01. April 14 , 09:58
Kategorie: Wissenschaft, Aktuell, Mensch
Er schreibt in einem Artikel "Pharmafirma lässt Jubeltexte schreiben,
Professor publiziert unter seinem Namen ", bereits 2012 berichtet das Journal
„der Arzneimittelbrief" in einem sehr lesenswert Artikel über das Ghostwritings.
Der Begriff meint, dass Firmen im Auftrag von pharmazeutischen Unternehmen
Artikel zu einem Wirkstoff oder einem anderen gewünschten Thema schreiben bzw.
schreiben lassen und den fertigen Artikel einen so genannten "Key opinion leader".
Meinungfürer, vorlegen mit der Bitte, in der Öffentlichkeit als Autor zu
fungieren.
Pharmafirmen planen manipulativen Informationsprozess weit im Vorfeld
In diesem Artikel des Arzneimittelbriefs wird darüber berichtet, das
pharmazeutische Unternehmen schon lange vor Markteinführung eines Wirkstoffes in
einem üblicherweise geheimen und sorgfältig geplanten und gesteuerten
Informationsprozess den Boden für die Vermarktung bereiten. Dies mag sich
konspirativ anhören, ist aber unbestrittene Realität, in der die Industrie mit
immensem Aufwand die öffentliche Meinung zu manipulieren versucht.
Öffentliche wissenschaftliche Meinung wird nach Wunsch zurechtgebogen
In der Zeitschrift „Prescire international“ wird dieser Prozess in einem
Aufsatz einmal ausführlicher dargestellt. Diese so genannte Publikationsplanung
wird seit etwa Mitte der Neunzigerjahre benutzt zu einer Zeit, als die klinische
Forschung zunehmend in die Hände von Forschungsfirmen übergegangen ist. Aber
nicht nur die klinische Forschung, sondern auch die Public Relations wurden
zunehmend aus dem Unternehmen in die Verantwortung spezialisierter Firmen
übertragen. Eine dieser Firmen hat im Jahr 2013 ihre Dienste so beschrieben:
"Publikationsplanung ist zentral für den Erfolg der Marketingstrategie jedes
Produktes. Durch Maximierung der Unterstützung des Produktes in der
wissenschaftlichen Literatur kann der Kunde die Vorteile der bedeutensten
Kommunikationskanäle für Gesundheit und wissenschaftliche Publikationen nutzen.
Darunter ist zu verstehen, dass durch Veröffentlichungen auf allen Kanälen,
insbesondere den angesehenen, hochrangigen wissenschaftlichen Journalen, die
öffentliche wissenschaftliche Meinung nach Wunsch zurechtgebogen wird.
Schlüsselbotschaften steuern das wissenschaftliche Volk
Um neue Märkte oder sogar Krankheiten zu erfinden, werden frühzeitig
Veröffentlichungen entwickelt, die verschiedene Zwecke erfüllen soll, zum
Beispiel die Ernsthaftigkeit oder Häufigkeit einer Erkrankung zu übertreiben
oder unbewiesene Vorteile von Medikamenten herauszustellen, Nebenwirkung zu
verharmlosen oder auch offlabel-news zu propagieren und mehr. Es geht also schon
lange vor der Markteinführung darum, so genannte Schlüsselbotschaften unters
(wissenschaftliche) Volk zu streuen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass
Studien häufig so angelegt sind, dass die Ergebnisse den Wünschen der
Auftraggeber entsprechen. Dabei wird zum Beispiel gegen Placebo geprüft oder
gegen eine unterdosierte Standardtherapie, nur um einfache Strategien zu
erwähnen. Man kann es auch so machen, daß in der Diskussion seines Artikels die
objektiven Ergebnisse regelrecht schön geredet bzw. gezielt fehlinterpretiert,
ja verbogen werden.
Bei Ghostwriting ist festzustellen, dass die wahren Autoren häufig nicht genannt
sind. Nebenbei bemerkt: es gibt Ghostwriting auch bei
nichtindustrie-gesponserter Forschung. Um möglichst großen Einfluss in der
Öffentlichkeit zu erreichen, werden so genannte Meinungsführer als Autoren
rekrutiert. Dies sind aktive Wissenschafter, die durch viele Publikationen
bekannt oder berühmt sind, allgemein großes Ansehen genießen und deren Wort als
gewichtig gilt, spöttisch auch als so genannte Eminenzen bezeichnet. Diese
werden unter den besonders einflussreichen Persönlichkeiten gesucht, damit deren
Aussagen auch möglichst breit wahrgenommen werden.
Von dem berühmten Autor stammt kaum Satz
Um zu vermeiden, dass die Honorarautoren auf die Idee kommen, Änderung
vorzuschlagen, bekommen Sie üblicherweise die weitestgehend fertig gestellten
Version der Artikel vorgelegt. So ist es nicht selten, dass kaum ein Satz des
Artikels vom benannten, gegebenfalls berühmten Autor selbst verfasst worden.
Leider können wir nicht mit Unterstützung der Journale rechnen, da diese zum
großen Teil von den finanziellen Zuwendungen in Form von Aufträgen der
Pharmaindustrie abhängig sind. So berichtet der "Arzneimittelbrief" darüber,
dass es zwei große internationale Fachgesellschaften für Publikationsplanung mit
jeweils über 1000 Mitgliedern gebe. Bei der Jahrestagung hätten sich die großen
medizinischen Zeitschriften die Klinke in die Hand gegeben, um für
Veröffentlichung in Ihren Journalen zu werben. Ein kleines Schlaglicht zu den
vielfältigen finanziellen Verflechtungen!
Gericht deckte auf: Editorial stammen nicht vom Autor, sondern von
Ghostwritern der Pharmafirmen
Als erhellendes und bedenkliches Beispiel, wie so eine Publikationsplanung
ablaufen kann, kann ein Gerichtsverfahren in den USA im Jahre 2009 dienen.
Damals musste sich die Firma Wyeth gegenüber 14.000 Frauen mit Brustkrebs
verantworten. In diesem Verfahren kam zu Tage, dass die Firma in den neunziger
Jahren im großen Umfang Agenturen mit Ghostwritern angeheuert hat, um ihre
Hormonpräparate zur Hormonersatztherapie zu vermarkten. Es wurde bekannt, dass
zwischen 1997 und 2005 mindestens 50 wissenschaftliche Artikel zur
Hormonersatztherapie nicht von den genannten Autoren verfasst, sondern von den
Agenturen produziert waren
Wissenschaftler und Praktiker wurden falsch informiert, Patienten in Gefahr
gebracht
Es handelt sich überwiegend um Editorials, Briefe an den Herausgeber und
wissenschaftliche Abstracts, aber auch um klinische Studien, wie zum Beispiel
die Women’s Hope-Studie. In all diesen Veröffentlichungen wurde der Nutzen
positiv herausgestellt und die Risiken bzw. möglichen Schäden wurden
verharmlost. Damit wurden die Leser der Artikel, Wissenschaftler wie auch
behandelnde Ärzte fehl informiert und ihrer Patientinnen in Gefahr gebracht. Die
Dienste einer Key-opinion-Leaderin wurden im Verfahren herausgestellt, unter
anderen, wie sie von der Firma großzügig dafür belohnt - oder soll man sagen
geschmiert-wurde.
25.000 $ für einen Artikel
Die Firma ging aber noch weiter und produzierte eine ganze Anzahl von
Primärartikeln, d.h. Veröffentlichung von Ergebnissen wissenschaftliche
Versuche: zum Beispiel vier unterschiedliche Arbeiten zur Hope-Studie. Dabei
wurden für jeden Artikel 25.000 $ bezahlt. 1997 wurde die Agentur beauftragt, 50
Artikel zu schreiben, von denen jeder 20.000 $ kostete. Dabei wurden auch
Sekundärveröffentlichungen produziert, die die Studie besprachen und
beurteilten. Im Weiteren wurden auch CME-Artikel (wissenschaftliche Fortbidung
für Ärzte) entwickelt, um die Ärzte entsprechend und ganz gezielt zu
beeinflussen. In den neunziger Jahren wurden Artikel veröffentlicht, deren
einziger Zweck darin bestand, die angeblich ernsthafte Natur der menopausalen
Beschwerden groß herauszustellen und die dringende Notwendigkeit der
Hormonersatztherapie zu begründen. Die entsprechenden Lügen zu den vielfältigen
Wohltaten durch Hormone kennen nicht nur wir Ärzte, sondern auch das ebenfalls
gezielt fehl informierte Laienpublikum.
Nachdem die WHI- Studie (Women’s Health Initiative) publiziert war, die die
Nutzlosigkeit der Hormonersatztherapie für Herzerkrankung zeigte und sogar ein
erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Brustkrebs nachweisen konnte, sah man sich
bei der Pharmafirma genötigt, andere Benefits wie zum Beispiel bessere
Sexualgesundheit durch Hormone zu erfinden. Im weiteren wurden Artikel
veröffentlicht, die behaupteten, dass diese Brustkrebs Erkrankung weniger
aggressiv als andere sein und eine bessere Prognose hätten. Man veranstalte
sogar Konferenzen, um diesen Unsinn zu verbreiten.
Profit wichtiger als Wohl der Patienten
Diese Information werfen ein Licht auf die Pharmaindustrie, dass schlechter
kaum sein könnte. Sicher muss ein Pharma-Unternehmen Geld verdienen und Gewinn
machen können. Aber hier wird der finanzielle Profit über alles, auch über das
Wohl der Patienten gestellt - und damit wird eine Grenze überschritten. Manche
Firmen scheuen keinen finanziellen Aufwand, sind sich für nichts zu schade, um
ihre Werbestrategien zu realisieren.
Wir Ärzte können aus diesen perfiden Strategien von Pharmakonzernen den Schluss
ziehen, wir sind einem unerhört raffinierten, ausgeklügelten System der
Informationsverbreitung und Informationsvermittlung weit gehend ausgeliefert. Es
ist in diesem Dschungel ausgesprochen schwierig einen Durchblick zu bekommen
bzw. zu erhalten. Auf der anderen Seite wird alles getan, um Fakten zu
vernebeln, zu verdrehen und uns zu täuschen. Letztes Jahr musste Sanofi in
Frankreich für diese Arzt-Verdummung Kampagne 40 Millionen € Strafe zahlen.
Wem kann man noch glauben, wenn auch die großen, hoch angesehenen, ja berühmten
Medizinjournale bei diesem Treiben mitspielen? Man könnte den Autoren von
Prescire, des Arzneimittelbriefes oder Dr. Seffrin vorwerfen, der Paranoia
verfallen und mit Vorurteilen erfüllt zu sein. Aber diese Aussagen beruhen nun
einmal auf gerichtlich festgestellten Tatsachen. Der Leser kann sich dank
Internet von der Wahrheit dieser Angaben überzeugen.
Für den Arzt und seinen Patienten bedeutet das ganze, genau darauf zu achten,
welche Quellen er für seine Informationsbeschaffung benutzt. Dies sind in erster
Linie unabhängige Zeitschriften, die keine Werbung brauchen, um sich zu
finanzieren. Daneben benötigt man leider eine große Portion Misstrauen, wenn
einem ein neues Produkt oder eine neue Krankheit oder auch nur die Definition
einer angeblich neuen Krankheit nahe gebracht wird. Auch neue Bezeichnung alter
Krankheiten haben üblicherweise ihre Hintergründe. Man darf auch ohne schlechtes
Gewissen so manchem kostenlosen CMI-Angebot widerstehen, da man andernfalls dem
Risiko ausgesetzt ist, Dinge zu lernen, die vielleicht in den Hinterstuben vom
großen Auftragnehmern der Pharmaindustrie extra für uns erfunden worden..
Studien für den Aktenschrank, noch immer werden die Ergebnisse vieler
Arzneistudien unter den Tisch gekehrt
Seit einigen Jahren verlangt die FDA (die amerikanische Arzneimittelbehörde),
das klinische Studien in einem Register aufgeführt und deren Ergebnisse auf der
Internetseite www.clinicaltrials.gov veröffentlicht werden müssen. Amerikanische
Forscher haben nun überprüft, inwieweit diese Vorgaben des amerikanischen
Staates in die Tat umgesetzt wurden. Sie untersuchten 585 Studien mit mehr als
jeweils 500 Partizipanten, mit einer Gesamtzahl von ca.1 Million Teilnehmern.
Von den 585 registrierten Studien blieben 171, d.h. 29 % unveröffentlicht. An
diesen 171 Studien nahmen ca. 300.000 Menschen teil. Er stellte sich in der
Untersuchung heraus, dass Nichtveröffentlichung häufiger bei industriebezahlten
Studien zu finden war (das heißt ca. 32 %) als bei anderen Studien, bei denen
der 18 % der Studien unveröffentlicht blieben. Von den 171 nicht
veröffentlichten Studien fanden sich bei 133 überhaupt keine bei
clinicaltrial.com auffindbare Informationen. Mittlerweile ist übrigens für
bestimmte Studienarten die Unterlassung der Veröffentlichung mit einer
Verzögerungsstrafe bis zu 10.000 $ pro Tag bewehrt.
Es ist bemerkenswert, dass staatliche Vorgaben in einem so hohen Prozentsatz
schlicht und einfach nicht umgesetzt wurden. Man fühlt sich fatal an die
Anklagen von David Healy in seinem Buch "Pharmageddon" erinnert, wo Healy unter
anderem schildert, auf welch respektlose Weise die Pharmaindustrie mit
behördengesetzlichen Vorgaben umspringt. Riesige Zahlen von Studienteilnehmern
werden letztlich hinters Licht geführt. Diese Teilnehmer haben in der
Vorstellung und Hoffnung, auch anderen Menschen durch ihre Teilnahme helfen zu
können, manches Risiko und Umstände auf sich genommen. Es ist in keiner Weise
akzeptabel, Patienten für eine Studie zu rekrutieren, dabei ihnen alle möglichen
Risiken einer Prüfung aufzubürden und diese Studien anschließend nicht zu
veröffentlichen. Ein weiterer ebenfalls hoch bedenkliche Aspekt ist der, dass
durch diese Nichtveröffentlichung von wichtigen Daten unter Umständen bedeutende
Erkenntnisse für die Allgemeinheit verschollen bleiben und, noch viel schlimmer,
über ein Publicationbias die Antworten wichtiger Fragen in der
wissenschaftlichen Welt extrem verfälscht werden können.
Der mögliche Schaden dabei kann ganz profan im volkswirtschaftlichen Bereich
liegen, in dem unter Umständen riesige Geldsummen für völlig nutzlose Medikament
versenkt werden. Wir dürfen uns hier schmerzhaft an verschwendete Steuergelder
für wahrscheinlich nur gering wirksame Grippepillen erinnern, oder an
Antidiabetika, deren Zusatznutzen gegenüber Standardwirkstoffen zweifelhaft bzw.
kaum nachweisbar ist.
Unterschlagene Informationen können Patientenleben gefährden
Aber noch viel gefährlicher ist, dass Wirkstoffe, die möglicherweise
gefährlich oder im harmlosesten Falle nutzlos sind, in unsere Therapie
eingeführt und damit an unserem Patienten eingesetzt werden. Durch solche
Verfälschung von Ergebnissen können auch recht effektive Verfahren relativ
schlechter erscheinen als sie in Wirklichkeit sind, womit sie gegen verfälschte
Ergebnisse keine Chance haben. Es ist auffällig, dass in der ersten Untersuchung
wesentlich mehr industriegesponserte Studien verschwunden bleiben. Für die
Hersteller verschwinden missliebige Resultate und genehme Ergebnisse werden.
publiziert, am besten gleich dutzendweise in verschiedenste Veröffentlichungen,
von angestellten Ghostwritern, die quasi industriell wie am Fließband auf
Bestellung produzieren.
Diese Gedanken kommen nicht von ungefähr, Healy gibt in seinem Buch seitenlange
Beispiele und Namen von Agenturen. Nach einer ganzen Reihe von Milliarden
Strafen gegen Pharma-Unternehmen wegen Betrugs ist ganz aktuell ein
Strafverfahren des japanischen Gesundheitsministeriums gegen den Pharmariesen
Novartis bekannt geworden, der angeblich wissenschaftlich gefälschte Studien für
die Werbung für das bekannte Antihypertensivum Diovan verwendet haben soll. Die
Ergebnisse dieser Studie sind elektrisierend und sollten dringend zu einer
Verschärfung der wissenschaftlichen Spielregeln führen, dies nicht nur in den
USA.