Weltexpress

Nachrichten aus aller Welt

LEIB & SEELE

05. Januar 11 , 12:09
 

Das Kind als Bedrohung: Angst, Schuldgefühle, Zwang und Überforderung für alle Seiten - Über die Tragik des "gute Mutter"- Bildes und Ideals

Frankfurt am Main (Weltexpress) - Eine Mutter lag in der Schwangerschaft mit ihren ersten beiden Kindern wegen Blutungen und drohender Fehlgeburt im Bett, und der Muttermund wurde zugenäht. Die Kinder kamen zur Welt. In der dritten Schwangerschaft fingen die Blutungen noch früher und noch stärker an, so dass eine Fehlgeburt mit Sicherheit anzunehmen war. In ihrer Psychotherapie konnte sie die Aggressionen auf ihre Kinder ansprechen, und wie durch ein Wunder standen die Blutungen still, und das Kind kam normal zur Welt. Offenbar hatte alleine die Akzeptanz der Aggressionen, dass sie auch einmal auf ihre Kinder wütend sein dürfe, weil sie sich überfordert fühlte, zum Stillstand der Blutungen geführt.


Natürlich ändert sich ein Mensch nicht so schnell, so dass die Spannungen nach der Geburt noch nicht verschwunden waren und das Kind bald eine Neurodermitis entwickelte. Beide Eltern übersteigerten sich in ihren Ängsten und in der Dramatisierung um das zukünftige grausame Schicksal ihres Kindes und rannten von Arzt zu Arzt. In der Therapie kam die zwischenmenschliche Übertragung von Spannungen und die Hautreaktionen des Kindes, die Haut als Grenzorgan zur Umwelt, zur Sprache mit dem Vorschlag, Kind Kind sein zu lassen, sich dessen vermeintliches zukünftiges Schicksal nicht so sehr zu eigen zu machen und gar nichts mehr zu tun. Sie konnte den Vorschlag annehmen, beruhigte sich und die Neurodermitis des Kindes heilte größtenteils ab. Für viele Mütter ist es jedoch unvorstellbar, sich bei Erkrankungen des Kindes nicht die größten Sorgen zu machen. Man könnte sich in diesem Fall darüber Gedanken machen, unterdrückte Aggressionen lassen das Kind im Mutterleib sterben und allein die Anerkennung und Zulassung der Aggressionen wiederum leben.

Anlässlich der Periodenschmerzen kamen bei einer depressiven Frau ihre Krebsangst und die natürliche Ambivalenz gegenüber dem Kind zur Sprache, der Schmerz, weil sie trotz ihres Kinderwunsches kein eigenes Kind hatte. Ihr fiel ein, dass sie früher mit ihrem Freund ein Kind haben wollte, dann in ihr das Bild " ewige Fürsorge und Aufopferung " auftauchte. Sie trennte sich sofort von ihrem Freund und heiratete einen Mann, der schon Kinder hatte, aber sich von seiner Frau getrennt hatte. Man könnte spekulieren, dass in diesem Bild das Kind sie sozusagen wie ein Krebs von innen auffraß, deswegen die Schmerzen und Krebsangst zum Zeitpunkt, als sie feststellen musste, dass es schon wieder nichts mit einem Kind war. Als Kindheitserfahrungen und als Prägung hatte sie die Fürsorge und Aufopferung mit ihrer Mutter geteilt. Wenn es der Mutter einmal gut ging, fiel ihr sofort ein, was noch alles im Haushalt zu tun sei. Sie war daraufhin völlig schmerzhaft überfordert, und die Tochter musste ihr helfen und war selber überfordert.

Beide Frauen konnten nicht in Ruhe und Freude ihr Kind annehmen, sondern litten durch unterdrückte Aggressionen, Ängste und Schuldgefühle unter Spannungen. Im ersten Fall wirkten sich infolge der Beruhigung und Entspannung diese nicht mehr gravierend auf das Kind aus. Die zweite Frau hatte zwar eine Lösung für sich gefunden, lebte aber noch in einer inneren schmerzhaften Zerrissenheit, und konnte die verschiedenen gegenteiligen Wünsche nicht als normale Ambivalenz akzeptieren und integrieren. Eine Ambivalenz gegenüber einem Kind muss immer bestehen, da Kinder ja nicht nur eine Freude, sondern auch eine Lebenseinschränkung bis zur Last bedeuten. Entscheidend ist, welche Seite wie auf einer Waage schwerer wiegt. Ähnliche Zusammenhänge können zu einer postpartalen Depression (nach der Geburt) führen.

Eltern, speziell Mütter wollen bewusst für ihre Kinder immer nur das Beste. Sie wollen gute Mütter und Väter sein. Wird dieser berechtigte Wunsch jedoch zur Bedrohung, etwa etwas falsch zu machen und keine gute Mutter zu sein, und zum Zwang, alles richtig zu machen, resultieren fatale Folgen. Das „gute Mutter“-Bild kann zum Ideal werden, an dem die Mutter zerbrechen kann. Das Ideal und der Zwang resultieren meist aus gegenteiligen eigenen Kindheitserfahrungen, aus traumatischen Erfahrungen, aus persönlich erlebter Vernachlässigung, Überbehütung, Bevormundung, Schlägen und Entwertungen, manchmal sogar sexuellem Missbrauch. Gerade aus diesen Erfahrungen entspringt der Wunsch, den eigenen Kindern ein besseres Leben, sogar das Beste zu bieten. Jedoch, die eigenen Erfahrungen und Prägungen bilden die Grundlage des Weltbildes, Lebensentwurfes und ihres Verhaltens. Sie versuchen sozusagen aus einem leeren Sack aus dem Vollen zu schöpfen. Dieser Wunsch, der durch den Anspruch zum Zwang wird, führt zu verschiedenen Formen der Überforderung, der Aggressionen auf das Kind, Schuldgefühlen, dann wiederum zu Überforderung des Kindes und zu teuflischen Kreisläufen. In das mögliche Paradies der Mutter-Kind-Beziehung dringt der Teufel ein. Dieser Teufel wird oft über Generationen weiter gegeben, im biblischen Schöpfungsmythos die Erbsünde.

Unter einer Vielzahl von Möglichkeiten und Kreisläufen versuche ich einige häufige Formen nachzuzeichnen. Eine Mutter, die in ihren Augen selber keine gute Mutter hatte, aber als Gegenbild dieses von sich fordert, wird sich zuerst einmal kolossal bemühen und zwar automatisch gegenteilig zu den eigenen Erfahrungen. Trotz ihrer Bemühungen steckt in ihr die Angst und Sorge, dass ihr dies nicht gelingt. Ihren Ängsten wird sie begegnen, sich noch mehr zu bemühen, ihre Bemühungen zu kontrollieren, und sie kann nicht mehr entspannt und gelassen sich ihrem Kind zuwenden. Die Spannungen übertragen sich auf das Kind, das ebenfalls unter Spannungen gerät. Dessen zum Gedeihen notwendige basale Sicherheit und Geborgenheit gehen verloren. Manche Kinder reagieren mit Krankheiten, typisch sind die Neurodermitis und andere allergische Erkrankungen. Daraufhin gerät die Mutter noch mehr in Angst und Spannungen, und der Kreislauf kann sich verschlimmern.

Eine kulturell tief verwurzelte Reaktionsform auf Ängste und Sorgen ist die Kontrolle durch Normen und Regeln. Das Kind hat gehorsam zu sein, manchmal bis zum vorauseilenden Gehorsam, wo es sich automatisch ohne einen eigenen Willen nach den Ansprüchen der Mutter zu richten hat. Diese Ansprüche gehen in das Kind automatisch wie selbstverständlich über, werden zum eigenen Selbst. Die Aggressionen auf diese Entfaltungsbehinderung hin muss es gegen sich selbst richten, da die Mutter durch die Verinnerlichung zur „inneren“ Mutter geworden ist. Siehe den Artikel über die Depression. Das Kind kann zur Erhaltung des eignen Selbst aber auch mit Trotz, Verweigerung, Rebellion, Sabotage reagieren. Oft schwankt es zwischen Trotz und Gehorsam hin und her oder ist zwischen beidem zerrissen. Diese innere Zerrissenheit fördert die Krankheitsanfälligkeit.

Für viele Mütter bleibt das Kind nicht nur ein Kind, sondern durch die Ansprüche und Anforderung wird es zu einer Art Monster. Die Mutter erlebt ihre eigenen Riesenanforderungen projiziert im Kind als dessen Riesenansprüche. Dadurch entstehen Aggressionen auf das Kind, für das sie wiederum eine gute Mutter sein muss. Diese kann sie jedoch nicht in ihrem „gute Mutter“-Zwang einfach am Kind ablassen, sondern muss sie unterdrücken, und kann dadurch in eine innere schmerzhafte Zerrissenheit geraten. Oft brechen diese jedoch durchbruchsartig durch, worauf sie wiederum mit massiven Schuldgefühlen reagieren muss. Aber alleine schon auf die unterdrückten, sogar oft nicht wahrgenommen und verdrängten Aggressionen kann sie mit Schuldgefühlen reagieren.

Für Ihre Bemühungen erwartet die Mutter naturgemäß Dankbarkeit. Sie hat alles für das Kind getan. Sie verlangt Bestätigung, Lob und Liebe, sie aufrecht zu erhalten, zu tragen und zu stützen. Dadurch ist das kleine Kind völlig überfordert. Die Mutter wird zur Last für das Kind, ebenso wie das Kind eine Last für die Mutter bedeutet. Zusätzlich gerät das Kind in die Falle, sozusagen für das Falsche, nämlich Ängsten, Sorgen, Schuldgefühle, Normen und Aggressionen, das entsprechend ihren Ansprüchen für die Mutter Richtige zurückzugeben. Diese Ansprüche beinhalten eine Bindung, von Seiten der Mutter an das Kind und von Seiten des Kindes an die Mutter, diese noch erfüllen zu müssen, so dass es sich nicht unabhängig machen und loslösen kann und darf. Diese Bindung, so dass es sich nicht frei entfalten kann, zeigt sich im weiteren Leben vor allem in Schwellensituationen wie dem Übergang in den Kindergarten, in die Schule, den Anforderungen der Pubertät und der Loslösung in einem eigenen Beruf oder einer Partnerschaft. In diesen Schwellensituationen können entweder das Kind oder die Mutter, auch aus Sorge, ihr Kind zu verlieren, erkranken. Dann kann der Eine den Anderen oder der Andere den Einen fürsorglich betreuen und aus dieser Situation Gewinn und Lebensaufgabe gewinnen, so makaber das auch klingen mag.

Jedoch nicht nur die Mutter beansprucht Honorierung vom Kind, sondern auch das Kind beansprucht für seine Bemühungen, brav und artig zu sein, seiner Mutter keine Sorgen zu bereiten, und der Anpassung und Selbstaufgabe Honorierung. Auf diesen Anspruch kann es nicht einfach verzichten und bleibt dadurch an die Mutter gebunden. Diese Ansprüche wird es im späteren Leben auf andere Menschen übertragen und alle Menschen, wie es selbst früher bei der Mutter, müssen nach seiner Pfeife tanzen. Diese haben jedoch oft ein ganz anderes Weltbild oder fühlen sich manipuliert und verhalten sich deswegen gegenteilig. Oft bleiben diese Ansprüche unausgesprochen, stammen wie selbstverständlich aus der früheren Mutterbeziehung, zeigen sich in späteren Vorwürfen oder richten sich autoaggressiv in Schmerzen oder Depressionen gegen die eigene Person.

Auch entstehen häufig bei der Mutter Neid und Missgunst. Sie gibt in ihren Augen ihrem Kind das Beste, das sie selbst nie bekommen hat, und dem Kind muss es viel besser als ihr gehen. Dadurch tritt sie sozusagen in Rivalität mit dem Kind. Quält sie sich in ihrem Haushalt herum, kann sie nicht zulassen, wenn es dem Kind offensichtlich gut geht, es Daumen lutscht, in Ruhe spielt, liest, Fernsehen guckt oder mit Geschwistern oder anderen Kindern spielt. Sie wird andere Kinder schlecht machen oder ihr wird sofort etwas einfallen, zum Beispiel die Hausaufgaben, um dessen Glück zu zerstören. Als Folge verinnerlicht das Kind, dass Wohlbefinden zerstört wird, und wird selbst, da es es nicht anders kennt, eigenes Wohlbefinden zerstören und dies auf sein späteres Kind übertragen. Siehe den obigen zweiten Fall.

Wenn die Mutter alles Gute getan hat, muss das Kind glücklich sein. Ist es unglücklich, weint, schreit oder wird krank, ruft dies größte Besorgnisse bei der Mutter hervor, oft nicht nur um das Kind, sondern auch um ihr „gute-Mutter“-Bild, als gute Mutter versagt zu haben. Deswegen muss das Kind glücklich und froh sein. Viele unglückliche, depressive Menschen zeigen äußeres Glück, Stärke oder Erfolg, um ihre Mutter glücklich zu machen, oder heitern andere Menschen auf, wie etwa manche Zircusclowns. Die Glückswahrnehmung kann sogar so weit ins Selbstbild eindringen, dass ein unglücklicher Mensch selbst glaubt, glücklich zu sein. Beispielsweise schilderte eine Patientin, die bei ihrer Oma aufgewachsen war, dass diese immer gesagt habe, wie froh und glücklich sie sei, dass sie bei ihrer Oma aufwachsen dürfe. Sie schilderte, sie war froh und glücklich, bei einer Frau, die die Nachbarschaft eine Hexe nannte. Sie war verhext. Darin sehe ich den tieferen Sinn der Hexenmärchen und Hexenverbrennungen. Ein Depressiver schilderte, bei seinen Besuchen bei der Mutter habe er ihr seine Erfolge geschildert. Die Mutter war glücklich, und er war glücklich, bis ihm hinterher ganz schlecht wurde, weil das alles nicht wahr war.

Durch ihre Ansprüche an Dankbarkeit, aber auch durch ihren Neid, kann sie nicht zulassen, dass das Kind gute Beziehungen zu anderen Personen eröffnet. Sie leidet unter Verlustangst, wobei es bei dem Verlust nicht nur um das Kind, sondern auch um den Verlust ihrer Ansprüche um Honorierung geht. Das können schon der Vater, Großeltern, sogar Geschwister oder andere Personen sein. Sie wird um ihr Kind kämpfen und alles tun, dass sich dieses ausschließlich auf sie bezieht. In ihren Augen muss für das Kind die Mutter das Wichtigste sein. Im biblischen Mythos heißt es „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!“.

Aber auch aus der Position und Sicht des Kindes hat es für sein Wohlbefinden das Interesse, eine gute Mutter zu haben. Es wird um diese gute Mutter kämpfen und sich bemühen. Es wird alles tun, es der Mutter recht zu machen und gibt sich selbst dabei auf. Vielleicht, weil es dann eine gute Mutter hätte, die die eigene Mutter selbst nie hatte, ist es manchen Müttern jedoch nie recht zu machen. Das Kind kann an seinen Bemühungen verzweifeln. Wenn es jedoch Lob für seine Anpassung bekommt, ist dies eine noch größere Falle. Es wird in seinem Lebensweg bestätigt, sich selbst aufzugeben. Deswegen können viele Menschen kein Lob vertragen.

Einige nehmen ihre traumatischen Erfahrungen jedoch nicht wahr. Sie nehmen in ihrer Erinnerung eine gute Kindheit wahr und sehen diese mit den Wunschaugen ihrer Mütter und Eltern und ihren eigenen Wunschaugen. Sie sind also völlig mit den Wünschen und Überzeugungen ihrer Mütter identifiziert. Sie legen sich das nicht zurecht, wie manche meinen, sondern dies geschieht mit ihnen, so wie die Verinnerlichung der Kindheit ein automatischer Vorgang ist. Erst durch ihre Symptomatik und durch die Desillusionierung nach Hinweisen des Umfeldes, eventuell in einer Psychotherapie fallen sie schmerzhaft auf den Boden der Tatsachen. Wegen dieser Schmerzen müssen sie sich so lange wie möglich gegen die Desillusionierung wehren.

Die basale in diesen Fällen tragische Beziehung zur Mutter ist die Grundlage für alle späteren Beziehungen, so dass sich die Beziehungen vor allem in möglichen Partnerschaften wiederholen. Der spätere Erwachsene wird sich bemühen, es allen recht zu machen, deren Erwartungen und Ansprüche zu erfüllen, dabei eigene Interessen und Standpunkte verlieren, wobei die Angst immer mit schwingt. Die Enttäuschung, Frustration und den Ärger wird er gegen sich selbst wenden oder in die Beziehung einbringen und sich dadurch Konflikte verschaffen. Typisch ist das Verhalten eines Alkoholikers, der nüchtern der liebste Kerl ist, aber im Suff die Aggressionen heraus und die Puppen tanzen lässt. In vino veritas, im Wein liegt die Wahrheit.

Führt man sich vor Augen, was bei traumatisierten Eltern in der prägenden Kindheit alles passieren kann, muss die naturwissenschaftliche Medizin mit ihren Ursachenerklärungen als weltfremd erscheinen. Da in unserem kulturellen Kontext Probleme jedoch mit Entwertung und Schuld verbunden sind, dienen diese der Befreiung von Schuld. Viele Mütter würden an ihren Schuldgefühlen noch mehr zerbrechen. Ich persönlich sehe dies Geschehen auch nicht als Schuld, sondern als tragisches Geschehen aufgrund früherer Traumatisierungen, an dem niemand schuld ist. Die Medizin durch alle möglichen Heilsversprechungen, ebenfalls die Religion, verschaffen Hoffnung, während die dargestellten Zyklen eher zu Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung führen. Hoffnung und Zuversicht entspannen und tragen zum Heilungsprozess bei. Wenn ich Aktionär, höherer Manager bei einer Pharma- oder Medizintechnikfirma wäre oder als naturwissenschaftlicher Mediziner viel Geld verdienen würde, würden meine Profitinteressen in der Erhaltung des Systems liegen. Die Wahrheit ist ja auch interessengesteuert.

Was kann der Einzelne tun, wenn er nicht den Verführungen von Medizin und Religion erliegen will? Zum Ersten und als Wichtigstes, diese Zusammenhänge für sich und sich selbst akzeptieren, beziehungsweise, mit sich einverstanden sein und sich nicht als Versager zu betrachten, auch wenn man sich selbst nicht als gute Mutter oder Eltern ansieht. Akzeptanz führt zu Entspannung. Bei Unterdrückung und Nichtakzeptanz werden die unterdrückten Teile immer die Neigung haben ans Tageslicht zu kommen, um anerkannt zu werden. Es bestehen dann immer innere Kämpfe. So wie jeder Mensch anerkannt werden möchte, wollen auch die problematischen Teile seiner Persönlichkeit und dessen Beziehungen anerkannt werden. Also muss auch das vermeintlich Unakzeptable anerkannt werden.

Diese Akzeptanz kann auf verschiedenen Wegen erworben werden. Das kann ganz von selbst geschehen, indem durch Lebenserfahrungen der innere Horizont sich erweitert. Viele Menschen sind jedoch so starr und an das Alte fixiert, so dass ihre Lebenserfahrungen einen Kreislauf der Bestätigung des Alten hervorrufen. Sie haben schon immer recht gehabt in ihrem bösen Selbst, beziehungsweise in ihrem guten Selbst - sie haben ja auch in ihren Augen das Beste gewollt und gemacht -, und die Anderen sind böse und schuld. Die Welt wird in gut und böse aufgespalten. Sie haben nur längere Überlebenschancen durch Entwertung der Umwelt oder den Beifall der Umwelt etwa durch Erfolg, Ruhm oder Heiligkeit.

Beispielsweise beschrieb Johann Caspar Rüegg am 18/19. Dezember 2010 in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel „Sanfter Umbau des Gehirns – Meditation vermindert die Ausschüttung von Stresshormonen und regt die Bildung neuer grauer Zellen an / Verschiedene Hirnregionen profitieren“ neurobiologische Studien, nach denen eine Meditationsschulung eine Langzeitwirkung von Entspannung und weniger Stress bewirkte. Ähnliches können wohl auch andere Techniken wie Autogenes Training, Yoga oder Hypnose erreichen - wenn der Mensch nicht allzu fixiert ist. Die Abstandsfindung und die Betrachtung unter anderen Perspektiven wird wohl der Motor sein. Jedoch bringen intellektuelle und rationale Betrachtung wenig. Es müssen schon tiefere emotionale Erfahrungen sein. Mein Weg ist die Selbstreflexion meiner Wahrnehmungen, Prägungen und Hintergründe, und die Betrachtung anderer und deren Hintergründe, wie etwa in diesem und anderen Artikeln beschrieben. Eine Erkrankung oder Symptomatik kann als Chance genommen werden, bei sich genauer nachzuschauen oder sich von Fachleuten helfen zu lassen.

Von Bernd Holstiege