden überall wieder erlebt, wo nicht die Wünsche und Erwartungen anderer
erfüllt werden. Diese basale Schuld
behindert die Selbstentfaltung und die Loslösung von der Mutter. Sogar
Folteropfer im späteren Leben sind häufig so sehr traumatisiert, dass sie den
Aggressoren, den Folterern recht geben, eine innere Kumpanei eingehen, sich mit
ihnen identifizieren. Durch die Folterung kann die Persönlichkeit zerstört
werden, und das Opfer auf eine frühere Reifungsstufe zurückfallen.
Wenn der Mensch nicht früh
die Selbstakzeptanz entwickelt hat, muss er diese nachholen und ist später auf
Akzeptanz und auf günstige Umstände angewiesen. Er muss sich das Umfeld gewogen
machen, deren Erwartungen und Wünsche erfüllen, und verliert dabei sich selbst.
Das ist die eigentliche Tragik dieses Versuches. Aber die Tragik geht weiter.
In den Erwartungen anderer nimmt er seine eigenen Erwartungen, die aus seinen früheren
Erfahrungen stammen, vermeintlich in den Anderen wahr. Diese haben aber oft
andere Erfahrungen und Wünsche, so dass er sich zwar bemüht, aber das Falsche
tut, die Anderen also enttäuscht. Im Wort „Enttäuschung“ steckt das Wort
„Täuschung“. Er hat sich getäuscht. Gleichzeitig fordert er im Sinne von
Gerechtigkeit und Gleichheit seine Bemühungen als Honorierung zurück, für das
Falsche das Richtige. Der Versuch der Akzeptanz geht als Schuss nach hinten los
und mag ihn verzweifeln lassen.
Der Mensch hat dann noch die
Möglichkeit, durch Macht und Kontrolle die Anderen zu beherrschen.
Totalität und Absolutheit sind die Folge wie in totalitären Regimes. Diese
finden auch oft schon in der Kindheit statt. Dazu werden Normen und Regeln
eingesetzt. Aber gegen Totalitarismus muss sich zur Erhaltung des Selbst
aufgelehnt werden, wodurch die Machtversuche und in einem Teufelskreislauf die
Auflehnung verstärkt wird. Einer der Formen des Unterlaufens ist innerhalb der
rigiden Moral die Doppelmoral, ein Kompromiss, der die Moral aufrecht erhält,
gleichzeitig das Unterlaufen ermöglicht.
Entwertungen haben den
starken Drang nach oben und aussen zu kommen, um doch noch die Anerkennung zu
ermöglichen, die der Mensch so dringend benötigt. Da er die Neigung hat, alles
Unangenehme zu verdrängen, um es nicht wahrzunehmen, und dies gleichzeitig empor
drängt, steckt er in einer inneren
Zerrissenheit. In jeder Stufe dieses Zwiespaltes und dessen Krankheits- und
Konfliktfolgen drängt er nach Anerkennung. Gerade die Teile des Unbewussten,
die durch Verdrängung entstanden sind, drängen nach Bewusstsein. Auch der
Kranke will in seiner Krankheit vom Umfeld anerkannt werden, obwohl er oft von
den Hintergründen nichts wissen will. Die Hintergründe sind tabu und nicht
anerkannt und drängen wiederum nach Anerkennung. Das Umfeld, das diese durchaus
sieht, bewegt sich auf einem schmalen Grad der Anerkennung und Vertuschung,
etwa bei einem Alkoholiker im Betrieb, dessen Verhalten oft lange vertuscht
wird, oder beim aktuellen sexuellen Missbrauch von Priestern oder in Reformschulen.
Auch kann der Schuldige seine
Aggressionen, unterdrückter Ärger
und Wut, die zwangsläufig entstehen, nicht herauslassen, oft spürt er sie noch
nicht mal. Da der Andere in ihm ist, richten sie sich gegen das eigene Selbst, werden
zu Autoaggressionen, etwa als Depressionen, hinter denen regelmässig
unterdrückte Aggressionen stecken, oder als Angstzustände, wobei das
Hauptmoment die Angst vor den eigenen Aggressionen darstellt, aber oft
verschoben wird auf symbolische, analoge Situationen wie etwa die Platzangst
oder die soziale Phobie, oder als Burnout, Verspannungen und körperlichen
Schmerzen. Der ursprüngliche Wunsch nach Zerstörung anderer, um Freiheit und
Unabhängigkeit zu erlangen, bewirkt eine Selbstzerstörung. Auch können die
Aggressionen sich auf das Immunsystem auswirken und zu Immunerkrankungen
führen. Brechen die Aggressionen beim Alkoholiker im Suff heraus, führen sie
hinterher zu verstärkten Schuldgefühlen und zu einem Teufelskreislauf.
Hinzu kommt, die Aggressionen
in der Kindheit gegen die Normen, Verbote und Einengungen der Eltern, tauchen
im späteren Leben, wie ein Schlossgespenst als Untaten früherer Generationen,
später wieder auf bei allen, die sich nach diesen Normen nicht richten. Werden
sie zur Erhaltung der Harmonie unterdrückt, wirken sie sich als
Autoaggressionen aus. Erst der Alkohol kann wie eine Befreiung wirken, in vino
veritas, im Wein liegt die Wahrheit, aber….! Deswegen sind Alkoholiker meist
sehr gutmütige, hilfsbereite Menschen. Erst im Suff lassen sie die Sau raus.
Wenn der Kopfschmerzkranke seine Aggressionen rauslässt, tanzen die Puppen, und
die Kopfschmerzen sind weg, wenn er nicht vor lauter Schuldgefühlen wieder
welche bekommt. Der Magenkranke, der alles für die Anderen getan hat, ist total
frustriert, wenn die Anderen das nicht honoriert. Der Schmerz frisst ihm
eventuell ein Loch in die Magenwand, das Magengeschwür. Gottseidank hat die
Medizin den Helicobacter pylori gefunden, und das Geschwür kann gut behandelt
werden.
Erlebtes, Erfahrungen, also
auch die Traumatisierungen prägen die Wahrnehmung von Gegenwart und Zukunft.
Die ursprünglichen Erfahrungen werden in Alltagssituationen hinein gesehen,
diese dramatisiert und katastrophisiert.
Es wird der Teufel an die Wand gemalt, immer das Schlimmste erwartet. Da der
Mensch nach dem handelt, was er glaubt, was ist, prägen sie auch sein
Verhalten. Er verhält sich so, als ob die Katastrophe jederzeit eintritt. Im
Bild der griechischen Sage hängt über ihm das Damoklesschwert. Die
Differenzierung zwischen vermeintlichen und tatsächlichen Gefahren ist nicht
vorhanden. Das Leben kann sich zu einem einzigen Kampf gegen die Katastrophe
gestalten, einem Überlebenskampf.
Da die Erfahrungen den
Zukunftsentwurf prägen, ist als Folge die menschliche Psyche allein darauf
ausgerichtet, diese Erfahrungen zu verhindern. Auf der körperlichen Ebene des
Gehirnsubstrats können sich Differenzierungen nicht entwickeln, und auf der mit
dieser eng verbundenen psychischen Ebene kann der Mensch somit nicht mehr offen
für Neues, für Veränderungen, Vieldeutigkeit und Wandelbarkeit sein. In
Unsicherheit, Unsichtbarem und der ungewissen Zukunft muss er das ursprüngliche
Trauma, das Böse fürchten. Auch kann der Mensch nicht mehr in Ruhe und
Gelassenheit sich selbst, sein Umfeld betrachten und dabei Erfahrungen sammeln.
Das wichtige Ausprobieren in der
Kindheit, aber auch in den Veränderungen des späteren Lebens kann zu wenig
erfolgen.
Alles muss genau geplant
sein, auch das Unplanbare und Unwägbare, am besten schon vorher feststehen. Die
Entwicklung des Erfahrungsschatzes ist dadurch erheblich eingeschränkt. Er muss
zur Verhinderung des Bösen an altem und bewährtem wie Regeln und Normen und an
einer einzigen und ewigen schützenden Wahrheit festhalten. Wie das kleine Kind
von einem Vater aus der engen, verstrickten Mutterdyade gerettet werden kann,
muss der traumatisierte Mensch die Erlösung von einer überstarken Person
erhoffen, einem Gott. Durch die Traumatisierung ist also auch die Voraussetzung
für eine dogmatische Religiösität und Totalität geschaffen.
Das hat weitere Folgen, die hier
nur ansatzweise beschrieben werden sollen. Der Mensch wird im intrapsychischen
und zwischenmenschlichen Bereich grenzenlos.
Intrapsychisch sieht er sich entwertet
und minderwertig, und setzt als Reaktionsbildung ein Grössenbild und Ideal von Souveranität,
Unabhängigkeit, Unversehrtheit, Stärke und Macht dagegen, beziehungsweise das
frühkindliche Grössenbild der Einzigartigkeit lebt fort und kann nicht
revidiert werden. Im Unversehrtheitsbild sind Krankheiten eine zusätzliche
Kränkung. Die Abhängigkeit des Menschen im Sozialraum wird zu einer Bedrohung.
Da die Selbstentwertung schon in ihm steckt, ist er zwischenmenschlich für
Entwertungen sehr empfänglich. Entwertungen wie Vorwürfe fallen auf fruchtbaren
Boden.
Andererseits sieht er sich
selbst im anderen, der Projektion.
Es gilt nicht, er sieht den Anderen in dieser Weise, sondern dieser ist so. Der
Andere ist Teil seines Selbst, ein Selbstobjekt oder ein erweitertes Selbst.
Seine Schwächen und Fehler sieht er in den Augen anderer und muss alles tun,
seinen wahren Kern nicht zu offenbaren. Überwiegend ist er im
zwischenmenschlichen Bereich mit der Aufrechterhaltung des positiven Bildes
(Image), des guten Rufes oder Eindruckes beschäftigt. Wenn er sich schwach,
unzulänglich und ängstlich fühlt, muss er die Stärke, Perfektion und
Souveranität zeigen. Vor allem Angstkranke neigen zu dieser Reaktionsform. Diese
Dialogform nenne ich digitalen Dialog
im Gegensatz zum analogen Dialog, wo
der Mensch sich einbringt und handelt, wie es gerade für ihn ist und wie er sich
fühlt und ihm den Freiraum zur assoziativen Kommunikation lässt. Andererseits,
innerhalb des digitalen Dialogs muss er sich wie ein Lügner oder Hochstapler
vorkommen, der den Anderen was vormacht. Analoger Dialog und assoziative
Kommunikation sind inhaltlich verwandte Begriffe.
Weiterhin muss er sich oft aus
Angst vor der Entwertung abschotten, verliert die zwischenmenschlichen
Beziehungen und vereinsamt. Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis und die
Achtung und das Aufgehobensein in diesen, das menschliche Lebenselexier, gehen
verloren. Er kann nicht mehr zwischen sich und den anderen unterscheiden, und
es entsteht eine vermeintliche Gemeinsamkeit und Verschmelzung, in der seine
Subjektivität nicht oder zu wenig geboren ist. Oder er neigt zu Drogen, Alkohol
und anderen Süchten, um seine Befindlichkeit und Stimmung zu verbessern und
seine Ängste zu überwinden, in Kontakt zu treten. Ärztlich verordnete
Antidepressiva wie „Glücks“pillen gehören ebenfalls in diesen Bereich. Dadurch
gerät er in Abhängigkeit, und eine ungeheure Industrie lebt von ihm.
Grenzenlos wird der Mensch
auch in der transgenerationellen Übertragung. Eine wundervolle Parabel dieser
ist die biblische Schöpfungsgeschichte. Die Gründe Gottes für seine Gebote und
Verbote und dessen Traumatisierung bleiben im Dunkeln. Das Böse wird an
Alltagssituationen, sogenannten Triggersituationen bei der Traumatisierung,
hier dem Apfelessen, festgemacht, dem unheilvolle Bedeutungen zugeschrieben
werden wie vom „Baume der Erkenntnis“ und „frevelhafte Gottgleichheit“. Eigene
Erkenntnisse und Selbstbestimmung sind im Angesicht der Sorgen und
Befürchtungen und der Gebote der Eltern dem Kind verboten und werden über
Generationen hinweg in der Erbsünde bestraft. Das irdische Jammertal wartet auf
die Erlösung, die wiederum nur durch Gott erfolgen kann. Der Gott als Sohn steht
wohl für die nächste Generation, da sich Traumatisierungen über Generationen
hinweg unter günstigeren Verhältnissen verflüchtigen können.
Die Fähigkeit der Symbolisierung ist nicht oder wenig
vorhanden oder geht verloren. Symbole entstehen durch frühere Erfahrungen und
werden späterem zugeschrieben. Durch die Symbolisierung kann zwischen
Zuschreibung und Realität unterschieden werden. In der biblischen
Schöpfungsgeschichte herrschen etwa Realitäten und nicht Symbole. Das zeigt
sich darin, dass von vielen Christen an diese als Realität geglaubt wird und
nicht an eine Symbolik von der Entstehung des Menschen, beispielsweise in der
traumatisierten Familie.
Dadurch geht die
Differenzierungsfähigkeit zwischen Phantasie und Realität, Denken und Glauben
verloren. Phantasien und Bilder stammen ebenfalls aus früheren Erfahrungen, die
aber nicht der späteren Realität entsprechen müssen. Phantasien, Bilder und
Gedanken sind dann immer gleich Realitäten, nach denen gehandelt wird und neue
Realitäten gesetzt werden, die der Situation wenig entsprechen müssen. Dazu die
Aussage eines früheren Patienten, „er habe oft falsche Phantasien“. Meine
Entgegnung, „falsche Phantasien gebe es nicht, Phantasien seien immer richtig -
als Phantasien. Wenn er sie für Realitäten halte, sei das natürlich oft
falsch.“
Besteht nun eine einzige
Wahrheit, schaffen unterschiedliche Wahrnehmungen und Wandlungen, die im Laufe
des Lebens und der Zeit nicht ausbleiben, Verwirrung
und Chaos. Die Verwirrung schafft wiederum Unsicherheit und darin Bedrohung, so
dass zum Schutz an der alleinigen, einzigen und ewigen Wahrheit fest gehalten
werden muss. Die Komplexität der Welt und das Interesse an dieser gehen
verloren.
Eine schlimme, überall
verbreitete Folge sind Streit und
Zerstrittenheit. In der subjektiven Wahrnehmung wird sich um die objektive
Wahrheit gestritten. Es gilt „es ist so“ und nicht „es ist für mich so“. Da der
Andere vereinnahmt wird, muss er sich dagegen wehren. Ein Kampf um recht und
unrecht, Sieg und Niederlage, Über- und Unterlegenheit, entsteht. Wenn der Eine
recht hat, muss der Andere unrecht haben, auch eine Form der Spaltung, und von
heftigen emotionalen Befindlichkeiten begleitet. Dass jeder für sich nach seiner
Wahrnehmung recht hat, gibt es nicht. Da Zerstrittenheit schlimm ist, werden
oft der Streit und die verschiedenen Standpunkte unterdrückt, und es entsteht
eine Pseudoharmonie, die dann immer wieder durchbrochen wird, und alle sind
zerstritten. Durch den Streit sind die Prozesse des Aushandelns, Konsens und
Kompromisse nicht möglich. Wird nichts Böses gefürchtet, ist die andere
Wahrnehmung eher interessant und bewusstseinserweiternd.
Entscheidungen laufen immer
im Leben wie von selbst ab, egal, was der Mensch tut. Aber da für den
Traumatisierten immer Unsicherheit im Unsichtbaren und in der Ambivalenz
herrschen müssen und diese bedrohlich sind, werden Entscheidungen gefürchtet und können gigantische bedrohliche
Ausmasse annehmen. Es geht um die einzig richtige Entscheidung. Im griechischen
Mythos steht Herkules am Scheidewege. Hat etwa der Depressive sich entschieden,
gehen oft die innere Zerstrittenheit und die inneren Selbstzweifel endlos
weiter, so dass Entscheidungen nie mal gut sein können und er hoffnungslos
wird.
Da die Differenzierungen auf
der körperlichen und psychischen Ebene nicht geschaffen werden oder wieder
verloren gehen, wird die Unterschiedlichkeit in den Wünschen, Erwartungen,
Zielen und Charaktereigenschaften nicht mehr gesehen. Alle Menschen werden
sozusagen über einen Kamm geschoren.
Aus der Psychotraumatisierung
ergeben sich oft unendliche vielfältige Teufelskreisläufe,
circuli vitiosi, aus denen der Mensch nicht mehr herauskommt und die das Leben
hoffnungslos werden lassen können. Der Überlebenskampf wird hoffnungslos. Streit
wurde erwähnt. Kontrolle und Einvernahme erzeugen Trotz, Opposition, Sabotage
und Unterlaufen und vermehrte Kontrolle. Rechtfertigung und Entschuldigung
weisen auf das Unrecht und die Schuld hin. Ansonsten wäre nichts zu
rechtfertigen, sondern es wäre die Wahrnehmung und der Standpunkt des Anderen.
Durch die falschen Realitäten, die den späteren Umständen nicht mehr
entsprechen, aber den aus ihnen resultierenden Handlungen werden Realitäten
geschaffen, die den früheren Erfahrungen entsprechen können, und der Mensch
sieht sich bestätigt. Er hat recht gehabt. Er dreht sich in einem
Teufelskreislauf. Grössenbilder erzeugen Entwertungen und diese wiederum
Grössenbilder. Im Angesicht der vermeintlichen Grösse kann man nur minderwertig
sein.
Der Angstkranke muss wie der
Vogel Strauss den Kopf in den Sand stecken, um die Gefahren nicht zu sehen.
Dadurch beschwört er diese sozusagen und kann nicht sehen, dass oft nichts
Bedrohliches vorhanden ist. Das bekannteste mythische Beispiel ist die Blendung
des Ödipus, der seine Schande in den Augen der Bürger von Theben nicht sehen
wollte, aber nicht sah, dass er Verzeihung, Mitleid und Verständnis gefunden
hatte. Ideale wie das der guten Mutter sind eine einzige Tragik. Das Leben wird
zu einem einzigen Kreislauf.
Im nächsten Teil der Serie
wollen wir uns der Wiedergutmachung, den Chancen auf jeder Stufe der Konflikte
durch eine Triangulierung, Selbstreflexion in der Nachträglichkeit zuwenden.
von Bernd Holstiege
Die
Wiedergutmachung in der Nachträglichkeit und die Kunst des
Nichtwissens - Serie: Die Triangulierung oder die innere
Dreierbeziehung: Die innere Geburt des Individuums und Subjekts und die
assoziative Kommunikation (Teil 3/3) - 27-07-10 18:28
Der Mutter-Kind-Dyade tritt eine dritte Person hinzu - Serie: Die
Triangulierung oder die innere Dreierbeziehung – die innere
Geburt des Individuums und Subjekts und die assoziative Kommunikation
(Teil 1/3) - 21-07-10 09:14
1 Kommentar
Nanni Kolley schrieb am 16.09.2010 16:30
Danke für Ihre wirklich aufschlussreiche Serie. Es hilft mir zu einer neuen
Sicht.
Ja, es ist die Wiedergutmachung die oft so sehr fehlt.
Auch mir.
Mit liebem Gruß
Nanni Kolley