Fortsetzung
der Motorradreise: Kastanien, Weine, französische Küche, weiße Felswände, grüne
Flüsse und Dörfer mit Charme und Charakter
Serie: Impressionen von der Ardèche (Teil 2/4)
Frankfurt am Main (Weltexpress) - In Teil eins haben wir über die ersten beiden
Tage unserer Gourmet-Motorradreise an die Ardèche berichtet. Über Alba- la-
Romaine, einem weiteren Dorf mit Charme und Charakter, fahren wir am nächsten
Tag zur Besichtigung des Weinkellers von Emmanuell und Denis Robert und zur
Weinprobe nach Valvignères, einem ganz kleinen Weiler. Die historische Altstadt
von Alba liegt mit seinem Schloß auf einem Basaltfelsen am Fuße eines
Vulkanberges über dem Fluß Éscoutay, 10 km westlich der Rhone. Zu Fuß entdecken
wir die kleinen, mit Basaltstein gepflasterten Straßen und in ihrem pittoresken
Charme überwölbte Durchgänge, kleine Plätze und häufig mit Außentreppchen,
Terrassen und schönen Türen versehene Häuser. Etwas unterhalb findet sich eine
seit 1964 ausgegrabene Siedlung aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus, wo
Alba seine Blütezeit erlebte, mit einem gut erhaltenen Theater, das noch heute
für Veranstaltungen genutzt wird. Seitdem ist Alba aus seinem Dornröschenschlaf
erwacht.
Denis Robert betreibt einen fast vollkommen biologischen Anbau, aber nur fast,
für Notfälle behält er sich doch noch Chemikalien vor. Die Familie wohnt in
Valvignères seit über 400 Jahren. Er führt uns in perfekter deutscher Sprache
durch seine Weinberge, zeigt uns die aufgepropften und veredelten Weinstöcke,
läßt uns die süßen Beeren verschiedener Weinsorten kosten, weist uns auf die
Spuren der Unwetter hin, so daß er erst jetzt - drei Wochen verzögert - mit der
Weinernte beginne. Auch er hatte Verluste, aber mancher Nachbar verlor fast
alles. Er schildert uns über die Geschichte der Reblaus und die Veredelung
ähnliches, wie wir es zuvor im Weinmuseum gehört hatten. Anschließend zeigt er
uns seinen Weinkeller, die Weinpresse und Förderbänder, Holz- und große
Betonfässer, alles wirke auf dem neuesten Stand, klärt uns über den
Gärungsprozeß und die Kontrollen auf. Er persönlich fährt mindestens zweimal im
Jahr nach Deutschland, um seinen Kundenstamm zu beliefern. Ein deutscher Kunde
fährt in diesem Moment zufällig wie ein alter Freund mit einem altertümlichen
Wohnmobil vor und nimmt seine Weinration mit. Zum Schluss nach einer kleinen
Weinprobe schenkt er uns noch ein paar Flaschen, die wir neben dem übrigen
Gepäck nur mühsam in unseren Motorrädern unterbringen können.
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Anschließend fahren wir zum Mittagessen nach Viviers in das Restaurant „Le
Relais du Viverais“. Bei all dem guten Essen, jetzt einem „ménu curieux“,
komponiert aus der Flora der Region, mit Bibernellensalat,
Brennnesselcremesuppe, Lavendel-Lamm und Kürbiseis, schrillen bei mir allmählich
die Alarmglocken hinsichtlich meines bis dahin schlanken und ranken Gewichts.
Viviers ist eine mittelalterlich geprägte Stadt am rechten Ufer der Rhone,
südlich von Montélimar, Hauptstadt des Vivarais und seit dem 5. Jahrhundert als
Sitz der Diözese Viviers ein wichtiges religiöses Zentrum.
Mit vollem Magen deutlich gewichtiger, - Gott sei Dank haben die Motorräder
genügend PS - fahren wir auf den kleinen Sträßchen über den Weiler Bayne, über
Larnas, einen Weiler mit einer großen romanischen Kirche, durch die Schluchten
der Beaume, wiederum recht romantisch, zu einem weiteren Dorf mit Charakter und
Charme, nämlich St. Montan, das mit seiner romanischen Kirche, direkt darüber
ein imposanter Klettergarten, seinen Legenden und seinen leidenschaftlichen
Einwohnern am Fuße einer malerischen Schlucht liegt. Leider ist es noch recht
verfallen und wenig renoviert, trotzdem oder gerade deshalb sehr romantisch, und
einige Künstler scheinen es sich als Domizil gewählt zu haben. Weiter fahren wir
in Richtung Bourg St. Andeol zu unserem nächsten Etappenziel nach Notre Dame de
Cousignac.
Raphael Pommier kommt noch in Arbeitskleidung von seinem Weinberg und erzählt
uns stolz auf Deutsch von der Geschichte seines Weingutes, das in der siebten
Generation in Familiebesitz ist. Vorher hatte uns schon seine amerikanische
Ehefrau aus Pensylvania einen Ardèchewein eigener Produktion serviert. Ebenso
stolz führt er uns zu einer Kapelle, die in der französischen Revolution, als
Land von der Kirche an Bauern verteilt wurde, in den Familienbesitz überging,
später an die Kirche zurück gegeben wurde, und wovon er noch heute einen
Schlüssel besitzt. Nach ihr ist das Weingut benannt. Am Abend serviert uns seine
Ehefrau, wohl gemerkt eine Amerikanerin!, ein Gaumenfest, das uns schier die
Sinne vergehen: Eine Geflügelkraftbrühe mit Klößchen, eine Kaninchenterrine mit
Maronen, Ente in der Pfefferbrust Cordon bleu und eine Käseplatte mit fünf
verschiedenen Ardèchekäsesorten und eine warme Apfeltorte mit Honigbutter. Dazu
kredenzt Raphael einen Wein nach dem anderen, läßt uns vorsichtig das Nass den
Gaumen herunter rinnen, erzählt uns zu jedem eine Geschichte, wobei jeder neue
Wein an Qualität zunimmt. Der Höhepunkt ist ein Wein, eigentlich ein
Weinverschnitt, nicht lege artis, in dem er als Experiment wegen der
Vorzüglichkeit die Jahrgänge 03 und 04 zusammen gelegt hat. Ganz schön
angetrunken und auch mit Informationen gesättigt, fallen wir in unsere Betten.
Er vermietet auch einige gut eingerichtete Zimmer.
Am nächsten Morgen nach einem reichhaltigen Frühstück nimmt er uns auf seinen
Weinberg mit, wo er zwanzig französischen (nicht polnischen) Erntehelfern Kaffee
bringt. Jung und alt pflücken fleißig mit der Hand. Raphael erzählt uns, es gebe
genügend Arbeitslose, die nach meinen Nachfragen 9 € Lohn, abzüglich 1,50 €
Steuer, erhalten, und fleißig arbeiten würden, weil die Weinernte für sie etwas
Besonderes sei. Wir hätten gerne mitgeholfen, beschränken uns aber aufs
Traubenessen und Photographieren, unter anderem Jochen auf dem Motorrad mitten
im Weinberg. Schließlich muß die Motorradtour in Bildern fest gehalten werden.
Auch Raphael hat infolge der Nässe etwa 40 Prozent Ernteausfälle.
Wir fahren weiter über Bourg St. Andeol, kurven durch das hübsche Städtchen an
die Ardèche, und weiter hoch über der tiefen Schlucht die kurvenreiche
Panoramastraße in Richtung Vallon Pont d’Arc. Am Eingang und Ausgang des Tales
gibt es viele Kanuverleihe, aber fast keine Kanupaddler, wohl weil die Saison zu
Ende ist. Viele Aussichtpunkte gewähren schwindelerregende Ein- und Ausblicke in
die Schlucht, in der Saison wäre wohl kaum ein Parkplatz frei gewesen, jetzt
aber ist genügend vorhanden. Der schönste Ausblick am Ende der Panoramastraße
ist auf den weltberühmten Pont d’Arc, eine 34 m hohen Felsbrücke, die früher
begehbar war. An der Straße sehen wir Wildschweinjäger mit ihren Büchsen. Diese
Panoramastraße ist für Motorradkurvenjäger und Knieschleifer ein Paradies. Wir
betreiben es jedoch mehr am Rande der Beschaulichkeit. Mittagpause halten wir in
Orgnac L’Avon im Restaurant „Les Stalgmites“, wie üblich bei Wein aus der Region
und einem leckeren und reichhaltigen Mahl.
Unsere nächste Station ist die weltberühmte Tropfsteinhöhle Avon d’Orgnac ganz
im Süden des Departements, der vierten der schönsten Sehenswürdigkeiten
Frankreichs, eine riesige Karsthöhle mit unzähligen riesigen, teils sehr
schlanken und zerbrechlichen, teils voluminösen Stalaktiten und Stalagmiten,
tropfenden Wänden und seltsamen Skulpturen aus Stein, die die Fantasie Kapriolen
(etwa Schlumpf- und Pinocchioköpfe) schlagen lassen. Die Verschiedenartigkeit
der Kristallationen wurde noch durch bunte Lichteffekte verstärkt. Wie groß
dieses einzigartige unterirdische Universum ist, das erst 1935 entdeckt und
seitdem erforscht wird, teils noch unerforscht ist, verrät eine
Bergsteigerpuppe, die knapp unter dem natürlichen Einstieg baumelt – 50 m über
dem Höhlenboden. Die Länge ist vier Kilometer mit elf großen Sälen und mehreren
hundert Metern Tiefe. Die Urne des Entdeckers der Höhle wird jedem Touristen
gezeigt. Beeindruckt waren wir auch von der Stimme des englischsprachigen
Führers, der seine Bewunderung für die Größe, Schönheit und Einzigartigkeit der
Höhle mit jedem Laut preisgab. Sowohl geologisch als auch ästhetisch ist sie
besonders wertvoll und hat deswegen das Qualitätszeichen „Grande Site de France“
erhalten wie nur drei andere Sehenswürdigkeiten Frankreichs, die Montagne Site
Victoire, der Pont Du Gard und die Pointe du Raz.
Erschlagen von den Eindrücken des bisherigen Tages fuhren wir zurück nach
Largentier, dem Standort unserer zweiten Übernachtung über den Wald von Païolive,
einen Zauberwald mit beeindruckenden Felslabyrinthen, auf dessen Besichtigung
wir verzichteten, St Alban Auriolles am Fluß Chassezac, eine verkleinerte
Ausgabe der Ardèche mit ebenso grünem Wasser und weißen Felswänden, ebenso gut
zum Kanufahren geeignet, und wo wir von einem Campingplatz aus das Ufer
genossen, anschließend auf verschlungenen Sträßchen nach Notre Dame de Bon
Secours, dann Balbiac und Laurac en Vivarais. Im Domaine de l’ eau vive de
Roubreau wurden wir von Sabine herzlich empfangen und genossen wieder das
vorzügliche Abendessen mit Wein und erholten uns von den Strapazen. Die Reise
unserer kleinen Pressegruppe endete am nächsten Morgen und sollte für mich und
Jochen einen Tag später nach Korsika fortgesetzt werden. Deswegen übernachteten
wir noch einmal dort, bevor wir unsere Motorräder in den Vito verluden und nach
Nizza fuhren, um mit der Fähre nach Korsika überzusetzen.
Fazit: Das Departement Ardèche, vor allem im Süden, ist ein landschaftlich
reizvolles und sehr abwechslungsreiches Gebiet mit mediteranem, warmen Klima, im
Sommer wohl etwas heiß, in dem der Reisende die hervorragenden Weine, die
sprichwörtlich ausgezeichnete französische Küche, Dörfer mit Charakter und
Charme, aber auch weniger renovierte reizvolle Orte, die Kastanienwälder,
Weinberge und Olivenhaine, die weißen Felswände über grünem Wasser genießen
kann. Für Kanufahrer ist die Ardèche weltberühmt und beliebt. Aber auch
Motorradfahrer und Radfahrer kommen in den Kurven und im Landschaftsgenuß voll
auf ihre Kosten. Jochen Ehlers veranstaltet auch im Winter Endurotouren. Auch
für Kletterer sind die Felswände ein Eldorado und für Höhleninteressierte gibt
es in weiteren Höhlen eine Menge Naturwunder zu bestaunen. Weiter ist es ein
Eldorado für Wanderer, die wir häufig gesehen haben. Als Auch-Rennradfahrer
halte ich dort auch ein Radtrainingslager im Frühjahr oder als Radurlaub, wie es
die Ostdeutschen machten, die wir dort getroffen haben, für interessant. Das,
was wir gesehen haben, war nur ein kleiner Ausschnitt, ein Eindruck, es gibt
noch viel mehr an der Ardèche zu bewundern und zu genießen.
Mit freundlicher Unterstützung durch den Fremdenverkehrsverband Ardèche und die
kompetente Führung durch Jochen Ehlers.
Info:
www.endurofuntours.com
ENDUROFUN Tours, Postfach 43, 25710 Burg / Dithmarschen, Tel.: 0049 - 0 48 25 /
16 95
www.1000ps.de/reisestories-2339788-Offroad_in_Ardeche
Termine: 09.11.-14.11.08, 25.01.-30.01.09, 22.02.-27.02.09 und 22.03.-27.03.09
Informationen zum Gebiet bei:
Ardèche Tourisme, 4, cours du Palais, F-07000 Privas, Tel. +33 4 75 64 04 66,
Fax : +33 4 75 64 23 93
Deutschsprachiger Kontakt:
emmanuelle.istier@ardeche-guide.com
www.ardeche-guide.com
Das Hotel unserer ersten und letzten Übernachtungen: www.domaineeauvive.com
Das Hotel unserer zweiten Übernachtung: www.merebiquette.fr
Das Kastanienmuseum in Joyeuse: http://www.pays-beaumedrobie.com/fr/musee-chataign/all-accueil-chataigne.php
Das Weinmuseum in Ruoms www.vinimage.tm.fr
Der Winzer in Valvignères, der uns in fast perfekter deutscher Sprache durch
sein Weingut führte.
Die sehenswerte, bilderreiche Webseite ist in deutscher Sprache gestaltet.
http://www.masdintras.fr/00_accueils/00_de/00_01_accueil.htm
Der Winzer, dessen Weingut nach der Kapelle benannt ist, und unsere dritte
Übernachtung www.notre-dame-de-cousignac.com
Autor: Bernd Holstiege
E-Mail: bernd.holstiege@weltexpress.info
Abfassungsdatum: 10.11. 2008
Foto: © Weltexpress / Bernd Holstiege
Verwertung: Weltexpress
Quelle: www.weltexpress.info
Update: Berlin, 13.11. 2008