mens insana in corpore insana, Teil 2

Über die Auswirkungen der Traumatisierung

Und wie kann es zu einem kranken Geist kommen und was hat das alles mit einem kranken Körper zu tun? Am Anfang steht die Traumatisierung, schwere seelische und  körperliche Verletzungen, die zur Störung des menschlichen Geistes führen und den bisher Gesunden zum Kranken machen können. Die Traumatisierung ist das Zentrum und die Ursache der Störungen, die auftreten, weil etwas passiert ist, was unser Fassungs- und Verarbeitungsvermögen übersteigt. Das können existentielle, das Überleben tangierende  Katastrophen sein, wie Naturkatastrophen, Kriege, Vertreibungen, Vergewaltigungen, Folterungen, sexueller Mißbrauch, Mißhandlungen, Seuchen, schwere Krankheiten. Wie oben erwähnt, brauchen diese nicht selbst erlebt sein, sondern können als Bedrohungen und Katastrophen über die Generationen hinweg weiter gegeben und überliefert sein und prägen sich so in die Nervenzellen ein.

Die Katastrophe fährt wie ein Keil in unseren Geist und dessen körperliche Materie und trennt vorher zusammenhängende geistige wie körperliche Prozesse  und deren Verknüpfungen oder verhindert in der Kindheit die sich im Wachstum aufbauenden Zusammenhänge. Bei dieser Spaltung zerfällt die Welt  in "entweder - oder", in  "gut oder böse", "richtig oder falsch", "oben oder unten", und zerfällt der Mensch in "Geist - Körper"," Verstand oder Gefühle. Die gespaltenen Teile werden unvereinbar. Zwischenschattierung, das Sowohl  und Alsauch und Ambivalenzen gehen verloren. Ambivalenzen gehören zu unserem Leben, da alle Ereignisse, Vorgänge und Menschen gute und schlechte Seiten haben. Diese unsere Einheit geht in der gespaltenen oder dissoziativen Wahrnehmung verloren, obwohl diese Einheit real noch vorhanden ist, da es kein gut ohne böse und keinen menschlicher Geist ohne einen lebenden Körper geben kann. Solche Katastrophen können auf einen erwachsenen Menschen einwirken, aber auch eine Kindheit kann eine einzige Katastrophe sein. Durch sie wird der spontane Fluß des Lebens "wie es sich halt ergibt und an greifbaren Chancen bietet" empfindlich gestört.

Die katastrophalen Erfahrungen nehmen durch die Kraft der Zerstörung in unserer menschlichen Wahrnehmung Priorität ein, dienen als Maßstab weiterer Wahrnehmung und werden deswegen im weiteren Leben und Alltag in allen möglichen Situationen hineingesehen und gefürchtet. Dadurch besteht eine selektive Wahrnehmung. Durch das "Hineinsehen" spricht man auch von Dramatisieren oder Katastrophisieren. Dazu ein kleines Beispiel: Ein Jahr nach dem 11.September flog ein harmloses Kleinstflugzeug um die Frankfurter Hochhäuser.  Jeder hatte noch das katastrophale Ereignis vor Augen und somit verbreitete ein Kleinflieger einen ähnlichen Schrecken wie die Großflugzeuge am Twintower.  Ohne dies Vorereignis wäre der panische Schrecken mit allen Abwehrmaßnahmen nie passiert.  Diese Erfahrungen prägen den Zukunftsentwurf, die Prophezeiungen oder Antizipationen. Jeder weiß, gute Erfahrungen machen Hoffnung und Zuversicht, schlechte bewirken Angst und bei dauerhafter Ohnmacht und Hilflosigkeit, etwas dagegen zu unternehmen, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Der Zukunftsentwurf auf dem Boden der Vergangenheitserfahrung ist also entscheidend, auch bei Gesundheit und Krankheit. Trifft eine spätere Katastrophe auf einen in der Kindheit traumatisierten Menschen, ist sie für ihn eine Bestätigung für etwas, was er sowieso schon erwartet hat, und eine um so schlimmere Katastrophe. Die Geschichte des Don Quichotte ist deshalb im Volkstum so sehr verankert, weil dadurch harmlose Inhalte wie Windflügel als Feinde wahrgenommen bzw. dazu hochstilisiert werden. Dies sind Quichotterien, der Volksmund spricht von "aus einer Mücke einen Elefanten machen". Das dies jedoch nicht nur ein geistiger, sondern auch ein körperlicher Vorgang ist, zeigen neue hochauflösende bildgebende Verfahren, die eine Verarmung der Verästelungen und Verknüpfungen der Nervenzellen nachweisbar im Bild wiedergeben.

Auf Grund evolutionärer Anpassung sind unsere Gehirne daraufhin ausgelegt, fortwährend nach den optimalen Verhaltensoptionen zu suchen. Durch die negative Erwartung von Bedrohungen nimmt für den Traumatisierten deren Verhinderung und die Absicherung absolute und oberste Priorität im menschlichen Leben ein, ist in seinem Weltbild die optimale Verhaltensoption.  Die Strategie, durch Gebote und Verbote die erwartete Katastrophe zu verhindern, macht deren Übertretung zu einer erneuten Bedrohung und wird deswegen vehement verurteilt, geächtet und entwertet. Das Leben entartet zu einer Kontrolle und Beherrschung des eigenen Seins und der Umwelt. Gegen ubiquitäre Bedrohungen und Ohnmacht wird als Gegenreaktion Allmacht gesetzt.  Unsicherheit, Unklarheit, Verwirrung und Chaos werden gefürchtet, weil in ihnen die Katastrophen geschehen können. Die Kontrolle kann zu einer absoluten Kontrolle führen, zu Absolutismus und Totalitarismus, und die Forderung nach absolutem Gehorsam ist die Folge. Der Verstoß wird als Schuld, Sünde, Schande, Versagen oder ähnliches gebrandmarkt und am Übertretenden festgemacht. Er ist der Schuldige, Sündige und in seinem narzißtischen Selbstbild (Narzißmus - im Spiegel des eigenen Selbst) entwertet. Die ursprünglich äußere körperliche Bedrohung wird also zu einer seelischen bzw. narzißtischen Bedrohung des Individuums. Der gegen die Gesetze und Verbote Verstoßende wird der Sünder und Schuldige, der sie einhält der Gute. Auch dadurch findet eine Spaltung in  gut - böse, richtig - falsch, Psyche - Körper, entweder - oder, oben - unten statt. Das Letzte, die Herrschaft, Macht und Kontrolle begründet die Hierarchie in der patriarchalischen Gesellschaft. Die Spaltung zwischen Geist und Körper bewirkt etwa, daß körperliche Folgen ausschließlich im Körper etwa als Schweißausbrüche, Herzjagen oder Muskelverspannungen und nicht als Aussagen im Geiste im Kopf erlebt werden.

Dieser Sachverhalt ist in der biblischen Schöpfungsgeschichte sehr gut beschrieben. Der Zeitgeist des 19. Jahrhunderts - und weit darüber hinaus - spiegelt sich etwa in den damals meist gelesenen pädagogischen Büchern von Schreber wieder,  - wie auch noch heute in Schrebergärten die Natur in Reih und Glied zu bändigen ist - in denen der Wille des Kindes um jeden Preis bekämpft werden muß - kein Wunder, daß Generationen von gebrochenen Menschen ihre Wut und ihren Haß an ihnen Fremdem, Unbekanntem und an stigmatisierten Randgruppen wie den Juden ausließen, insofern ihre eigene menschliche narzißtische Vernichtung an diese delegierten.

Für die narzißtische Bedrohung gelten die gleichen Gesetze wie bei der körperlichen Bedrohung, die also in den Alltag überall hinein gesehen und gefürchtet wird und ihre somatischen eingeprägten Grundlagen hat. Abgekoppelt von den ursprünglichen Bedrohungen entwickeln die antizipierten Bedrohungen also ein Eigenleben. Die Folge können massive Ängste wie die soziale Phobie, die Bedrohung im Angesicht der Umwelt, und andere psychische und körperliche Reaktionen sein. Langjährige Untersuchungen an Folteropfern wie etwa norwegischen Kriegsgefangenen, Vietnamveteranen oder KZ-Überlebenden zeigen eine massiv erhöhte Krankheitsanfälligkeit und zwar über die gesamte Krankheitspalette. Das Trauma führt also nicht zu spezifischen Erkrankungen.

In einem von wenig körperlichen Bedrohungen gekennzeichneten Alltag haben als Folge früherer Katastrophen die narzißtischen Bedrohungen als Schande, Schuld, Sünde, Peinlichkeit Vorrang und sind also allgegenwärtig. Als Folge wird das Leben zu einem einzigen narzißtischen Überlebenskampf, um den Wert und Unwert, Achtung und Mißachtung, den Ruf und Prestige. Das "Gesicht zu verlieren" bedeutet nicht nur in östlichen Kulturen den tiefsten Absturz. Dieser Kampf, seine damit verbundenen Ängste und Spannungen können zu Störungen der Gesundheit führen und Krankheiten bis zum vorzeitigen Tod in diesem Kampf der Lebensweg werden. Die narzißtischen von innen kommenden Bedrohungen sind nicht so leicht faßbar wie äußere Feinde. Deswegen besteht in Kriegszeiten häufig eine gefestigtere seelische Stabilität als in Friedenszeiten und, falls die Bedrohungen kumulieren, besteht als Aggressionsabfuhr und zum narzißtischen Überleben eine Neigung zum Krieg.

Da die Traumatisierung und ihre Folgen Priorität im menschlichen Leben haben, wird kaum noch etwas anderes im Leben gesehen. Es gehen also sämtliche Unterschiede und Differenzierungen verloren, etwa, daß etwas gar nicht bedrohlich ist oder andere Menschen ganz anders denken und bewerten. Durch die Entdifferenzierung werden die inner- und zwischenmenschlichen Grenzen nicht mehr wahrgenommen. Intrapsychisch entstehen Größenbilder etwa von Allmacht, Grandiosität, Perfektion bis zur Göttlichkeit und das Gegenteil wie Minderwertigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit, wobei der Selbstwert verloren geht. An den Wert sind die Rechte gekoppelt. Es bestehen also übermäßige göttliche Rechte oder Rechtlosigkeit, sodaß der Traumatisierte seine Menschenrechte nicht adäquat wahrnehmen kann. Zwischenmenschlich gehen die Grenzen verloren, sich selbst, die eigenen Bewertungen und Bedeutungen in anderen, im Umfeld zu sehen und die Bewertungen des Umfeldes in sich aufzunehmen, gerade so, wie es in der kindlichen Prägungsphase geschehen ist und dadurch weiterhin geschieht. Siehe die Ödipussage. Der narzißtisch Traumatisierte ist in seinem weiteren Leben also nur mit seiner Aufwertung und der Verhinderung der Entblößung seines wahren Selbst beschäftigt. Da dieser Kampf aber auf seine innere Entwertung hinweist, bestätigt er diese nur, ein ewiger tragischer Kampf und Teufelskreislauf.

Weiterhin gilt nur das Wahrgenommene und Sichtbare. Das Nichtwahrgenommene, Hintergründe und Zusammenhänge sind nicht existent, etwa warum ein Mensch ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt oder unter bestimmten Beschwerden leidet wie körperliche Schmerzen als Ursache im Kopf, Aussagen, die ihm Schmerzen bereiten. Der Traumatisierte verharrt oder fällt auf die Stufe eines Kleinkindes zurück, für das nur das Erlebte und Wahrgenommene gilt. In diesem Verharren sehen dann Erwachsene, so als ob sie Kinder wären, ihre Eltern etwa als Götter, die sie bösartig fertig machten und nicht als Menschen, die aufgrund eigener Traumatisierungen nicht anders konnten. In der Traumatisierung verwischt die Grenze zwischen Opfer und Täter, zwischen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung. Jeder ist Täter und Opfer zugleich, also der Kranke verursacht seine eigene Krankheit. Oder in der Rechtsprechung wird am Täter die vermeintlich selbstbestimmte Schuld und Verantwortlichkeit ausgemacht.

Im Trauma wird die subjektive Wahrnehmung zur einzigen und absoluten Wahrheit, gegenüber dieser es keine Subjektivität geben kann. Andere Inhalte sind unvereinbar, davon wie durch einen Keil getrennt.  Die Absolutheit, Unvereinbarkeit und Spaltung prägen das Weltbild. Die Folge ist häufig Streit und zwischenmenschliche Zerwürfnisse, Streit um die Wahrheit, wer nun in seiner subjektiven Wahrnehmung objektiv recht hat. Der andere hat unrecht, ein Kampf um Sieg und Niederlage. Der Unterlegene ist gedemütigt und blamiert und muß um seine Rehabilitation kämpfen. Für einen Nichttraumatisierten wäre die unterschiedliche Wahrnehmung eher interessant und bereichernd.

Je stärker die Bedrohungen sind, um so schneller müssen sie im Überlebenskampf verhindert, kontrolliert werden. Dies geschieht sozusagen reflexmäßig und automatisch. Diese Reflexe, Automatismen und Mechanismen erwerben ein Eigenleben und bestimmen den Alltag, sodaß wenig Raum für eine weitere Entfaltung besteht. Ich spreche von einer Herrschaft der Mechanismen und Automatismen.

Nun ist es unsere menschliche Anlage, die Selbstbestimmung aufrecht zu erhalten, nicht nur wegen der dahinterstehenden Bedürfnisse und Wünsche, sondern gerade wegen der Selbstbestimmung, sich dadurch der Kontrolle zu entziehen und gegen die Gebote und Verbote zu verstoßen. Die Verbote stellen also eine Provokation und Verführung zu Übertretung dar. In der frühen Kindheit prägen sie die Trotzphase, später Protest, Verweigerung, Sabotage und Gegenbeweise. Infolge der Automatismen besteht im Inneren ein Neben- und im äußeren Verhalten ein Nacheinander von absoluten Gehorsam und Unterwerfung, die oft genug als Demütigung und Erniedrigung - also einer erneuten Traumatisierung -  aufgefaßt werden, und Trotz, Verweigerung und Sabotage. Die Tragik der Traumatisierung ist, daß in beiden Zuständen eigene, autonome Schritte und die Interessenswahrnehmung nicht stattfinden können. Sowohl das trotzige als auch das gehorsame Kind können in diesen Zuständen nicht spielen gehen. Traumatisierte Eltern können die Autonomie ihrer Kinder kaum fördern. Sie ist ihnen wegen dieser Unsicherheiten und Unberechenbarkeiten viel zu bedrohlich. Das wichtige Ausprobieren und Erfahrungensammeln im Lebensweg entfällt. Kinder und später Erwachsene müssen alles genau vorausberechnen, planen und schon vorher wissen, typischer Satz "du mußt wissen, was du willst", ohne es je vorher ausprobiert und kennengelernt zu haben.

Diese Erhaltung der Selbstbestimmung führt zu inneren Widersprüchen. Einerseits schwingen die Ängste mit wie etwa beim kontraphobischen Verhalten, gerade das zu tun, was besonders Lust und gleichzeitig Angst, "Angstlust" oder "Thrill", bereitet. Dies dient auch dem Ziel, die ersehnte Sicherheit zu erlangen, daß dies nicht gefährlich sei. Andererseits gerät der Traumatisierte gerade durch die Aufrechterhaltung der Selbstbestimmung, des eigenen Selbst, in Konflikt mit sich selbst und der Umwelt. Vor allem Entscheidungen sind im traumatisierten Zustand eine herkulische Aufgabe "Herkules steht am Scheidewege", da jegliche Entscheidungen Unsicherheit beinhalten und diese in der Absolutheit als falsch gefürchtet werden. Dort besteht oft eine Lähmung, eine innere Pattsituation, oder als Gegenreaktion die Neigung, sich ohne Abwägung des Für und Wider kopflos überschnell zu entscheiden. Und sollte sich entschieden werden, geht das innere Zermartern (wie beim Depressiven), ob die Entscheidung richtig oder falsch war, endlos weiter, obwohl in jeglicher Entscheidung ein Abwägen nach bestem Wissen, wenn auch hier im traumatisierten Wissen, erfolgt.

Wie oben erwähnt nehmen die unsichtbaren Inhalte, also das Unbewußte des menschlichen Geistes einen wesentlich größeren Raum als die sichtbaren Inhalte. In der Traumatisierung und somit absoluten und gespaltenen Welt gelten nur das Sichtbare, wie in den Naturwissenschaften und der naturwissenschaftlichen Medizin verbreitet, oder das Unsichtbare und Geistige wie in mystischen Wahrheiten. Gilt nur das Sichtbare, ist nur dieses existent, ist der Mensch dem Unsichtbaren und Unbewußten hilflos ausgeliefert, kann dieses nicht einbeziehen und sich über dieses Vorstellungen erwerben, mit denen er arbeiten kann. Die Medizin spaltet üblicherweise in Körper und Psyche, für die jeweils unterschiedliche Behandler zuständig sind, obwohl jeder weiß, daß etwa Angstinhalte im Geiste zu körperlichen Vorgängen wie Schweiß, Muskelverspannungen, Hautblässe oder Errötung oder erhöhter Darmtätigkeit (Angstschisser!) führen. Im Zustand des Traumas geht dieses Wissen verloren. Nur sichtbare Veränderungen in groben Untersuchungen wie Anblick, Tastbefund, Röntgen gelten bei Ärzten und den Patienten selbst als Krankheiten. Funktionelle schmerzhafte Beschwerden ohne groben Organbefund werden als eingebildete Kranke, Psychokrüppel oder Simulanten angesehen. Die Kranken geraten unter Rechtfertigungs- bzw. Legitimitätsdruck, wodurch sie um so kränker werden, obwohl neue bildgebende Verfahren als Folge der Traumatisierung auch dort die organischen Störungen in den Neuronen und Verflechtungen nachweisen können, diese also auch organisch krank sind. Dies ist jedoch noch zu wenig in dem Bewußtsein von Kranken und Ärzten verankert. Psychotherapeuten sind in der Ärzteschaft verunglimpft und gefürchtet und für die Kranken selbst die Psychotherapie die Ultima Ratio und Bankrotterklärung.

Andererseits ist gut verständlich, daß durch die Fortschritte der Organmedizin, das Wissen über Erreger von Seuchen und Hygiene, einem Sieg der modernen Medizin über den Aberglauben früherer Zeiten, diese Fortschritte nicht an das durch die Traumatisierung erfolgte Wiederaufleben früherer schlimmer Erfahrungen in einer anderen späteren Umwelt, die als als Aberglauben angesehen werden können, preis gegeben werden dürfen, auch nicht um den Preis der Abspaltung dieses Geistes. In der psychologischen Medizin werden dieser alte Aberglauben und das Wiederaufleben gefürchtet. Dazu ein aktuelles Beispiel: Ein junger Mann war an Leukämie gestorben. Die aufgesuchte Wahrsagerin sagte aus, er sei von einer Verwandten vergiftet worden und der Familienkrieg mit Morddrohungen brach aus. Vor allem ein Familienmitglied traute sich aus Ängsten nicht mehr aus dem Haus und wurde arbeitsunfähig. Die ganze Verwandtschaft wußte, daß der Streit an seiner Krankheit schuld war. Die Krankheit diente also der Friedensstiftung. Über die vielfältigen Aspekt von Krankheit soll später erzählt werden.

Nach meiner Auffassung könnte die psychologische Medizin bei Kenntnis der Gesetze der Traumatisierung, der Einbeziehung des Unsichtbaren eine recht exakte Wissenschaft sein, jedenfalls wesentlich exakter als die Organmedizin, die über die Ursachen vieler Krankheiten im Dunklen tappt und ihr Unwissen erklärt bzw. bei geistigen Ursachen, die naturgemäß den Körper mitbeteiligen, ausschließliche organmedizinische Ursachenerklärungen heranzieht wie etwa bei massiven Rückenschmerzen den Bandscheibenvorfall.

Bernd Holstiege

Glossar:

Trauma, Traumen: wortwörtlich Wunde, hier: starke seelische Erschütterung, die unterschiedlich verarbeitet werden kann, z.B. infolge Verdrängung aus dem Bewusstsein Zwangshandlungen oder Zwangsvorstellungen oder Fehlleistungen auslösen kann
Traumatisierung: der Prozeß, wie die starke seelische Erschütterung, der seelische Schock zum Trauma wird
dissoziativ: Zusammengehörendes zerfällt in Einzelheiten, was der Kontrolle des einzelnen weitgehend entzogen bleibt, getrennt
ubiquitär: überall verbreitet
Narzissmus: im Spiegel des eigenen Selbst gefangen, (krankhafte) Ichbezogenheit

Literatur:

Victor Frankl   Der Mensch auf der Suche nach Sinn,  Ernst Klett Verlag Stuttgart, 1972, ISBN 3-451-01930-2   und viele andere Bücher von Frankl

Dethlefsen, Thorwald   Schicksal als Chance  (und  Krankheit als Lebensweg)   Goldmann   ISBN: 3442161150

Kernberg, Otto F. Narzißmus, Aggression und Selbstzerstörung  Klett-Cotta  ISBN: 3608960090

Kohut, Heinz, Narzißmus ,Suhrkamp, ISBN: 351827757X und andere Bücher von Kohut

Glossar und Literatur: Claudia Schulmerich
 

Autor: Bernd Holstiege
E-Mail: redaktion@weltexpress.info
Abfassungsdatum: 06.03. 2006
Foto: Poeppelkiste
Verwertung: Philosophischer Salon e.V.
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Quelle: Weltexpress
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Update: Berlin, 06.03. 2006