Mein Führer – der Komiker Helge Schneider über die menschlichen Seiten von Adolf Hitler

 

Über das Lachen und die Komik als Selbstheilungsversuch und Selbstabgrenzung in der Tragik des menschlichen Alltags

 

An diesem Film scheiden sich die Geister. Die Einen empören sich über die Verharmlosung der ungeheuren menschlichen Verbrechen durch einen lächerlichen, kranken Hitler, ein armes Würstchen, ein neurotisches Wrack, für den ausgerechnet der Jude Grünbaum ausgesucht wird, um seine Rhetorik und Demagogie für den Endsieg zu stählen. Eine absurde Situation! Und das soll die wirklich wahrste Wahrheit über Hitler sein? Durch diesen Film wird das Hitlerbild mancher auf den Kopf gestellt. Andere könnten den Film einfach nur als eine lustige Geschichte nehmen und das Leid vergessen, das der Führer über die halbe Welt gebracht hat. Ist die Frage, ob über die Kleinheiten und Psychopathologie eines Menschen lachen darf, dies in den Mittelpunkt zu stellen, wo das Böse und der Schrecken vorherrschen, und wird dadurch nicht dies alles verharmlost und verniedlicht?

 

Was beabsichtigt der Drehbuchautor Dani Levy? Will er aufzeigen , daß einer der grausamsten Diktatoren, für uns heute die Inkarnation des Bösen, auch menschliche Züge hat, über die man herzhaft lachen kann. Soll das Lachen und Schmunzeln eine befreiende Wirkung haben in all dem Bösen? Am Anfang wird ein Zitat von Kurt Tucholsky eingeblendet: "Küßt die Faschisten, wo Ihr sie trefft!" Und am Ende schreien die Deutschen bei Hitlers Neujahrsrede "Heil mir selbst!" Wenn man heute seine Reden und großartigen Gebärden erlebt, kann man auch nur lachen, solange man sich nicht die Folgen vor Augen führt. Dann wird das Lachen zu einem Heulen. Beabsichtigt Levy das verbreitete Schwarz-Weiß-, Gut-Böse-Bild  aufzuweichen, indem er aufzeigen will, daß jeder Mensch auch seine schwachen, liebenswerten Seiten hat, also nicht nur böse ist? Manche grausame Diktatoren und Maffiabosse sind privat durchaus gute und liebenswerte Familienväter. Oder will er etwa den Neonazis auf subtile Weise ihre Heldenikone nehmen, sie auf den Arm nehmen, also ihre Ziele ad absurdum führen.

 

Sicherlich werden durch Helge Schneider nicht die komischen Seiten Hitlers adäquat dargestellt. Helge Schneider spielt mehr sich selbst als Hitler. Ist es dabei  zutreffend, daß Hitler selber nicht die Folgen seiner Taten, die Unmenschlichkeit und das Leid, realisierte, mehr in einer Wahnwelt des Heldenepos und des apokalyptischen Endsieges lebte. Dafür sprechen Zitate, statt in die Gaskammern hätte er die Juden genauso gut in die Wüste schicken können. Dort hätten sie allerdings wesentlich mehr Überlebenschancen gehabt. In dieser Wahnwelt wäre er in guter Gesellschaft, etwa aktuell der der Bushadministration, die für den Sieg über das Böse, den Terrorismus, in ihren Augen einen gerechten Kampf kämpft, ohne sich das Chaos und das Leid im Irak zu vergegenwärtigen. Ansonsten würden sie unter ihren Schuldgefühlen zusammenbrechen. Also müssen sie weiter kämpfen, wie früher in Vietnam noch mehr Waffen und Soldaten.

 

Die gute Gesellschaft sind auch Soldaten, die begeistert für das Gute kämpfend etwa in den 1. Weltkrieg zogen, ohne sich das zukünftige Leid zu vergegenwärtigen, also die grausame Realität des Krieges verleugnen, verblendet vom Sieg, Heldentum und einer Vaterlandsymbolik. Erst jahrelange Grabenkämpfe mit Millionen Toten, trauernden Angehörigen und zerstörter Heimat brachten sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Aber noch nicht mal das ist von Bush und Co. zu erwarten, eher vom Rest der Nation, die schon jetzt kriegsmüde wird.

 

Mich interessiert der Film auch deshalb, weil mir das Lachen und die Komik im Leid und Schmerz vertraut sind, und ich die Hintergründe und Zusammenhänge näher untersuchen möchte. Ich kenne das Lachen von mir selbst als innere Automatik, daß ich oft grinsen muß, wenn mir bei näherer Betrachtung eigentlich zum Heulen zumute wäre. Wenn ich meine Herkunftsfamilie betrachte, machen das alle so, vor allem meine Brüder, aber nicht nur diese. Bei Patienten, aber auch anderen Weltgenossen, erlebe ich oft, wenn sie leid- und schmerzvolle Inhalte berichten, dies nach außen lachend und grinsend zu tun. Patienten kann ich mit dieser Diskrepanz von Inhalt und äußerer Form konfrontieren und höre meist „solange ich noch lachen kann, kann es nicht so schlimm sein“. Also eine Art von Verharmlosung, Kaschierung oder einer Form von Selbsttröstung? Ein Kroate erwiderte „wenn mir das jemand von sich erzählte, könnte ich nur lachen, nur jetzt bin ich selbst der Betroffene“.

 

Um sich die Zusammenhänge und Hintergründe besser zu erklären, ist es oft sinnvoll, sich in die traumatisierenden Begebenheiten der frühen Kindheit zu versetzen, weil das spätere Leben oft diese wieder spiegelt. Typisch ist etwa die Situation, wenn das Kleinkind sich während des Trotzalters trotzig schreiend auf den Boden wirft, weil sein Wille nicht respektiert und auf es eingegangen wird, dann stehen die Erwachsenen oft lachend davor. Ihre eigene Betroffenheit und ihr Unwohlsein, etwa in den Augen der Umwelt, wenn sich der Vorgang im Angesicht anderer Leute abspielt, kaschieren sie mit Lachen. Sie wissen sich nicht besser zu behelfen als zu lachen und zu grinsen. Zumeist ist in ihren Köpfen nicht drin, auf den Willen des Kindes einzugehen, zumindest in bestimmten Situationen, wenn es für sie auf das Wohlverhalten des Kindes ankommt. Das haben die Eltern auch in ihrer Kindheit nie kennen gelernt. Es gelten nur Wohlverhalten und Verhaltensnormen. Bei der Betrachtung ihrer Befindlichkeit ist also hintergründig Hilflosigkeit und Wut über das trotzige Kind anzunehmen, die sei mit Lachen kaschieren.

 

Das Kind fühlt sich aber ausgelacht, lächerlich gemacht und bloß gestellt. Deswegen schreit es wütend und trotzig. Neben den Gründen, warum es wütend schreit, schon als Ausdruck seiner Hilflosigkeit, kommt die Lächerlichkeit und Bloßstellung hinzu und verstärkt seine Ohnmacht und Hilflosigkeit. Das bedeutet für das Kind eine massive Psychotraumatisierung, und jeder Trotzanfall des Kindes bedeutet ebenfalls für Eltern und Erwachsene, analog ihrem eigenen Werdegang, eine massive Belastung und Retraumatisierung.

 

Nach der Überwindung der Trotzphase lernt das Kind seine Wut und den Trotz über die Nichtrespektierung zu unterdrücken, sich nach den Erwartungen des Umfeldes zu richten, es diesem recht zu machen. Dann sind alle aus dem „Helge“ Schneider. Das Kind fühlt sich nicht mehr ausgelacht und mit seiner Hilflosigkeit und Wut konfrontiert, ebenfalls die Eltern und alle entlastet. Das Ganze nennt sich dann soziale Verantwortung, Rücksichtsnahme, Respekt vor der Umwelt und Pflichterfüllung. Nur bleiben Rücksichtsnahme auf sich selber, Selbstverpflichtung und –verantwortung auf der Strecke. Das frühere Kind verliert sich selbst, ist kein eigener Mensch mehr mit seinen Standpunkten, Perspektiven, Gefühlen, ein eigener anerkannter Wer mit eigenem Wert und Recht. Er lebt nur nach den anderen, deren Gesetzen, die seine eigenen sind. Man könnte den Vorgang eine fremdbestimmte Eigengesetzlichkeit bzw. heteronome Autonomie bezeichnen. Das verschafft vermehrt Aggressionen. Die unterdrückten Aggressionen suchen sich irgendwo ihre Bahnen, etwa in merkwürdigem und unangepaßtem Verhalten, in Krankheiten, Ängsten vor sich selbst, den eigenen Aggressionen, Süchten oder in Perversionen, manchmal in plötzlich ausbrechenden mörderischen Aggressionen.

 

All diese Bahnen sind Wege und Heilungsversuche auf der Suche nach sich selbst. Der Exhibitionist etwa sucht seine tabuisierte Männlichkeit - im intimen Raum ist er viel zu gehemmt - indem er öffentlich Frauen sein Glied zeigt, sich rächt und seinen Schrecken in ihren Schrecken umwandelt. Der Pädophile sucht in pervertierter Form in der Liebe zum Kind die in seiner Kindheit nie erlebte oder verloren gegangene Liebe. Der Kannibale von Rotenburg verleibte sich einen fremden männlichen Körper ein, weil er körperliche Nähe selbstbestimmt kaum, höchstens fremdbestimmt, erlebt hat und ihm wesentliche Teile seiner Körperlichkeit in seinem Selbstbild fehlen. Der Süchtige findet in der Droge die Stärke, die er sonst nie hat, und kann im Rausch seine unterdrückten Aggressionen ausleben. Amokläufer strafen die Welt für ihre in ihren Augen erlittene Schmach und Bloßstellung. Aktuell haben 2 jugendliche hilfsbreite Musterschüler im Dorf Tessin die Eltern eines Freundes sozusagen aus heiterem Himmel abgeschlachtet. Keiner kennt die Gründe. Sie selbst sagen völlig gefühlsfern dem gefangenen Mädchen, sie fänden interessant, wie es sich anfühlt, Menschen zu töten und, daß es gar nicht ein so schwieriges, schlimmes Gefühl ist. Ihnen fehlt ein Gefühl für sich selbst und ihre Mitmenschen. Die daraus resultierende mörderische Aggression findet so ihre Bahn. Die Eltern haben sicherlich ihre Jungens in bestem Wissen und Gewissen erzogen. All diese Wege sind eine Mischung von Selbstheilungs- und Bewältigungsversuch, Aggression und Rache im Sinne der narzißtischen Wiedergutmachung.

 

Ein weiterer Weg ist ein raffinierter automatischer, oft vorgelebter - siehe die Eltern und das Umfeld – zwischenmenschlicher Mechanismus, sich mit dem Umfeld zu identifizieren, dem Abwehrmechanismus der Identifikation mit dem Aggressor, und selber zu lachen, wenn die anderen lachen würden, immer dann, wenn Wut und Ohnmacht ausgelöst sind. Der Lachende kaschiert und überwindet seine Angst und Bloßstellung, sein Selbstheilungsversuch, und stützt und stabilisiert zugleich das Umfeld, das sich nicht schuldig betroffen fühlen braucht. Sein Nachteil ist, daß er vermehrt sich selbst verliert und über sein eigenes Leid noch dazu lacht. Die Aggression kann darin zum Ausdruck kommen, daß andere dann leiden oder aggressiv werden, weil sie sich verascht und ausgelacht fühlen. Die Aggression wird sozusagen abgespaltet und delegiert. Manche massiv problembeladene Menschen sind sogar ständig am Lachen und Grinsen, ziehen vieles ins Lächerliche, oft bauen sie sogar andere dabei auf. Bei manchen erlebe ich, daß über Sätze von mir in einer Weise gelacht wird, daß ich mich richtig gut fühle, als wenn ich einen guten Witz erzählt hätte.

 

Dazu 2 eigene Erfahrungen: Als ich in der Psychiatrie arbeitete, wurde ein nackter junger Mann eingeliefert, der hilflos auf einem Autobahnparkplatz aufgefunden wurde. Als das Personal nach seiner Identität forschte, sagte er nichts, sondern saß wortlos grinsend da, sodaß alle sich auf den Arm genommen fühlten. Ich habe mit mehreren Transsexuellen (Männer, die zu Frauen umoperiert wurden, weil sie sich im falschen Körper fühlten und darunter leiden, nach Gutachten eine Kassenleistung) gesprochen. Vordergründig kam ich mir auf den Arm genommen vor. In meinen Augen kam ein Trumm von Mann daher, der inzwischen eine Frau war, sorgfältig in Frauenkleider, Schminke, weibliche Assessoires gehüllt und um teils affektiertes weibliches Verhalten bemüht. Ich mußte mir sein hintergründiges Leid vergegenwärtigen, um nicht bloßstellend oder sogar aggressiv zu reagieren oder zu lachen und ihn/sie wiederum lächerlich zu machen.

 

Menschen mit für sie deplazierten Ängsten wie Panikattakken und Phobien versuchen deshalb alles zu tun, um ihre Befindlichkeit, ihre Unsicherheit und Ängste nicht nach außen dringen zu lassen, und verkörpern oft nach außen das Gegenteil wie Stärke und Selbstbewußtsein. Ihre Angst ist, wenn ihre Schwäche, Unsicherheit und Ängste wahr genommen würden, oh Gott, welche Blamage das für sie bedeute, sie würden sich ja lächerlich machen, das würde ausgenutzt. Dahinter steht, daß sie ihre Ängste selber für lächerlich halten, ihr Bild ins Umfeld projizieren und somit sich selbst  in den anderen fürchten. Durch die Komik und das Lachen in der Identifikation mit dem Aggressor lebt der Mensch im anderen, ist die Grenze aufgehoben.

 

Menschliches Leid hat die Neigung sich zu übertragen, geht von einem zum anderen über, kann sich auch auf Gegenseitigkeit steigern. Dazu Beispiele: Bei einem Hausbesuch wurde ich zu einem alten Ehepaar gerufen, da der Mann einen Herzanfall hatte. Die Frau machte sich größte Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes, er die größten Sorgen, was mit seiner Frau nach seinem Tode geschehe, was ihn ganz krank machte, und ihre Sorge um seine Gesundheit steigerte. Das Leid kann auch einen Schneeballeffekt haben: Die Mutter eines Patienten hatte auf einem Bauernhof drei teils inkontinente Alte zu versorgen, fühlte sich völlig überlastet und wurde depressiv. Am Wochenende mußte der Sohn seiner Mutter entlasten und sie aufheitern. Er kam depressiv nach Frankfurt und klagte mir sein Leid. Als ich ihm den Schneeballeffekt aufzeigte, frage ich ihn, wer nun für mich da sei, woraufhin er grinsend erwiderte „die Krankasse!“. Der frühere Handballspieler Jo Deckarm war mit einem ungarischen Gegenspieler zusammengeprallt, auf den Kopf gestürzt und lag monatelang im Koma. Noch heute ist er schwer behindert, wird von seinen Kameraden zu Großereignissen wie jetzt die Handball-WM eingeladen. Der Ungar hörte sofort mit dem Handball auf und litt lange unter Depressionen. Diesen Fall schildere ich als Beispiel der Übertragung des Leids, wobei keinerlei lachende Komponente zu finden ist. Durch Mitleid und Fürsorge zur Verhinderung des Leids kann der andere völlig überfordert sein und selber leiden. Dann kann das eigene Leid nützlich sein, nicht mehr helfen zu müssen. Manchmal kann ein regelrechter Wettlauf im Leiden resultieren. Wenn man diese Zusammenhänge betrachtet, kann man nur lachen, solange nicht das Opfersein überwiegt.

 

Infolge dieses gegenseitigen und gemeinsamen Leids, horizontal zwischen den Menschen und vertikal über Generationen hinweg, kann die Komik einen Selbstabgrenzungsversuch darstellen. Dadurch wird das Leid gestoppt und in das Gegenteil umgewandelt. Der Lachende nimmt nicht mehr am Leid teil. Den tieferen Sinn sehe ich darin, daß in Anbetracht des zwischenmenschlichen Ausgeliefertseins in der Kindheit und der späteren Leidensübertragung wieder Souveranität hergestellt, gleichzeitig aber dadurch der Zustand dieses Ausgeliefertseins verleugnet wird.

 

Da mit dem weit verbreiteten Lachen leidvolle Wahrheiten verdeckt werden und mit den komplexen, teils hochexplosiven Formen so schwierig umzugehen ist, wurden in der Menschheitsgeschichte kanalisierte und ritualisierte Formen gefunden. Früher befand sich an Fürsten- und Königshäusern ein Narr, der die Wahrheiten aussprechen durfte, er war ja ein Narr. Er erfüllte eine wichtige Funktion, einerseits die Dinge auszusprechen, andererseits nicht so ernst zu nehmen, sich selbst dabei lächerlich zu machen und somit die anderen zu entlasten. Heute sind es die Komiker und Satiriker, die sich privat, in Witzen und an Bühnen finden. Solange man nicht Betroffener ist (siehe den Kroaten), sind die Hintergründe und Zusammenhänge oft so komisch, daß man ja lachen kann. So sucht jeder Lacher als Abgrenzungsversuch Unbeteiligter zu sein, um der Gemeinsamkeit des Leids zu entrinnen.

 

Wie kann man nun diese Zusammenhänge mit dem Film „Mein Führer“ und den überzeichneten komischen Seiten von Adolf Hitler und den verschiedenen Reaktionen zusammen bringen? Hitler und auch Bush hatten eine massiv traumatische Kindheit. Die existentiell erlebte Entwertung und Ohnmacht wird oft in Größenbilder mit hehren Zielen und einem Sendungsbewußtsein umgewandelt, die Schutz und Aufgabe zugleich beinhalten. Ihnen gelang es mit Demagogie und Charisma andere zu überzeugen, die ebenfalls traumatisiert sind und sich in ihrer Abwehrformation ihre Befreiungswege und -ziele zu eigen machen. Ihnen kam Hitler gerade recht. Millionen durch früheren Erziehungsstil (siehe Schreber’sche Pädagogikbücher), verlorenen Krieg, Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit gedemütigten Deutschen wurde der Stolz zurück gegeben. Ihre Aggressionen auf ihre Eltern und die Umstände konnten sie an Sündenböcken ablassen, deren Leid sie nicht wahr nahmen. Deswegen sollten laut Tucholsky die Faschisten geküßt werden. Durch das Lachen geht der Realitätsbezug zum eigenen Leiden und dem anderer verloren. Die Feinde der Kindheit werden zu späteren Feinden, die bekämpft werden müssen. Im Grunde können sie nichts dafür, sind halt so geprägt und den Gesetzen der Psychotraumatisierung ausgeliefert. Deswegen glaube ich, daß Hitler, auch Bush und ihre Helfershelfer das Leiden, das sie anrichten und angerichtet haben, nie richtig realisiert haben und somit nicht ernst nehmen können. Sie wären unter ihren Schuldgefühlen zusammen gebrochen. Sie sehen ausschließlich ihre hehren Ziele, die Welt von dem Bösen zu befreien, und nicht, wie sie das Böse schaffen.

 

Weiterhin wird Hitler, der Führer, wie im Filmtitel durch die Übernahme und Identifizierung für viele zu „Mein Führer“. Levy will wohl hinweisen, er wird zum Allgemeineigentum. „Heil Hitler“ bedeutet „Heil mir selbst“. Aber auch die Nation wird durch einen lächerlichen Führer lächerlich. Viele, die sich heute noch mit den Zielen der Nazis identifizieren, müßten sich durch diesen Film bloßgestellt sehen.

 

Hitler wurde am Ende des Krieges mit seinem Endsieggefasel in Anbetracht des Untergangs immer lächerlicher. Deswegen mußte er von Interessenten, die ebenfalls noch an den Endsieg glaubten, glauben wollten und vom Krieg profitierten, rhetorisch aufgebaut werden. Daß dies ausgerechnet ein Jude war, ist wohl in der gewollten Überzeichnung die Pointe des Drehbuchautors. Der Lachende nimmt im äußeren Ausdruck sein eigenes und das Leid anderer nicht ernst. Dahinter steht, daß er sich von seinem eigenen Leid zu distanzieren versucht. Insofern können Betroffene, deren Angehörige und Verbände zum Eindruck kommen, ausgelacht und nicht ernst genommen zu werden. Das ist das Risiko des Filmes und daher der Protest. Aber Helge Schneider hat es uns einfach gemacht, daß das Problem bei Hitler liegt, er ist lächerlich, und nicht bei den Betroffenen, ihre Leiden sind lächerlich und verharmlost. Eine scharfe Trennung ist notwendig und eine Betrachtung der Hintergründe und Zusammenhänge. Sicherlich wurden in diesem komplexen und hochexplosiven Geschehen nur einige Facetten angesprochen. Jeder Leser wird sich seine eigenen heraussuchen.

 

Literatur:

 

Helm Stierlin „Adolf Hitler. Familienperspektiven“

Alice Miller „Am Anfang war Erziehung“, Suhrkamp-Verlag,  u.a. Bücher von Alice Miller

im Weltexpress:

Tiefenpsychologische Erwägungen zum Sensationsfall des Kannibalen von Rotenburg

Traumatisierungsparallelen im Film „das Parfum“ und dem Fall des Kannibalen von Rotenburg

Gedanken zur Vergangenheitsbewältigung anläßlich der Waffen-SS-Bekenntnisse von Günter Grass

Trauma und Alltag im Spiegel von Mythen     Ödipussage, Teil 2

 

Autor: Bernd Holstiege

E-Mail: bernd.holstiege@weltexpress.info

Abfassungsdatum: 05.02. 2007

Foto: Weltexpress

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Quelle: www.weltexpress.info

Update: Berlin, 05.02. 2007