Die Hilflosigkeit des Arztes und das Helfersyndrom
Serie: Burnout bei Ärzten (Teil 3/3)
FRANKFURT AM MAIN (Weltexpress) - Nun reagieren nicht alle Ärzte auf die
vielfältigen Belastungen mit einem Burnout bzw. Burnout-Syndrom. Die meisten
gehen noch relativ unbeschadet aus ihrer beruflichen Belastung hervor. Aber
dennoch ist Burnout bei Ärzten weiter verbreitet als in der übrigen Bevölkerung.
Über die Gründe dafür kann man spekulieren.
Wahrscheinlich hängt dies mit der Auswahl der Menschen für diesen helfenden
Beruf zusammen, einmal der Auswahl des Systems, daß nur die mit den besten
Abiturnoten im Numerus Clausus zugelassen werden und mit diesen intellektuellen
Fähigkeiten das Studium nach den Prüfkriterien des Multiple Choice bestehen.
Diese haben aber oft nur eine intellektuelle Präsenz, weniger eine emotionale
Präsenz, um mitmenschlich und psychologisch versiert mit den Patienten umgehen
zu können. In dieser Hinsicht ist die Auswahl nach Noten eher eine ungeeignete,
von daher negative Auswahl. Dem entspricht vergleichsweise die resignierende
Feststellung eines Zahnmedizinerprofessors vor über 20 Jahren, neben dem ich bei
einer Veranstaltung saß: „Früher haben wir die Studenten mit zwei linken Händen
hinaus geekelt, aber heute in den Zeiten des Numerus Clausus haben wir ja nur
noch solche!“ Diese sind heute unsere Zahnärzte, und man kann nur hoffen, daß
sie die technischen Fähigkeiten doch noch erlernt haben.
Die Erfahrung ist, daß vor allem junge Ärzte gefährdet sind, engagierte
Menschen, die enthusiastisch und voller Erwartungen an eine neue Aufgabe gehen.
Sie „brennen“ für ihre Sache, eröffnen eine Praxis und sind vom Gedanken
beseelt, kranken Menschen auf einfühlsame Weise zu helfen. Am Beginn ihrer
Karriere empfinden viele Ärzte ihren Beruf noch als Berufung; ihr Wunsch zu
helfen und ihr Altruismus dominieren. Im Laufe ihrer Weiterbildung steigen das
Belastungserleben und Engagement an, der Beruf wird zur zentralen Lebensaufgabe,
der Arzt zum Workaholic. Der Praxisalltag, die bittere Erfahrung, oft an die
Grenzen der eigenen medizinischen Leistungsfähigkeit zu stoßen, Zeitdruck,
verzweifelte Patienten, das Auf und Ab in der Gesundheitspolitik und ökonomische
Zwänge führen zunächst zu einer Steigerung des persönlichen Einsatzes – und dann
zur Frustration. Es folgen Rückzug, Abkapselung, Vernachlässigung von Familie,
Hobbys und Privatleben und schließlich Hoffnungslosigkeit, Apathie und
Depression. Ein Gefühl der inneren Leere macht sich breit. Der Enthusiasmus ist
verflogen, das Engagement sinkt. Darüber spricht niemand gerne. Der Betroffene
nimmt seinen Zustand meist zuletzt wahr.
Hinzu kommt, Ärzte werden in deutschen Kliniken oft nach militärischen
Grundsätzen ausgebildet. Das erschwert Kreativität, soziales Engagement und
einfühlsames patientenzentriertes Verhalten. Emotionale Kompetenz und
Sensibilität müssen bei dieser klinischen Weiterbildung verkümmern.
Aber auch diejenigen, die sich in ihrem Engagement vorwiegend hohe Einkünfte,
einen hohen sozialen Status, also höhere materielle Interessen mit
Medizintechnik erhoffen, werden fortwährend mit dem Leid ihrer Patienten
konfrontiert, an dem sie nicht unbeteiligt bleiben können, auch wenn sie sich
noch so sehr davor zu schützen versuchen. Im Gegenteil, durch ihre versuchte,
aber geringe emotionale Präsenz sind sie noch schutzloser ausgeliefert, da sie
wenig gewohnt sind, sich mit emotionalen Übertragungen auseinander zu setzen.
Manche werden umso mehr frustriert sein, sich statt erhoffter leichter Gewinne
ständig mit dem Leiden und dessen Übertragung konfrontiert zu sehen.
Zum anderen resultiert der Berufswunsch der angehenden Mediziner selbst immer
wieder aus dem Wunsch zu helfen, da sie das Leiden an sich, dem eigenen Körper
und der eigenen Seele, in ihrer Familie und ihrem Umfeld verspüren und
mitleiden. In manchen Familien wird einer regelrecht delegiert, als Arzt der
Familie zu helfen. Den Patienten zu helfen, heißt dann auch, sich selbst zu
helfen, um nicht mehr mitleiden zu müssen. Nun entspricht das eigene Leiden
nicht unbedingt dem Leiden des Patienten. Dieser leidet ganz anders. (Siehe auch
zum weiteren Verständnis die Artikel über Schmerz und Empathie und den Aspekt
der „falschen“ Empathie). Der Arzt besetzt den Patienten also mit einem falschen
Leidensverständnis und Mitgefühl, sieht sich selbst im anderen, okkupiert
sozusagen den Patienten, der sich falsch verstanden fühlt und dagegen wehren
muß.
Hinzu kommt, daß alle Dinge verschiedene Seiten, selbst die negativen Dinge ihre
positiven Seiten haben können. Krankheit tut nicht nur weh, sondern hat auch
Gewinne, den sekundären Krankheitsgewinn, wie die Psychosomatiker es benennen,
nämlich oft nicht mehr arbeiten zu müssen, entlastet zu sein, Zuwendung und
Hilfe zu erfahren oder eine Rente zu erhalten. Infolgedessen wird Krankheit
unbewußt sozusagen gesucht und alle Hilfebemühungen werden sabotiert, denn sie
sind noch das kleinere Übel gegenüber anderen schlimmeren Anforderungen. Darüber
hinaus gibt es noch so etwas wie einen tertiären Krankheitsgewinn, in dem jemand
im Umfeld seine Lebensaufgabe und seinen Lebenssinn darin findet, den er
ansonsten vielleicht nicht hätte, den Kranken zu bemuttern und zu versorgen. Das
kann auch die Aufgabe von Ärzten sein. Der Kranke opfert sich sozusagen zum
Wohlergehen des Umfeldes auf und bleibt krank. Dann wird dieses Umfeld meist
unbewußt eine Heilung sabotieren, wie etwa Co-Alkoholiker den Alkoholismus ihres
Partners durch ihr Verhalten fördern.
Im Zustand der eigenen Hilfsbedürftigkeit anderen zu helfen, mag dann eine
doppelte Überforderung bedeuten. Diese eigene Hilfsbedürftigkeit wird also mit
der Hilfsbedürftigkeit des Patienten zu kompensieren versucht und an diesen
delegiert. In dieser Situation übernimmt der Arzt eine Machtposition, der
Patient eine unterlegene Position, in der er zwar wie ein Kind die starken
Eltern sucht, die ihn hochambivalent aber auch entwürdigt. Gegen diese
stellvertretende Hilfsbedürftigkeit für den Arzt und gegen diesen Machtmißbrauch
wird sich dann mancher Patient, schließlich sind das Leiden des Arztes und die
Delegation nicht seine Sache, sicherlich unbewußt, wehren und die
Behandlungsfortschritte verweigern. Außerdem fehlen dem hilfsbedürftigen Arzt
die emotionalen Fähigkeiten, hauptsächlich die der Beruhigung und Tröstung, da
er diese in seiner Entwicklung wenig kennen gelernt hat, sich und anderen zu
helfen. Ansonsten würde er nicht leiden. Der Arzt wird zum hilflosen Helfer und
bleibt für sich und den Patienten frustriert zurück. Man spricht auch vom
Helfer-Syndrom. Man sieht, die Arzt-Patienten-Beziehung ist eine hochkomplexe
und komplizierte Geschichte, die sich aber nicht grundsätzlich von anderen
menschlichen Beziehungen unterscheidet. Deswegen ist das Phänomen des Burnout so
weit verbreitet.
Für diesen Zusammenhang mit dem Helfer-Syndrom sprechen auch der verstärkte
Burnout in anderen, weniger gut bezahlten Helferberufen wie Krankenschwestern,
-pflegern und Altenpflegern. Der Arzt bekommt wenigstens noch eine bessere
materielle Honorierung. Über lange Zeit wurden die Ärzte immateriell
(„Halbgötter in Weiß“) und materiell für den höchst verantwortungsvollen,
gesellschaftlich unabdingbar notwendigen und persönlich belastenden Beruf
entschädigt. Diese Zeiten sind in den Augen vieler Ärzte vergangene Zeiten, und
dort, wo das nicht so ist, dort wird Stillschweigen bewahrt Der Arztberuf ist
bis heute auch einer der anerkanntesten Berufe in der gesellschaftlichen
Werteskala, so daß Menschen, die sich selbst ansonsten wenig anerkennen, darin
Anerkennung finden. Inwieweit das eigene Leiden die Berufswahl bestimmt, kann
ich aus eigener Erfahrung belegen. Ich erinnere mich, als ich als Medizinstudent
stark unter orthopädischen Fußbeschwerden litt, wurde der Beruf des Orthopäden
für mich interessant. Als ich diese Beschwerden im Griff hatte, habe ich an den
diesbezüglichen Berufwunsch nicht einmal mehr gedacht. Später habe ich es sogar
mir und allen gezeigt, indem ich 100 km in hervorragenden Zeiten ohne
Fußbeschwerden und ohne Einlagen lief. Man mag spekulieren, aus welchen
psychischen Gründen ich ausgerechnet den Beruf des ärztlichen Psychotherapeuten
gewählt habe.
Um der emotionalen Einbezogenheit und der Übertragung des Leidens zu entkommen,
hilft unserer Ansicht nach nur, die eigene Befindlichkeit zu beachten und
anzuerkennen, die eigenen Gefühle, Phantasien, Bilder und Reaktionen – bei
Handlungen spricht man psychoanalytisch vom Handlungsdialog -, und nicht mehr
ausschließlich fremdverantwortlich und fremdbestimmt auf den Patienten
ausgerichtet zu sein. Psychoanalytisch spricht man bei der Übertragung von
Befindlichkeiten auch von Gegenübertragung. Sich selbst gleichberechtigt zum
Patienten zu sehen, führt von der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung und von
der Verantwortung zur Antwort. Außerdem ist die eigene Befindlichkeit ein
Spiegel und ein hervorragendes Diagnostikum für den Patienten. Die ärztliche
Weiterbildungsordnung hat dieses Faktum auch anerkannt und in die
Facharztweiterbildungsordnung als psychosomatische Grundversorgung eingeführt.
Allerdings konkurriert diese Medizin mit der gesellschaftlich bisher
favorisierten naturwissenschaftlichen, biologistischen und technisierten
Medizin, in der eine Depression beispielsweise auf eine
Transmitterstoffwechselstörung zurückgeführt wird und Medikamente verabreicht
werden, die auf diese einwirken, ein aus Angst und unterdrückter Wut völlig
verspannter Rücken an der Bandscheibe operiert wird, oder ein „gebrochenes“ Herz
mit dem Herzkatheter diagnostiziert und erweitert wird, Bypass und Shunts gelegt
werden. Diese Maßnahmen können zwar gute Wirkungen erzielen, ändern aber nichts
an den Ursachen, so daß sie immer wieder erforderlich sein können, solange sich
an der Lebenseinstellung und allgemeinen Lebenssituation des Patienten wenig
ändert.
Wollen wir den Spiegel der Gegenübertragung zum besseren Verständnis kurz
beispielhaft betrachten: Reagiert der Arzt mit Ärger und Wut auf den Patienten,
dessen Angehörige oder andere beteiligte Personen, kann dies ein Spiegel des
Ärgers des Patienten sein, obwohl dieser oft nur über Schmerzen, Erschöpfung und
depressive Verstimmungen klagt. Artikuliert der Arzt seinen Ärger und
interpretiert ihn als die Wut des Patienten, kann Bewegung in die Symptomatik
kommen. Vergleiche das obige Beispiel des Orthopäden und dessen Handlungsdialog.
Die Angst des Arztes kann Ausdruck der Angst des Patienten sein, wie beim obigen
Beispiel des „eingebildeten“ Herzkranken dargestellt. Eigene Schuldgefühle,
etwas falsch, Fehler gemacht zu haben, können Ausdruck der Schuldgefühle des
Patienten sein. Gerät der Arzt in der Konfrontation mit dem Patienten in eine
depressive Verstimmung, kann diese beim Patienten dahinter stecken, obwohl
dieser ganz andere Beschwerden anführt.
Jedoch spielen sich im Arzt nicht nur negative Gefühle ab. Geht im Arzt
genüßlich vor, daß das Leiden dem Patienten zurecht widerfährt, spiegelt er die
Rachegefühle und Schadenfreude des Patienten wieder. Dann mag dahinter stecken,
daß der Patient in seinem Leiden sich durch das Mitleiden und die Sorgen seines
Umfeldes rächt und insgeheim triumphiert. Wenn ich die familiäre Zerstrittenheit
des Angstkranken näher geschildert bekomme, reagiere ich mit Überdruß als
Spiegel des Überdrusses des Patienten, der sich mit Fußschmerzen oder
Schwindelzuständen an seinen Wünschen hindert, davon zu laufen. Hat der Patient
Hoffnung, überträgt sich diese auf den Arzt, ebenso wie die Enttäuschung dieser
Hoffnung.
Noch schwieriger wird es für den Arzt, wenn er nicht mehr zuhören kann,
gedanklich wegtritt, die Ohren auf Durchzug stellt oder ihn eine bleierne
Müdigkeit und Schwere befällt, obwohl der Patient lebhaft seine Beschwerden
darstellt. Der Psychoanalytiker neben der Couch mag dann sogar einschlafen. Er
reagiert auf das Innere des Patienten, der sich selbst nicht mehr zuhören kann,
innerlich gelähmt, müde und schwer ist und diesen inneren Zustand durch äußere
Lebhaftigkeit zu übertünchen sucht. Spricht der Arzt seine eigene Befindlichkeit
an und äußert Vermutungen über Zusammenhänge, dann wird es lebhaft und
interessant, der Patient kann sich verstanden fühlen und äußert eigene Einfälle,
die die Situation entspannen und ihm weiter helfen können. Aber wie soll das in
einer Fünf-Minuten-Therapie gehen? - obwohl auch dort noch einiges geht.
Ich erinnere mich an die Situation mit einer Lehrerin, der ich diese meine
Befindlichkeit schilderte und die dann mit mir zackerte: „Ihre Aufgabe ist
zuzuhören“, worauf ich erwiderte:„Nein, Sie kommen, damit ich Ihnen helfe und
das geht nicht, wenn Sie ständig an sich und ihren Problemen vorbei reden“.
Langsam sah sie das ein und brachte mehr ihre Probleme zur Sprache, so daß ihr
partiell geholfen werden konnte. Gelingt es dem Arzt oder auch Psychotherapeuten
in der Behandlungssituation nicht, seine Befindlichkeit im Hinblick auf den
Patienten zu reflektieren, und reagiert er stattdessen spontan und automatisch
mit Handlungen wie etwa mit weiteren Untersuchungen, Arzneiverschreibungen oder
Überweisungen, den Gegenübertragungsreaktionen oder dem Handlungsdialog, besteht
wiederum die Chance, diesen Handlungsdialog als ein weiteres diagnostisches
Mittel auf die beidseitigen emotionalen Befindlichkeiten hin zu reflektieren.
Auch kann er eine Aussage über die Dringlichkeit des Patienten treffen, wie sehr
dieser auf Handlungen angewiesen ist. Man sieht, ärztliche Tätigkeit kann ein
hartes Brot sein, und diese benötigt viele Kenntnisse über Hintergründe und
Zusammenhänge, um nicht unterzugehen.
Die Befindlichkeit des Arztes muß jedoch nicht allein Ausdruck des Patienten
sein, sondern diese kann der Arzt auch von sich aus mitbringen, wie ja schon
beim eigenen Leiden der Helfer erwähnt und ausgeführt. Deswegen gehören neben
der theoretischen Weiterbildung als elementare Bestandteile der
psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung die Selbsterfahrung, durchaus mit
therapeutischen Aspekten, und die Supervision, der Fallbesprechung mit
erfahrenen Therapeuten hinzu. Bei den Psychoanalytikern sind diese
Weiterbildungsanforderungen sehr umfangreich. Bei den übrigen Ärzten und
Fachärzten können im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung Balintgruppen
nützlich sein, in denen Ärzte im Kollegenkreis unter Anleitung ihre
problematischen Fälle schildern und die Kollegen zur Fallklärung ihre eigenen
Einfälle und Befindlichkeiten zur Sprache bringen. Ohne dieses Rüstzeug besteht
die Neigung, daß der Arzt sich mit seinen Anteilen mit dem Patienten verstrickt,
fremdbestimmt wird und zum hilflosen Helfer mutiert. Trotz Aus- und
Weiterbildung tappt der Arzt noch oft genug in die Falle, die der Patient sich
selbst und dem Arzt stellt. Aber seine Chancen sind verbessert, die Arbeit wird
menschlicher, interessanter, und der Burnout tritt nicht so leicht auf.
Im Deutschen Ärzteblatt werden Empfehlungen für den Arzt ausgesprochen:
Zufriedenheit im Beruf ist der beste Schutz vor Burnout. Dazu gehört auch, sich
um sich selbst zu sorgen, das Leben zu genießen, die eigenen Bedürfnisse
wahrzunehmen und zu respektieren. Viele werden einwenden, dies sei unter den
gegebenen Umständen nicht möglich. Dennoch ist es die Aufgabe für jeden Arzt,
selbst daran zu arbeiten. Ärzte müssen lernen, sich eigenes Kranksein zu
erlauben, Körperbedürfnisse zu beachten, regelmäßige Pausen, effektives
Zeitmanagement, Urlaube, Aufgaben zu delegieren, „nein“ sagen zu lernen, Hang
zum Perfektionismus zu vermeiden. Entspannungstechniken und Atemübungen sind
wichtige Einzelmaßnahmen. Daneben ist den Patienten eine deutlich höhere
Eigenverantwortung für ihre Erkrankungen an die Hand zu geben und ihm inhaltlich
zu erklären, so daß Krankheit nicht mehr zu einer einseitigen Verantwortung
allein für den Arzt wird.
Selbstschutz wird Ärzten in ihrer Aus- und Weiterbildung wenig beigebracht und
steht auf der Prioritätenliste ganz unten. Ärzte sind darauf trainiert, sich um
andere zu sorgen und die eigene Person in den Hintergrund zu stellen. Nicht
selten wird auch heute noch eine inhaltlich und zeitlich nahezu unbegrenzte
Hingabe vom Arzt erwartet. Andererseits kann der Arztberuf nicht auf ein
übliches Niveau von „Leistungserbringern“ reduziert werden. In diesem Dilemma
steckt jeder einzelne Arzt. Dem Phänomen des Burnout kommt auf diese Weise eine
weitergehende, eine gesellschaftliche Bedeutung zu. Wie bereits angeführt,
sprechen viele Faktoren für eine Verbindung zwischen den Entwicklungen im
Gesundheitssystem und der Persönlichkeit des Arztes. Dennoch, die einzelne
Ärztin und der einzelne Arzt sind betroffen, und es ist ihre Aufgabe,
eigenverantwortlich für sich zu sorgen – unabhängig davon, was im
Gesundheitssystem geschieht.
Der Begriff des Burnout führt bei vielen Ärzten sofort zu einer Abwehrreaktion.
Sie wollen sich vor dieser Diagnose schützen. Burnout – das haben immer nur die
anderen. Deswegen beginnen Kollegen und Angehörige erst in weit
vorangeschrittenen Stadien des Burnouts einzugreifen. Weiterhin sollten
Medizinstudenten bereits während ihres Studiums lernen, wie sie sich selbst
aufbauen und eigene Ressourcen erneuern. Ärzte müssen lernen, unabhängig von
ihrer Berufsausübung ihre persönlichen Bedürfnisse zu achten und zu schätzen.
Emotionale Kompetenz und Intelligenz bedeuten den persönlich richtigen Umgang
mit eigenen und fremden Emotionen, die auf verschiedenen Wegen zu erlernen sind.
Weitere Informationen können die Artikel über das Gesundheitswesen, die beiden
Artikel über Schmerz und Empathie, über die Fibromyalgie und über den
Aberglauben im Gesundheitswesen vermitteln (im Archiv: unter Suchen Bernd
Holstiege eingeben).
Autor: Bernd Holstiege
Unter Mitarbeit von Claudia Schulmerich
E-Mail: bernd.holstiege@weltexpress.info
Abfassungsdatum: 11.06. 2008
Foto: © Ärzteinitiative der Charité
Verwertung: Weltexpress
Quelle: www.weltexpress.info
Update: Berlin, 11.06. 2008