8. Januar 15 , 19:17
Kategorie: Kultur, Feuilleton, Kultur - Spiele, Regionales, Hessen
Welches Frankfurter Wasserhäuschen die längste Theke hat, die größte
Fruchtgummiauswahl, den größten Kinderspaßfaktor und wie es um das
Eintrachtfieber bestellt ist, Auskunft darüber gibt das Frankfurter
Wasserhäuschen-Quartett in 32 aufschlussreichen Karten, ein kleiner
Häuschenführer zum Mitnehmen, ein Spiel für alle von 6 bis 99, ein Geschenk für
Ex-Frankfurter. Drei Kenner der Büdchen-Szene habe das initiiert und ihr ein
Denkmal gesetzt, der Photograph und Journalist Hubert Gloss, der sich seit 1991
am längsten mit dem Thema beschäftigt, an der Volkshochschule doziert und eine
Führung zu den schönsten Wasserhäuschen mit dem Fahrrad oder der Bahn
veranstaltet, Oliver Kirst, der sogar vor 10 Jahren seine Diplomarbeit über
dieses Thema schrieb, und dem Photographen Boris Born, der das Design des
Quartetts übernommen hat. Für sie ist es die Keimzelle städtischen Lebens und
gelebte städtische Kultur, da steht der Anzugträger ebenso wie der Handwerker.
Wie lange ist die Theke? Das Spektrum der 32 Budchen im Quartett reicht von 2,61
Metern in der Trinkhalle Merz in der Seckbacher Landstraße bis zu 14,60 Metern
bei Dimitris Wasserhäuschen am Kurfürstenplatz. Die meisten Sorten Fruchtgummi
hat der Einkaufskiosk Mozkurt im Harheimer Weg, 37 nämlich, die wenigsten gibt’s
beim Imbiss Lang in der Deutschordenstraße, nämlich vier. Dagegen ist der Kiosk
Morkan in der Espenstraße das Schlusslicht bei der Bierauswahl (vier Sorten),
während es im Cassella-Eck in der Cassellastraße die Auswahl aus 31 Sorten gibt.
Die Öffnungszeiten in Stunden pro Woche haben die drei Quartettmacher ebenso
herausgefunden wie die Eintrachtfieberkurve. Eine weitere Wertung ist der
„Kinderspaßfaktor“. „Es ist nicht nur subjektiv. Wir haben nicht nur die Zahl
der Fruchtgummisorten betrachtet, sondern auch die Frage, ob es Wassereis gibt
und vor allem, wie geduldig der Betreiber mit Kindern ist.“ Wenn zehn Cent vom
Taschengeld für etwas Süßes ausgegeben werden und die Entscheidung zwischen
verschiedenen Bonbons schwer fällt, kann es eben etwas dauern, bis eine
Kaufentscheidung gefallen ist. Die Auswahl und Präsentation von
Kinderzeitschriften spielt ebenfalls eine Rolle. (Frankfurter Neue Presse)
Die
Trinkhallen können auch Sponsoren gebrauchen. In den vergangenen 40 Jahren sank
die Zahl der Frankfurter Wasserhäuschen auf etwa ein Drittel, derzeit rund 200.
Die Konkurrenz von Supermärkten und Tankstellen macht ihnen schwer zu schaffen.
Zum Erhalt der einstigen Kultur rufen sie auf, Wasserhäuschen zu besuchen, eine
Packung Zigaretten oder eine Flasche Bier oder zehn Gummibärchen zu kaufen. Das
Wasserhäuschen-Quartett ist der derzeit kleinste Wasserhäuschenführer
Frankfurts, um die Vielfalt städtischen Lebens zu unterstützen.
Mancher hat gute Kindheitserinnerungen an die gemischte Tüte, an den Pricklpit
oder die Nappos, die Plombenzieher, an die Süßigkeiten als Pfennigartikel. Es
ist ein niedrigschwelliger Kommunikationsraum, ein probates Mittel gegen
Einsamkeit, ein begehbarer Lottoschalter, eine Freiluftbar für Stehbiertrinker,
zwar auch als Treffpunkt der Säufer verschrien. Die Pächter sind zwar inzwischen
selten Deutsche, da durch die Daueranwesenheit die Familienstruktur besser zu
Ausländern passt und diese sich abwechseln können. Es gibt Kioske, Trinkhallen
zwar auch in anderen Städten wie Berlin oder Dortmund, London als Speakers
Corner. Aber in Frankfurt gibt es bei weitem am meisten Kioske. Sie sind typisch
für Frankfurt ähnlich wie Grüne Sauce (Grien Sooß), Frankfurter Äppelwoin und
die Apfelweinwirtschaften und das Frankfurter Würstchen. Es gibt halt eine
gewachsene Kultur unterhalb des Bankenviertels, des Römers, Palmengartens, der
Museen und des Museumsufers oder der alten Oper, und diese soll erhalten
bleiben.
Die Geburtsstunde läßt sich auf ca. 1870 datieren, als wenige Jahre zuvor in
Frankfurt die Produktion von Sodawasser begonnen hatte, da Wasser ungereinigt
und giftig war, und die Arbeiter Bier tranken. Um dieses einer breiten
Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, förderten die städtischen Behörden den Bau
von Trinkhallen, um die Arbeiter von der Trunksucht abzuhalten, deswegen im
Volksmund die Wasserhäuschen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich das Angebot,
Schokolade, Tabak, Zeitungen, belegte Brötchen und evtl. eine Espressobar.
Früher hießen sie Jöst-Kioske, als die Firma Jöst die Kioske sponserte. Manche
sind in den Häuserzeilen untergebracht, aber viele sind alleinstehend, in
typisch rundlicher Form.
Das Frankfurter Wasserhäuschen-Quartett ist erhältlich an vielen Wasserhäuschen
für 7,90 plus 1,60 Porto oder auf der
Wasserhäuschen.eu-Website. Das Spiel ist allen ehemaligen und noch
existierenden Wasserhäuschen, deren Betreibern und Kunden mit all ihren
liebenswerten und individuellen Charakteren gewidmet. Die Kategorien der Wertung
sind: Betreiber vor Ort seit, Fruchtgummivariationen, Biersorten, Sprechzeiten
pro Woche, Kinderspaßfaktor, Thekenlänge und Eintrachtfieberkurve.