Eintracht Frankfurt - Werder Bremen 0 : 1, Eintrachts leidige Chancenverwertung
Ein Fußball-Laie beim Eintrachtspiel
Ein Live-Fußballspiel der Eintracht habe ich vor knapp 50 Jahren gesehen. Da hatte ich wohl ein ziemlich langweiliges erwischt. Außerdem habe ich ab Mitte 30 selber Sport betrieben, zuerst Laufen, dann noch Triathlon – also für Fußball keine Zeit. Mein Sohn spielte in einer Ligamannschaft, hörte aber nach mehreren Verletzungen auf. Das Schlimmste war ein Augenbodenbruch, wodurch der eine Augapfel tiefer stand und er Doppelbilder sah. Ein Mitspieler hatte sein Auge gerammt – und sich noch nicht mal entschuldig! Gottseidank wurde das Problem von einem kosmetischen Chirurgen mit einer Kunststoffplatte behoben. Ein harter verletzungsanfälliger Sport. Da lob ich mir Triathlon, dort kann einem Weichei wie mir kaum etwas passieren – und ein Ironman klingt dazu noch viel heroischer!
Trotzdem habe ich oft im Fernsehen Spiele verfolgt - meine Frau noch viel interessierter - und mir gedacht, irgendwann muß ich doch mal wieder hin und vor allem in das wunderschöne neue Stadion. Ich muß sogar zugeben, ich war so weit Eintrachtfan, daß ich nach einer Niederlage niedergeschlagen oder nach einem Sieg wohlauf war, bis andere Dinge mehr die Stimmung prägten. Das alte Stadion kannte ich von Zieleinläufen bei Spiridon-Volksläufen. Einmal lief sogar Joschka Fischer anfangs neben mir, als er noch so mager, alt und verhärmt aussah, und wurde eine halbe Stadionrunde vor mir im Ziel namentlich begrüßt. Claudia Schubert, die hier oft über die Eintrachtspiele schreibt, gab mir ihre Pressekarte, da sie selbst verreiste, gab mir noch ein paar Ratschläge wie, ich sollte 11/2 Stunden eher da sein und das Buffet nicht vergessen. Also war mein Wunsch erfüllt. Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, einen fachmännischen Bericht zu schreiben oder einen ganz subjektiven, entschloß mich zu letzterem.
Am Hauptbahnhof stiegen schon einige Fans mit Apfelwein- und Bierflaschen in die Straßenbahn hinzu. Nach der Endstation ging es in Scharen durch die Fußballdevotionalienstände bis zu einer Kontrolle, wo die Zuschauer wie im Flughafen abgetastet wurden, ich mit meiner Pressekarte nicht. Auffällig war der Eintrachtumweltbeauftragte, wie einige witzelten, der die halbvollen Flaschen, die abgegeben werden mußten, es hieß, ansonsten müßte 1€ bezahlt werden, fachmännisch in seiner Kehle entsorgte, offenbar ein Alkoholikerabstauber. Ich fand meinen Tribünenplatz kurz unter dem Dach, eine recht zugige Angelegenheit, auf die ich kleidungsmäßig bei dem warmen Wetter nicht eingestellt war. So weit oben, ganz unten der Rasen, soviel weiter entfernt als im Fernsehen, mußte ich mich erst mal sortieren. Von rechts aus der Eintrachtfankurve erscholl lautstark ein Trommelgesang, etwas leiser und nur gelegentlich aus der gegenüber liegenden Kurve der Werderfans.
Bald ging das Spiel los, von wegen Buffet und Pressekonferenz, ich war viel zu spät. Von so weit oben schienen die Spieler sich eher gemächlich zu bewegen. Nach wenigen Minuten versiebte Amanatidis 2 Großchancen. Seine Angriffe wurden anfangs mit Getöse begleitet. Später fiel mir mehr Benjamin Köhler auf, und der Rechtsaußen machte einige Flankenläufe. Die Bremer hatten kaum Chancen. Einmal erhob sich ein tosendes Gelächter. Als ich nach dem Grund zu schauen versuchte, sah ich, Köln hatte in München das 1 : 0 geschossen. Leider glichen die Münchener bald aus. Einige Flanken der Bremer bewunderte ich. Über große Stecken und mehrere durcheinander wirbelnde Spieler erreichte die Flanke genau den Bestimmungsort. Von beiden Seiten blieben auch Fehlpässe beim Gegner hängen. Einige grobe Fouls gab es, und der Bremer Torwart hatte sich unglücklich verletzt und mußte ausgetauscht werden. Der Neue machte seine Sache recht gut.
Pause 0 : 0, ein ausgeglichenes Spiel mit anfangs mehr Eintrachtchancen, aber, wie halt so oft, nicht rein in den Kasten. Mit der leidigen Chancenverwertung hatten die Eintrachtler manches Spiel versiebt. In der Pause gleich runter ins Bistro, überall Kartenkontrolle und Security, 3 Stück Kuchen, 1 Kaffee und ein Bier. Die 2. Halbzeit konnte frisch gestärkt in Angriff genommen werden.
Jetzt hatten die Bremer etwas mehr vom Spiel. Aber das 0 : 1 erfolgte durch einen Elfmeter, den ein Frankfurter durch unnötiges Ziehen am Trikot von Klose verursacht hatte. Mein Nachbar schimpfte wie ein Rohrspatz. Die Ausgleichsbemühungen der Eintracht hätten kurz vor Schluß noch von Erfolg gekrönt werden können. Aber es blieb dabei.
Anschließend runter in die Mixed-Zone, wo wir Journalisten – ja, ich gehörte heute dazu – vorbeilaufende auskunftswillige Spieler auf dem Weg zur Umkleide intervieuwen konnten. Einige gaben bereitwillig und ausführlich Auskunft wie Ioannis Amanatidis, Oka Nikolov, Andree Wiedener, ein kerniger Typ, eher wie ein Extremsportler aussehend. Was sollten sie viel sagen? Natürlich hätten sie gerne gewonnen, aber als Abstiegsanwärter gegen einen Championsleageaspiranten? Sie waren mit ihrem Spiel zufrieden und zuversichtlich, in den ausstehenden 6 Spielen die Liga zu erhalten. Nur Bruchhagen wurde durch eine Frage nach Bielefeld auf dem falschen Fuß erwischt, „…damit sollte man ihm nicht schon wieder kommen, sie seien alle erwachsene Leute…!“ Recht hat er! Ähnliches wurde auch in der anschließenden Pressekonferenz gesagt, wo die beiden Trainer anwesend waren.
Ja, das war’s. Wenn ich mal wieder eine Pressekarte von Claudia bekommen, vielleicht auch auf eigene Kosten gehe ich mal wieder hin.
Autor: Bernd Holstiege
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Abfassungsdatum: 03.04. 2006
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Update: Berlin, 03.04. 2006