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Über die Allgegenwärtigkeit von Rache und Schadenfreude – Ein Gefühl des heimlichen Triumphes und dessen tabuisierten Verbots

Quelle: Pixabay, gemeinfrei, CC0 Public Domain

Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Das Gefühl des Triumphes, der Schadenfreude und der Rache sind in unserem Kulturkreis sozusagen verbotene Gefühle, weil sie zu zwischenmenschlichen Konflikten führen, obwohl sie gang und gäbe sind. In anderen Kulturen und bei uns unter „primitiven“ Menschen werden sie offen ausgelebt. Deswegen müssen sie heimlich geschehen und auf die untere, verdrängte Ebene verbannt werden. Wer Rache an jemandem nimmt, der muss Vergeltung fürchten, und das führt zu einem unendlichen Kreislauf von Rache und ihrer Erwiderung. Der eine erhebt sich scheinbar über den anderen, indem er mehr Genuss hat. Aber dahinter steckt ein Unterlegenheitsgefühl und der eigene Schaden, den er erlitten hat, wenn auch oft in der Kindheit. Rache und Schadenfreude dienen zur Kompensation für den vorher erlittenen Schaden und dienen der Suche nach Überlegenheit aufgrund der vorher erlebten Unterlegenheit.

Mit Spott und Hohn verhält es sich ähnlich. Jemand, der in der frühen Kindheit verspottet oder verhöhnt wurde oder sich so vorkam, und das sozusagen in sich hat, versucht durch Verspottung und Verhöhnung anderer wieder eine Überlegenheit zu gewinnen. Jeder weiß, wie Kinder in Kindergärten oder in der Schule durch Spott und Hohn sich Überlegenheit schaffen. Man sagt, Kinder wären grausam, dadurch dass sie die anderen Kinder der Lächerlichkeit preisgegeben. Aber das haben sie von den Erwachsenen gelernt und verinnerlicht.

Aber lassen wir den schon mehrfach zitierten Patienten zu Wort kommen. „Da ist wieder etwas los, ich merke, dass ich innerlich verkrampfe und Angst habe, etwas zu sagen. Heiligabend war ich bei der Familie der Schwester, die Mutter war auch dabei, und am ersten Weihnachtstag beim Bruder. Wir haben Familienfotos angeschaut, und ich habe wieder festgestellt, dass Spannungen innerhalb der Familie existieren. Ich darf jedoch nicht daran rühren. Es ist eine fremde Angst, für mich noch immer unerklärlich, es ist etwas bedrohliches, ansonsten bricht alles zusammen. Soviel Vorwürfe, Vorwürfe aus Vaters Familie gegenüber seinen Eltern und der Familie der Mutter wegen Erbstreitigkeiten. Dadurch ist es eine Belastung für mich, ich muss zwar für andere büßen, es wird an mir etwas festgemacht, und ich musste brav, leise und unauffällig sein. Ich spüre was, weiß aber nicht, was es ist.

Ich merke da einen latenten Trotz, Verweigerung und Sabotage. Ich spiele das Familienspiel nicht mit! Deswegen habe ich keine Frau und Familie, das fällt mir jetzt erst auf. Ich spiel’ das nicht mit, verweigere das normale Leben. Da kriegt Ihr mich nicht! Das ist meine Rache. Dieses Denken ist mir total verborgen geblieben, und es ist mir eine Genugtuung, dass ich das alles verweigere. Dass ist auch vor mir geheim “ Rache ist süß“. Ich habe das nicht gemerkt, dass Familie alles nichts ist, ich habe Familie total entwerte. Die Beziehung in der Familie ist nur etwas, wie und was ich da erlebt habe. Ich bin ja nicht blöd. Die Schadenfreude, habe vor mir selber verborgen, Familie, Kinder und normale Sexualität. Meine Reaktion war „oh nee, gitt oh gitt“. Irgendwie ist es ganz verborgen, ein Triumphgefühl, das darf ich ja alles nicht, da habe ich Schuldgefühle.

Da sind Schuldgefühle, deswegen darf ich das nicht empfinden und fühlen. Das habe ich vor mir selbst geheim gehalten, den geheimen Triumph und die Verweigerung und Sabotage. Das Schuldgefühl blockiert das alles. Dadurch kann ich mich ja auch nicht ändern. Versteckt bleibt das auch, ich weiß dann nichts mehr, ich habe es vergessen, Es ist ein versteckter Teil von mir. Für den geheimen Spaß leide ich darunter, da bestrafe ich mich sozusagen selber, das darf ich gar nicht anerkennen. Ich bin zu gut für sowas, für ganz normale Gefühle, weil ich das verinnerlicht habe. In meinem Bewusstsein war das verschwunden, in meinem Körper war es manifestiert. Das ist ein zusätzliches Thema, ich muss ein besserer Mensch sein.“

Der Bericht oder die Erzählung des Patienten ist etwas durcheinander und sich wiederholend, wie auch in früheren Artikeln. Aber so geht es im Innenleben eines Menschen zu, vorwärts und rückwärts, hin und her, auf und ab. Das ist zum Verrücktwerden, wenn man von einer Klarheit und Eindeutigkeit ausgeht, oder die Linearität als Maßstab nimmt. Geradlinigkeit ist Trumpf in einer geradlinigen Gesellschaft und Kultur, wenn das Leben in allen Widersprüchen auch nicht so ist. Ich versuche das Leben in einer Wellenlinie zu zeichnen, und dort geht eine gerade Linie durch. Diese ist dann immer neben der Spur. Geradlinigkeit ist also eine Illusion.

Der Patient hat erst kürzlich seine heimliche Genugtuung und Triumph wahrgenommen. Das war für ihn eines der verbotensten Gefühle und mit größter Strafe und Schuld belegt, deswegen heimlich, heimlich vor sich selbst. Ihm geht es nicht wie im Märchen Rumpelstilzchen, das herum tanzte, „Ach wie gut das niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß“. Ihm war die Erfahrung mit der Familie ein Graus, vor allem die gegenseitigen und allgegenwärtigen Vorwürfe und Zerstrittenheit. Deswegen verweigerte er sich mit allem seinen Fasern, Haut und Haaren, den Bildern der Familie, Frau, Kinder und Haus – andererseits dem ganzen Stolz eines Mannes.

Ich habe in Therapien oft gesagt „Sie sind ein zu guter Mensch, Sie können sich nicht Schadenfreude oder Rache zugestehen und bemühen sich immer ein guter Mensch zu sein. Nämlich Schadenfreude ist auch eine Freude, und die kleinen Freuden versagen Sie sich, und Rache ist süß. Es sind völlig normale Gefühle“. Der klammheimliche Genuss dieser kleinen Freuden hat auch seinen Gewinn, er gibt dem Menschen Genugtuung, und dessen Unterdrückung führt zu Verspannungen und Schmerzen. Aber wenn man es offen zugibt, wie zum Beispiel, als der Generalbundesanwalt Siegfried Buback etwa 1977 ermordet wurde, als unter dem Pseudonym Mescelero jemand schrieb, der in einem Nachruf zwar die Gewalt verurteilte, dass er aber „klammheimlich Freude“ empfinde. Das wurde von vielen heimlich geteilt. Daraufhin schallte die Empörung durchs ganze Land. Es ist zwar normal, aber es entspricht nicht der Norm. Norm und Normalität klaffen weit auseinander. Dadurch versagen sich viele Mitglieder in unserem westlichen Kulturkreis den inneren Triumph.

Der Patient war darin geprägt und dazu erzogen, als vollgültiges Mitglied der „besseren“ Gesellschaft zu funktionieren. Einerseits wurde er in der Kindheit zu Rache und Schadenfreude neben Neid, Wut und Trotz provoziert und erzogen und geprägt, andererseits war es ihm verboten und wurde durch Schuldgefühle bestraft. Das Verbot oder Tabu hatte er verinnerlicht und dadurch war er blockiert, war innerlich zerrissen und musste dieses Gefühl sozusagen autoagressiv auf die Körperebene, “ es hat sich in meinem Körper manifestiert“, wie er selbst inzwischen erkannte, umleiten.

Einerseits hat er sich den Schmerz der Mutter, wenn er sich nicht ihren Ansprüchen nach verhielt, sich zu eigen gemacht und zu seinen eigenen Schmerzen verinnerlicht, andererseits wurde er durch die Hasstiraden der Oma mütterlicherseits gegenüber den Männern „sind alles Säufer, Vergewaltiger und Nichtsnutze, so einer dürfte er nicht werden“, verführt, kein richtiger Mann zu sein. Es wurde ihm so unmöglich gemacht, eine Frau zu finden und eine Familie mit Kindern zu gründen, auch wenn er das noch so sehr ersehnt hat. Dies erzeugte in ihm Neid gegenüber Männern. In seinem unbewussten und sich selbst nicht eingestandenen Triumph war er auf dieser Ebene in den Ambivalenzen, sowohl zu möchten als auch nicht zu möchten, festgehalten. Dies lief sozusagen auf der unteren Ebene rein reflektorfrisch und automatisch ab. Das ewige Bravsein wird für ihn ebenso wie der unbewusstes Triumph einem ewigen Gefängnis, gegen das er revoltiert und erfolglos auszubrechen versucht. Das bereitet ihm noch zusätzliche Verspannungen, Verkrampfungen und Schmerzen.

Derartige Schicksale sind die Folgen, wenn Eltern selber unter Spannung stehen, ihre Kinder nicht achten, lieben, keine Empathie haben, weil ihre Eltern für sie auch keine Empathie hatten, und nicht förderlich sind. Förderlich heißt, dass sie ihre Kinder im Finden ihre eigenen Lebenswege unterstützen und sie im Leben ausprobieren lassen. Aber allein ausprobieren ist schon für viele Eltern viel zu gefährlich, vor allem für die Helikoptereltern.

Zu Rache und Schadenfreude, genauso Spott, Hohn und Lächerlichkeit halte ich für wesentlich, wie sich aus dem ganzen Text ergibt, sich diese inneren Gefühle bewusst zu machen, aber nicht auszuleben. Aber das Ausleben ist in vielen Kulturen und auch bei uns verbreitet und führt zu unendlichen Spiralen von Konflikten. Der Grund ist, dass alle diese Gefühle auf der unteren Ebene reflektorisch und automatisch unterhalb der Bewusstseinschranke ablaufen, aber wie danach handeln. Wir können ja an diesem Patienten sehen, wie schwierig und langwierig dieser Prozess der Psychotherapie andauert. Er hat ja auch nach ihm völlig unbewussten Bedürfnissen nach Rache gehandelt und seinen Eltern eins ausgewischt Seine Eltern wollten das auch so, natürlich in Ambivalenz zu den Bedrohungen. Deswegen schreibe ich über diesen Patienten immer wieder, weil er so typisch für viele ist, und sich fast jeder in ihm wieder finden kann.

Aber die Welt und die Menschen sind nun mal so und nicht besser, alles ist menschlich, und jeder Mensch ist in seiner Befindlichkeit zu achten, wenn das auch in diesen Bereichen sehr schwer fällt, wenn jemand an mir Rache ausübt oder mich verspottet. Ich schlage vor, dann und dabei immer den Hintergrund und die Zusammenhänge sehen und zu betrachten. Dann fällt es mir nicht mehr so schwer, manchmal fühle ich mich manchmal sogar geehrt, wenn der andere mich schlecht macht.